TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Veränderungen bei ‚Die Höhle der Löwen‘ - beißt der Neue zu?

von Sophia Gräfenhahn
Im September beginnt für viele Menschen wieder die Zeit, in der man, in eine Decke gehüllt, viele Stunden vor dem Fernseher verbringt, während sich draußen ein nass-klater Schleier um die Häuser legt. Dies ist auch die Zeit in der auf VOX die nun schon bekannte Sendung „Die Höhle der Löwen“ mit einer neuen Staffel startet. So auch 2019. Und damit für die Zuschauer nicht nur die Produkte neu sind, hat der Sender einige Änderungen am Format vorgenommen. Ich starte mit der dritten Folge, da ich die ersten beiden bereits verpasst und als Nicht-Premium-Mitglied keinen Zugriff mehr darauf auf dem Webstream bei TV NOW habe. Aber schon zu Beginn der dritten Folge wird man mit einem äußerst amüsanten neuen Intro begrüßt. In diesem werden zuerst die sogenannten Löwen - Neue sowie Altbekannte - vorgestellt. Gleich danach spielt der Sender die Highlights der heutigen Folge spannungserzeugend ein, sodass auch jeder das Bedürfnis bekommt, sich wenigstens das erste Produkt anzusehen und eventuell dabei zu bleiben. Die bereits bekannte Stimme aus dem Off und dramatische Musik untermauern diesen Effekt. Bis auf den neuen Löwen war hier noch nicht viel neues zu sehen. Doch dann werden die Beobachter überrascht: Die Großaufnahmen der Gesichter der Reichen und Schönen werden abwechselnd mit echten, tiefblickenden und brüllenden Löwenköpfen porträtiert. Dabei sind die Ausdrücke der menschlichen Raubtiere ernst und sicher, bis „der Neue“, Nils Glagau, den Brüller des Löwen fortsetzt. Teure Uhren und edle Sessel stehen für den Reichtum der Investoren. Und da ist Dagmar Wöhrl noch einmal und huch jetzt hat auch noch Judith Williams mit den Zähnen gefletscht. Ich kann mich vor Lachen kaum noch halten. Das vorherige Intro war meiner Meinung nach schon – im wahrsten Sinne des Wortes - nicht der Brüller, jedoch übertrifft das Neue alles. Der Manager von Judith Williams hätte da ruhig nochmal drüber schauen sollen.
Nun denn, das Spektakel geht los und die Gründer von „Sticker Stars“ kommen ins Bild. Unter emotionsgeladener Musik werden Kindheitserinnerungen bei Löwen und Zuschauern geweckt um gleich darauf einen drauf zu setzten mit der Idee, die eigenen Kinder und Freunde in sein zukünftiges Sammelalbum kleben zu können. Die Investoren reißen und kleben mittlerweile selbst mit einem dicken Grinsen im Gesicht. Es scheint gut zu laufen für die Gründer, alle sind begeistert. Doch schnell schlägt die Stimmung um. Allen Löwen ist die Bewertung von 8 Millionen zu hoch, woraufhin sie allesamt aussteigen. Die „Sticker Stars“ gehen ohne Deal nach Hause. Schade, aber der ein oder andere Zuschauer wird sie sich sicher vorgemerkt haben.
Weiter geht es mit „Taste Hero“. Weder die Zuschauer noch einer der Löwen weiß so recht worum es genau geht, selbst als „der Neue“ sich dazu bereit erklärt, eine Blindverkostung mitzumachen. Er bekommt eine Brille auf, die sehr an „Wetten, dass…?!“ erinnert und soll dann gezapftes Bier von Flaschenbier unterscheiden. Carsten Maschmeyer fordert vorher noch den typischen Gottschalk-schlag in Richtung Brillenträger auf. Probiert wird ein und dasselbe Bier aus ein und derselben Flasche, auf die lediglich beim zweiten Test der „Taste Hero“ gesteckt wurde. Die Erfindung überzeugt „den Neuen“ und alle Löwen dürfen jetzt stecken und schenken. Fröhlich exen vier von fünf Investoren zwei Gläser Bier und bewundern den besonders guten Geschmack, der dem „Taste Hero“ zu verdanken ist. Alles läuft also wieder wie geschmiert, denkt der Zuschauer und leitet dabei etwas mit den drei äußerst nervösen Gründern mit. Doch das breite Dauergrinsen von Frau Wöhrl wirkt beruhigend. Oder verstörend? Sie steigt trotzdem aus und mit ihr Carsten Maschmeyer und Georg Kofler. „Der Neue“ macht nach einem Hin und Her das erste Angebot auf welches gleich im Anschluss das Gegenangebot von Herrn Dümmel um die Ecke kommt, mit dem er die Gründer auch überzeugen kann. Er gewinnt den Deal und freut sich wie sonst auch. Ebenso die Gründer.
