TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 5. August 2020

Bodyguard – Spannung pur

von Luis Heislbetz
„Sie müssen das nicht tun. Sie können ihren Entschluss überdenken!“ Kriegsveteran David Budd redet eindringlich auf eine muslimische Frau mit angelegtem Sprengstoffgürtel im Toilettenraum eines fahrenden Zuges ein. Das ist eine der ersten Szenen in Jed Mercurios britischer Dramaserie „Bodyguard“ aus dem Jahr 2018 mit den Hauptdarstellern Richard Madden (auch Robb Stark in Game of Thrones) und Keeley Hawes. Dieser versuchte Bombenanschlag ist jedoch nur der Anfang dessen, was der Zuschauer zusammen mit David Budd in sechs Folgen der Miniserie noch erleben wird.
In den meisten Szenen der Serie wird man den Ex-Soldaten und Polizisten David Budd angespannt und unter extremer psychischer Belastung, ernst und mit zusammengebissenen Zähnen sehen. Kein Wunder, denn neben einer posttraumatischen Belastungsstörung hat der Personenschützer der britischen Innenministerin Julia Montague mit familiären Problemen, Anschlägen, einer komplizierten Affäre und Ermittlungen gegen sich selbst zu kämpfen. Noch dazu ist Budd Gegner des politischen Programms der Innenministerin, da diese für den Krieg wirbt, in dem er – nun Kriegsveteran - gekämpft hatte. Die Serie gibt Einblicke in das Leben psychisch Erkrankter, Korruption in Regierungskreisen und in Vorgehensweisen des organisierten Verbrechens.
Die Schauspieler gefallen mit gut. Keeley Hawes überzeugt durch die Bandbreite der Darstellung unterschiedlicher Gefühle, Richard Madden, der David Budd verkörpert, ist durch seine eindringliche, ausdrucksstarke Schauspielkunst eine hervorragende Wahl für den psychisch kranken und depressiven Kriegsveteranen.
Der Aufbau, der der Serie zugrundeliegenden Geschichte, ist nicht ganz schlüssig, wirkt stumpf und grob zusammengezimmert, trotzdem unheimlich spannend. Der Zuschauer weiß während der ganzen Zeit nicht, wer gut und wer böse ist. Dadurch ist der Ausgang offen und man will die Serie unbedingt zu Ende schauen. Wie auch bei anderen Serien, in denen Kriegsveteranen vorkommen (zum Beispiel „The Punisher“) hatte ich das Gefühl, dass dort der ehemalige Soldat, trotz seiner Probleme und psychischen Erkrankung den Krieg und die Gefahr braucht. So auch David Budd, der in Situationen der Lebensgefahr ruhig bleiben kann, jedoch in Phasen, in denen er allein ist, große psychische und soziale Probleme hat. Generell finde ich, dass die Erzeugung der Spannung deutlich besser gelungen ist als die detaillierte Ausarbeitung des Plots.
Das Erzeugen von Spannung in der Serie ist meinem Empfinden nach sehr gut gelungen. Durch passende Musik werden die Szenen gut unterstützt. Vor allem in dynamischen Szenen (zum Beispiel in der oben beschriebenen Szene im Zug) wird durch die unruhige Kameraführung, überzeugendem Schnitt, der dunklen Belichtung und bedrohlicher Hintergrundmusik die Dramatik auf den Höhepunkt getrieben. Faszinierend finde ich, dass die erzeugte Spannung nicht auf einen Höhepunkt zum Ende der Serie abzielt, sondern dass diese von der ersten Szene an konstant hoch gehalten wird. Die Weltstadt London ist in meinen Augen auch ein sehr guter Drehort für diese britische Serie, hier befinden sich die Schaltstellen für Macht und Geld. Dies bietet eine schöne Abwechslung zu amerikanischen Arbeiten.
Kritisch sehe ich, dass einige Szenen sind sehr realitätsfern wirken. Wie kann es sein, dass ein Kriegsveteran mit deutlichen Posttraumatischen Belastungsstörungen ohne Bedenken der nächste Personenschützer der britischen Innenministerin wird? Ein Ex-Bodyguard hat hierzu mehrere Vorfälle aufgezählt, die so nicht stimmen können. Um Spoiler zu vermeiden, ist hier ein Link der Website: https://www.dailymail.co.uk/news/article-6221459/Former-bodyguard-spots-series-mistakes-BBC-thriller.html
Auch wenn ich die Geschichte nicht immer für logisch und perfekt durchdacht halte, finde ich, dass der Plot Twist gut gelungen ist. Nachdem der Fall gelöst wurde, wird die Rolle einer Frau in der Serie komplett umgeworfen, womit ich selbst nie gerechnet hätte.
Durch die etwas unausgereifte Geschichte finde ich es schwierig Empathie für die verschiedenen Charaktere zu entwickeln. Dies mag jedoch vielleicht daran liegen, dass die Serie nur sechs Folgen hat. In anderen Serien, wie zum Beispiel „Game of Thrones“ (Richard Madden spielt hier auch mit als „Robb Stark“), kann man einen besseren Bezug zu den Personen entwickeln, da man diese über einen längeren Zeitraum kennenlernt. Man begleitet die Figuren auf ihrem Lebens- und Leidensweg, hat Einblicke in die Jugend und kann verschiedene Entscheidungen besser nachvollziehen.
Abschließend kann ich sagen, dass die Serie empfehlenswert ist, auch wenn einige Probleme in der Geschichte vorhanden sind. Durch ein hohes Spannungslevel, gute Schauspieler und ein passendes Ambiente in London hat mich die Serie überzeugt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen