TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 1. Oktober 2019

Good Omens: In sieben Tagen wurde die Welt erschaffen – warum sollte es länger dauern sie zu zerstören?

von Florian Wittl
“It may help to understand human affairs to be clear that most of the great triumphs and tragedies of history are caused, not by people being fundamentally good or fundamentally bad, but by people being fundamentally people.”
So beschreibt Good Omens bereits in der ersten von sechs Episoden sehr treffend seine eigene Kernaussage. Denn obwohl es in der Miniserie, die auf dem gleichnamigen Buch von Neil Gaiman und Terry Pratchett aus dem Jahr 1990 basiert, sehr viel um Dämonen, Engel und Hexen geht, steht mehr das menschliche im Vordergrund. Etwa die Menschlichkeit des jungen Adam, der in einem verschlafenen englischen Dorf lebt, gerne mit seinen Freunden spielt und den Erwachsenen das Leben schwer macht. Ein ganz normaler Junge, möchte man meinen, wäre er nicht in Wirklichkeit der Antichrist, Sohn von Satan, und derjenige, der die Apokalypse hervorrufen soll.
Oder die teils sehr menschlichen Züge des Dämonen Crowley (David Tennant) und des Engels Aziraphale (Michael Sheen), die mit dem Ende der Welt eigentlich nichts zu tun haben wollen. Auch an ihrem eigentlichen Job, Seelen für ihre Vorgesetzten zu gewinnen, sind sie nicht wirklich interessiert. Stattdessen würden sie viel lieber ein bequemes Leben genießen, haben die Menschen doch so wunderbare Sachen erfunden wie Sushi, alte Buchläden oder Vintage Bentleys.
Aus diesem Grund versuchen die zwei Freunde den Antichristen zu finden, der nach seiner Ankunft auf der Erde durch den Fehler einer satanischen Nonne mit dem falschen Baby vertauscht wurde. Doch ist Adam nun 11 Jahre alt und den beiden bleibt eine Woche ihn zu finden, bevor er das Ende der Welt einleitet. Leider wäre es ihren Vorgesetzten in Himmel und Hölle aber eigentlich ganz gelegen, wenn die Apokalypse stattfinden würde, denn dann könnte man die alte Rivalität doch endlich mal auf dem Schlachtfeld beilegen. Dämonen und Engel sind, wie sich schon bald herausstellt, keine sehr angenehmen Zeitgenossen und sind etwas in der Vergangenheit steckengeblieben. Eine Vergangenheit, die einige tausend Jahre zurückliegt.
Im Laufe der etwa 6-stündigen Serie werden aus verschiedenen Gründen auch andere Charaktere, wie die Hexe Anathema Device, der Softwaredesigner Newton Pulsifer, oder der selbsternannte Hexenjäger Shadwell durch eine jahrhundertealte Prophezeiung in die Geschehnisse um den drohenden Weltuntergang verstrickt. Auf Amazon Video sind die 6 Folgen seit Ende Mai 2019 alle gleichzeitig erhältlich und dieses Format ist für die Serie auch sinnvoll, da die Erzählung zugleich sehr linear vorschreitet, sich aber auch teilweise mit den verschiedenen Handlungssträngen dieser Charaktere etwas ineinander verwickelt. Die Option, die Episoden direkt hintereinander anzusehen, ohne eine Woche auf die nächste zu warten, ist hier sowohl für Leute, die leicht mal einige Details vergessen, wie auch Ungeduldige eine Bereicherung.
Für mich persönlich hat diese Serie eine gewisse Bedeutung als Fan von Pratchetts Werken, und da ich das Buch zum ersten Mal vor gut 15 Jahren gelesen habe, auch einen sehr nostalgischen Wert. Nachdem ich von der Umsetzung gehört hatte, bildeten sich bei mir allerdings einige Bedenken, ob das Buch auch gut in eine Miniserie umgesetzt werden könnte.
Pratchett, dessen humorvoller Schreibstil besonders aus der Buchversion heraussticht, spricht etwa gerne die Leserin oder den Leser direkt an, arbeitet mit Fußnoten, die ihre eigenen Witze enthalten, und spielt gerne auf kreative Weise mit Wörtern. Nicht unbedingt ein Stil, der sich leicht in ein kinematographisches Erlebnis übersetzen lässt, und die Lösung, die Gaiman und Direktor Douglas Mackinnon für dieses Problem verwenden, ist auch nicht besonders elegant. Frances McDormand als die Stimme Gottes ist zwar eine wunderbare Erzählerin, und ihre Beschreibung der Geschehnisse und Gedanken der Charaktere (meist direkt aus dem Buch übernommen), ist durchaus nötig, da ansonsten viel von dem Humor des Buchs verloren gehen würde. Manchmal aber fühlt man sich dabei wie ein Kind behandelt, dem von einem übereifrigen Erwachsenen etwas erklärt wird, dass es durchaus selbst sehen kann. Eines der schlimmsten Beispiele ist, wenn McDormand hilfreich angibt, dass der Charakter Tod seine Flügel ausbreitet, während auf dem Bildschirm genau dasselbe passiert.