Es gab also bisher in dieser Folge einen Deal und die folgenden Bilder lassen darauf schließen, dass der nächste auch nicht weit ist: Solarstationen, die nahezu unkaputtbar sind und sich bereits auf den deutschen Festivals eingefunden haben. Der Sender setzt alles daran, dass der Zuschauer sich in die Gründer und das Produkt verliebt und voller Hoffnung dem wohl unvermeidlichen Showdown zwischen Löwin Dagmar und dem Löwen Georg entgegenfiebert. Doch er wird enttäuscht. Keiner aus dem Raubtierrudel beißt an und das dem Zuschauer so sympathisch gewordene Gründerpärchen stapft entmutigt aus der Halle heraus. Sofort ändert sich die Farbgebung der Bilder von strahlend hell zu grau und bedrückend. Selbst der knallgelbe Blazer der Gründerin verliert dadurch seine Strahlkraft. Wieder wurde der Zuschauer überrascht, oder lief es schon zu gut, sodass es von vornherein klar war, dass der Deal platzt? Das kommt wohl auf die persönliche Intuition des Zuschauers an. Denn das Schöne an dieser Sendung ist ja bekanntlich die überraschende Wendung.
Doch auch die vielen Zahlen rund um das Geschäftswesen treiben die Sendung an. Bei „Die Höhle der Löwen“ wird neben dem Geld auch über Firmenanteile, Verkaufszahlen sowie Marktgrößen gesprochen und verhandelt. Oftmals fühlt man sich als Laie überfordert, wenn beispielsweise plötzlich alle Löwen über die zu hohe Firmenbewertung schimpfen, jedoch kommt ein Wirtschaftsgewandter hier sicherlich auf seine Kosten. Zusätzlich hat die Sendung einen gewissen Lerncharakter. Unter diesen fallen zum einen neue Begriffe zum anderen eine weniger verblendete Sicht auf das Alltägliche. Die Lust, etwas zu erfinden und dann vielleicht auch mal bei „Die Höhle der Löwen“ zu stehen und einen großen Deal abzukassieren, kommt auf. Der Erfinder in dir wird sozusagen geweckt. Und all das wird umringt von einer Schicht Humor, den die Investoren mitbringen. Dieser führt auch zu den etlichen Showdowns zwischen ihnen, wie er sich auch beim vierten Produkt der zweiten Folge abspielt. Diesmal zwischen Ralf Dümmel, Georg Kofler und Carsten Maschmeyer, welcher den Deal letztendlich auch einsteckt. „iCapio“ heißt das Produkt, wobei es sich um einen neu entwickelten Fischköder handelt, der den ausgeprägten Sinn - den Geruchssinn - der Fische anspricht.
Bei diesem Deal stellte aber nicht nur der Gründer Dr. Christopher Rupp sein Können zur Schau, sondern auch Dagmar Wöhrl. Sie bewies allen Zuschauern, wie gut sie moderieren und lächeln kann. Dieses Redetalent hat die zweifache Mutter wohl mit unter ihrer langjährigen Politikerkarriere zu verdanken. Doch auch die anderen Rudelmitglieder überzeugen. Sowohl die brennende Leidenschaft vom Non-Food-Spezialisten Ralf Dümmel, die sympathische Aura der lebensfrohen Judith Williams, die Ruhe von einem der wohlhabendsten Wirtschaftspersönlichkeiten Deutschlands - Carsten Maschmeyer -, die ehrliche Zunge des erfolgreichen Gründers Frank Thelen, das große Denken des social-media Profis Georg Kofler als auch die noch unerforschte Coolness des „Neuen“ - Nils Glagau – formen den Charme der Sendung. Von den mittlerweile sieben Investorinnen und Investoren begeben sich jeweils immer nur fünf in die Höhle. Die anderen haben Pause bis sie sich während einer fortlaufenden Episode abwechseln. Doch nicht nur die Löwen werden ausgetauscht, auch deren Outfits wechseln von Produkt zu Produkt. Oftmals finden sich Szenen in anderen Folgen wieder, in denen die Investoren wieder dieselben Outfits tragen wie schon in der Woche zuvor. Das ist wohl den Schnitten des digitalen Fernsehens verschuldet. Dabei sollte man sich als Zuschauer auch immer wieder daran erinnern, dass so ein Pitch, welcher sich zwischen Löwen und Gründern abspielt, in Wirklichkeit oftmals mehr als eine Stunde in Anspruch nehmen kann und lediglich ca. 15 Minuten davon gezeigt werden. Das übt selbstverständlich den Einfluss auf das Publikum zuhause aus, den der TV-Sender bezwecken will. Emotionen und Gedanken werden geleitet und wichtige Inhalte und Aussagen nicht gezeigt, sodass ein jeder mit gewissen Produkten gar nicht sympathisiert, obwohl es ihn womöglich überzeugt hätte und umgekehrt.
Ferner setzt VOX auf den ein oder anderen Rückblick, um den Erfolg von den Deals der vorherigen Staffeln darzustellen. Eine gute Idee, denn einige Zuschauer fragen sich sicherlich, wie es nach Abschluss des jeweiligen Deals weiter geht. Denn obwohl man das ein oder andere Produkt nach der Ausstrahlung in den Geschäften wiedersieht, bleibt die Frage nach dem Erfolg sowie den Entwicklungen innerhalb der Firma offen. Doch nicht nur Rückblicke bietet das Format auf dem eher zweitklassigen Fernsehsender, nein auch eine Vorschau auf die nächste Folge gehört zum Repertoire einer Folge. Produkt- und Gründervorschauen finden sich hier neben emotionsgeladenen Investoren wieder. Meist wird diese Vorschau dramatisch dargestellt, damit die Zuschauer, die bis zum Ende dieser Folge durchgehalten haben, auch bei Darauffolgender wieder einschalten. Auch ich werde mir wohl die nächste Ausstrahlung der Höhle der Löwen ansehen, hoffentlich diesmal live.

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