TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 25. August 2020

Die Telefonistinnen – ein weiterer Serienhit aus Spanien?

von Doreen Von-der-Hoeden
Eine moderne Telefongesellschaft in Madrid Ende der 1920er Jahre. Das ist der Dreh- und Angelpunkt der Netflix-Serie. Ich habe die mittlerweile 5 Staffeln gerade zu Ende geschaut und muss sagen, dass ich es sehr genossen habe in dieser vielleicht ein bisschen eintönigen Corona-Zeit, in eine ganz andere Welt aus der Vergangenheit entführt zu werden. 4 ganz unterschiedliche Frauen treffen aufeinander und werden zu unzertrennlichen Freunden, die sich zusammen unfassbar vielen Herausforderungen ihrer Zeit stellen müssen.
Im Mittelpunkt der Serie steht Lidia Aguilar, die eigentlich Alba heißt und alles andere als eine typische Frau der 20er Jahre darstellt. Die selbstbewusste, elegante Frau versucht sich als Diebin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zu Beginn der Serie gibt sie sich als Lidia Aguilar aus, um einen Job in der Telefongesellschaft als Telefonistin zubekommen, was zu der Zeit für Frauen ein echtes Privileg war. Dort trifft sie zufällig, wie soll es auch anders sein, auf ihre Jugendliebe, die sie zu enttarnen droht. Man erfährt im Laufe der Geschichte immer mehr über ihre Vergangenheit und die Opfer die sie schon in jungem Alter bringen musste.
In der Telefongesellschaft trifft sie auch zum ersten Mal auf die anderen Hauptcharaktere. Carlota stammt aus einem reichen, hoch angesehenen Elternhaus Madrids, die sich allerdings nach Freiheit sehnt. Sie ist rebellisch und lehnt sich gegen jegliche Ungerechtigkeit auf, egal wie viel Risiken sie dafür eingehen muss. Das genaue Gegenteil zu diesen beiden Frauen ist Marga. Charakterisiert wird sie als das unschuldige, schüchterne Mädchen vom Dorf und scheint zu Beginn vor fast allem Angst zu haben. Ihr kann das Publikum dabei zuschauen, wie sie über die Zeit reift und zu einer starken, selbstbewussten Persönlichkeit wird. Die vierte Figur ist Àngeles, die bereits als Telefonistin arbeitet. Sie ist Mutter eines kleinen Mädchens und leidet unter Gewalt ihres Mannes, die auch schonungslos gezeigt wird. Diese Frauen aus ganz unterschiedlichen Schichten und mit verschiedenen Zielen für ihr Leben machen es dem Publikum sehr einfach, sich in mindestens einer Figur wieder zu finden.
Alle zusammen haben das Talent dafür, ständig in schwierige Situationen zu geraten. Dabei sind sie sehr oft im Konflikt mit dem Gesetz, um ihren Freunden zu helfen oder ihre Ansichten durchzusetzen, wobei sie meistens in noch schwerere Probleme geraten. Manche Situationen wirken aber auch an den Haaren herbeigezogen. Besonders in den mittleren Staffeln sind die Herausforderungen der Frauen so absurd, dass es so wirkt als müsse die Handlung einfach nur gestreckt werden.
Die Serie dominieren Themen wie Korruption und die gesellschaftliche Ungleichheit zwischen arm und reich genauso wie die technische Entwicklung des Telefons oder politische Krisen zu der Zeit in Spanien. Aber am meisten erfährt man über den Kampf für Frauenrechte und Gleichberechtigung. Die vier Freundinnen stehen für Zusammenhalt und den unermüdlichen Kampf gegen die Unterdrückung und nehmen dafür jedes Risiko in Kauf. Es wird aber auch gezeigt wie mit Menschen umgegangen wurde, die nicht ins damalige Bild passten. Diese Gruppe wird in der Serie am stärksten durch die Figur der Sara Millán repräsentiert, die sich im falschen Körper gefangen fühlt und darum kämpfen muss, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. So spielt die Serie zwar in der Vergangenheit, behandelt aber Themen, die auch heute sehr aktuell sind. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau oder der Kampf von Homosexuellen um Akzeptanz sind immer noch große Diskussionspunkte. Vielleicht wurde auch deswegen oft etwas modernere Musik verwendet, was ich allerdings manchmal etwas irritierend finde, da es nicht zum Setting passt. Ohne zu viel zu verraten kann ich aber noch sagen, dass mich das Ende der Serie sehr überrascht hat. Im Moment weiß ich noch gar nicht wie ich es finden soll, da ich es ganz anders erwartet habe.
Da die Serie allerdings sehr mit den Emotionen des Zuschauers spielt, mit viel Liebe, Leidenschaft, Intrigen und Herzschmerz würde ich es eher für Menschen empfehlen, die keine Feinde von Drama und Telenovelas sind. Aber fakt ist, es ist die nächste Serie aus Spanien, die auch bei vielen Freunden in meinem Alter sehr gut angekommen ist. Denn es wurden neben „Haus des Geldes“ auch erfolgreiche Serien wie „Elité“ oder Teile von „Game of Thrones“ in Spanien gedreht. Die Chicas der Telefongesellschaft kommen für mich aber nicht ganz an DIE spanische Serie „Haus des Geldes“ heran.

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