Allgemein ist auf der Reise vom Buchblatt zum Bildschirm ein Teil der Identität von Good Omens verpufft ist. Gaiman und Pratchett liefern im Verlauf des Buchs einen humorvollen Einblick in verschiedenen Aspekte der englischen Gesellschaft um 1990, mag es darum gehen über die Stadt Milton Keynes herzuziehen, oder amerikanischen Lesern zu erklären, womit man denn im ländlichen England heizt. Solche Einblicke sind in der Serienversion – möglicherweise aus Zeit- und Platzgründen, oder um das internationale Publikum nicht zu vergraulen – fast gänzlich verschwunden oder tauchen nur in kurzen Erwähnungen auf. Good Omens wurde vom England der späten 80er-Jahre einige Jahre in die Zukunft verlegt, ohne dass ein neuer kultureller Kontext hergestellt wird. Einige Änderungen gibt es natürlich (wie sich herausstellt, wurde das Selfie von Crowley erfunden), aber hier wurde der einfache Weg gewählt.
Mehrere Szenen aus dem Buch wurden zudem gestrichen, aber das lässt sich bei der Umsetzung Buch -> Film ja erwarten; ein Buch von gut 350 Seiten auf 6 Episoden zu reduzieren ist nicht einfach. Mir fällt es allerdings schwer, nicht enttäuscht zu sein, dass die Szene ausgelassen wurde, in denen die Hell’s Angel sich zusammen mit den vier Reitern der Apokalypse auf eine Motorradfahrt begeben.
Mit Talenten wie David Tennant oder Miranda Richardson stellt die Serienbesetzung hingegen einer der stärksten Punkte von Good Omens dar, und deren gute Leistung macht auch etwas schwächere Szenen erträglich. Einige Szenen, wie die zutiefst überstürzte und inhaltslose Romanze zwischen Anathema und Pulsifer lassen sich davon aber trotzdem nicht retten, und die Szenen mit den menschlichen Charakteren weckten bei mir allgemein oft ein Gefühl von „der Nächste bitte!“.
Am Ende sind die mit Abstand am interessantesten Charaktere Aziraphale und Crowley, und dies ist den Produzenten eindeutig bewusst. Episode 3 startet mit einem Cold Open, das eine beeindruckende Länge von fast einer halben Stunde aufweist, und die Beziehung der beiden vom Garten Eden bis in die heutige Zeit zeigt. Wir sehen etwa, wie die beiden die Kreuzung von Jesus beobachten oder Aziraphale durch Crowley von einem Tod an der Guillotine der Französischen Revolution gerettet wird (er wollte eigentlich nur Crêpes kaufen). Diese Szenen sind neu für die Miniserie und machen guten Gebrauch von dem Wechsel des Mediums, indem sie Inhalte darstellen, auf die im Buch nur angespielt wurde.
Tennant und Sheen geben der tiefen - wenn auch oft angespannten - Freundschaft zwischen Engel und Dämon dabei viel Humor und Wärme, und wir sehen, wie die beiden sich so sehr in die irdische Gesellschaft eingelebt haben und wie zwei solche Gegensätze überhaupt zueinander gefunden haben. Beide haben sich über die Jahre beeinflusst und wollen mit Himmel und Hölle mittlerweile nicht mehr viel zu tun haben, können aber ihrer Pflicht als Dämon beziehungsweise Engel nicht entkommen. Der dadurch erzeugte Konflikt zwischen persönlichen Gefühlen und den Forderungen ihrer Vorgesetzten stellte für mich das interessanteste Element der Serie dar, und erzeugte trotz eines bestehenden Vorwissens Spannung.
Im Gegensatz zu ihnen kommen die anderen Engel und Dämonen – wie der Erzengel Gabriel mit einer etwas zu freundlichen Fassade - bewusst herzlos herüber und stellen die Antagonisten der Serie dar, mit ihren ständigen und zunehmend verzweifelten Bemühungen dafür zu sorgen, dass das Ende der Welt reibungslos vor sich geht. Die übernatürlichen Bürokraten stehen dabei der menschlichen Individualität und Lebensfreude gegenüber, die sie nicht verstehen wollen oder können - warum sollte ein Engel essen, wenn er es nicht zum Überleben braucht? „Menschen können gut oder böse sein, aber gerade ihr freier Wille macht sie interessant“ ist eine genauso simple wie effektive Botschaft, die im Verlauf der 6 Episoden vermittelt wird.
Am Ende war ich sehr gut unterhalten von der Serie, auch wenn ein Gedanke immer im Hinterkopf blieb: hier hätte noch mehr gemacht werden können (und in Sachen Narration etwas weniger). Doch wird eine spaßige Geschichte erzählt, die für Leute, denen das Buch völlig unbekannt ist, auch noch sehr gut verständlich ist. Vielmehr sind es diejenigen, die das Buch genossen haben und sich auf die Verfilmung gefreut haben, die möglicherweise enttäuscht werden, da bis auf Crowley und Aziraphale ein risikofreier Umgang mit dem Ursprungsmaterial gewählt wurde.

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