TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 2. Oktober 2019

Von T*tten bis Tränen alles dabei (Get the F*ck Out of My House)

von Sophia Gräfenhahn
„Get the F*ck out of my House“ Staffel aus dem Jahr 2019, ProSieben
Provokationen, Emotionen und viel nackte Haut. Das sind die Mittel, mit denen ProSieben, in seiner Sendung „Get the F*ck out of my House“, die Zuschauer für sich gewinnen will. Es benötigt nicht einmal neun Sekunden - der ersten Folge, der zweiten Staffel -, schon blickt den Zuschauer die erste nackte Frau aus der Dusche heraus an. Die nicht vorhandene Privatsphäre, der anfänglich 100 Hausbewohner, wird für den vergesslichen Konsumenten immer wieder von dem reizenden Moderatorenpaar untermauert. Doch damit nicht genug. Ständig erinnern Thore Schölermann und Jana Julie Kilka wie wenig Platz, Frischluft und Essen die Kandidaten doch haben.
Doch was ist dieses „Get the F*ck out of my House“ eigentlich? Das Konzept ist schnell erklärt: Ein Einfamilien-Haus wird von 100 Menschen bewohnt und ist damit völlig überfüllt. Die Kandidaten sollen sich gegenseitig aus dem Haus ekeln. Spiele und sogenannte Rauswahlen machen den Rest. Wer am längsten durchhält gewinnt das Preisgeld von 100.000 Euro. Und damit auch für den dümmsten Mitspieler klar wird, wo die Grenzen sind, ist das Haus mit etlichen roten Grenzlinien ausgestattet. Wer diese übertritt, muss das Haus umgehend verlassen und verliert somit die Chance auf den Gewinn. Die Linien nehmen im Lauf der Sendung zu. Im Gegensatz zum Platz, welcher immer geringer wird. Und damit wir das nicht vergessen, wird uns das noch oft genug gesagt.
Auf den ersten Blick wirkt das Konzept recht ansehnlich. Es löst im Zuschauer Interesse aus und regt ihn womöglich zum Einschalten an. Soweit so gut. Doch ist man erst einmal dabei die Sendung zu gucken, übermannen einen sowohl die Emotionen der Teilnehmer als auch die Eigenen. Letztere meinen vor allem das Fremdschämen, Mitleid sowie ein Gefühl der Peinlichkeit, weil man immer noch nicht umgeschalten hat. Doch das Format zieht einen in seinen Bann. Unbewusst pickt sich der Zuschauer Einzelpersonen heraus, für welche er Sympathie empfindet und welche, denen er am liebsten die Leviten lesen würde. Das Konzept geht also auf! Doch um es dem Beobachter zu erleichtern aus einer Fülle von Menschen seine Favoriten auszuwählen, gibt es seit dieser Staffel eine tolle Ergänzung zu den ursprünglichen 100 Kandidaten. Die „HIPS“, ausgeschrieben: „House important Persons“. Hierbei handelt es sich um vier C- oder Z- Promis, die bereits in einigen unansehnlichen Formaten des Senders teilgenommen haben. Sie kennt man gerade so gut genug – vor allem durch die häufigen Einblendungen ihrer selbst und dank individuell vom Sender angefertigten Vorstellungsvideos - um einen Anker in der Fülle von Menschen zu haben. Die immer wiederkehrenden Gesichter lassen einen glauben, man kenne alle Hausbewohner. Wenn dann aber zum x-ten Mal jemand das Haus verlässt, wird dem Zuschauer erst bewusst, dass es da noch einige Personen gibt, die er noch nie gesehen hat. Gott sei Dank vergisst dieser das schnell wieder und konzentriert sich auf die ihm bekannten Bewohner. Doch zu allem Übel hat sich die Redaktion von ProSieben noch eine ganz besondere Überraschung ausgedacht. Damit die Teilnehmer noch zusätzlich angestochert werden, zieht nach einigen Stunden im Haus Micaela Schäfer mit ein. Der auf beiden Armen groß hingeschriebene Hashtag „ausziehen“ sowie ein bestreitbares sexy Outfit zieren ihren nicht mehr ganz so natürlichen Körper. Anschließend überrollen den Zuschauer wild zusammengeschnittene Aufnahmen von ernsten, fast wütenden Blicken der weiblichen sowie zahlreiche lustvolle und gierige Blicke der männlichen Bewohner. „Deutschlands Nackte“, wie sie sich selbst liebevoll nennt, ist Gast im Haus und kann weder Teilnehmer rauswählen noch rausgeworfen werden. Dennoch heizt sie die Stimmung an und verführt die noch übrig gebliebenen Hausbewohner zu aufreizenden Themen und heißen Spielchen. Ihr Abgang erfolgt nackt und voller Vorfreude auf die Erotikmesse in Berlin. Was sonst.
Neben all diesen Zusätzen sollten die Kandidaten aber nicht vergessen, dass es sich hierbei immer noch um einen Konkurrenzkampf handelt. Die unbeliebtesten von ihnen werden in die sogenannte „Rote Zone“ verwiesen und müssen um den Rauswurf bangen. In diese Zone gerät, wer weniger als fünf Stimmen bei der Wahl zum „Hausboss“ erhält. Dies erwähnen Jana Julie irgendwas und ihr Partner Thore immer wieder, um auch hier Salz in die Wunden zu streuen. Erneut Anlass für Diskussionen im Haus, welche wunderbar mit den 36 UHD Kameras festgehalten werden können. Neben den Klogängen und Kuscheleinheiten gibt es da nämlich reichlich Stoff.
Die Redakteure geben sich also sichtlich Mühe die miesen Quoten der ersten Staffel, welche 2018, also im Jahr zuvor, lief, aufzuhübschen. Doch ist es wirklich das, was die Menschen an einem Dienstagabend dazu bewegt den Fernseher anzuschalten? Will unsere Gesellschaft sich ansehen, wie sich 100 Leute langweilen, aus Töpfen und Blumenvasen Wasser trinken und sich von einer Lovestory in die nächste hangeln? Vielleicht ist es ja auch die Gewissheit, dass im Ernstfall eine Gemeinschaft von Wildfremden dazu fähig ist zu teilen und sich gut zu organisieren, sodass jeder zufrieden gestellt wird, die den Zuschauer beruhigt. Dies erscheint mir auch am sinnvollsten, denn das Format zeigt wie die Bewohner unter der Führung des „Hausbosses“ erstaunliches Organisationstalent aufweisen. Der Mangel an Allem führt zu erfinderischen Lösungen. So wird zum Beispiel das Klopapier rationiert oder die Schale der Kartoffeln zu Chips verarbeitet, anstatt diese wegzuwerfen. Und um das leckere Schokodessert gerecht zu verteilen, erhält jeder Bewohner einen kleinen Löffel davon. Alle den Selben, versteht sich. Für die Teilnehmer ist es gewiss eine Bereicherung für ihr weiteres Leben, doch dem Konsumenten wird beim reinen zuschauen über ca. zwei Stunden und 30 Minuten plus Werbezeit pro Folge schnell langweilig. Dann wird das „krasseste TV-Format“ schnell zum „langweiligsten TV-Format“, das es je gegeben hat. Und auch das mangelnde Talent und die übertriebene Darstellung der Moderatoren nervt schnell. Schon nach den ersten Sequenzen mit den Beiden, würde man ihnen am liebsten einen Schauspielkurs finanzieren. Vielleicht ist es deswegen auch keine Überraschung, dass die ursprünglich sechs geplanten Episoden auf vier gekürzt wurden und der Erfolg, trotz Quotenmichi Micaela ausblieb. Ob es eine weitere Staffel geben wird? Wir sind genauso gespannt darauf wie auf die nächste Staffel Dschungelcamp ;) .

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen