TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Ugly Delicious: etwas Biss, aber nicht zu viel Schärfe

von Florian Wittl
Eine Diskussion an einem Restauranttisch mit Experten wie Nina Compton. Das Thema? Gebratenes Hähnchen. Die Show? Dreht sich ganz um das Thema Essen, seine Kultur und die Leute, die es zubereiten. Aber worüber geredet wird ist nicht nur die beste Weise, ein gebratenes Hähnchen zubereiten, sondern auch wie dieses Gericht in den USA unzertrennbar mit systematischem Rassismus verbunden ist.
Der Schriftsteller Lolis Eric Elie ist es, der dabei das Thema Sklaverei nennt, und wie die rassistischen Konnotationen, die mit gebratenen Hähnchen verbunden werden, auf diesen Teil der US-amerikanischen Geschichte zurückgehen. „Ugly Delicious“, eine Netflix-exklusive Serie aus dem Jahr 2008 beschäftigt sich mit solchen ernsthaften Themen während seiner 8 Episoden, aber auch mit viel fröhlicheren Angelegenheit wie einem Einblick in den Arbeitsalltag eines Pizzalieferanten.
Der Restaurantbesitzer David Chang reist alleine oder mit Freunden um die Welt und schaut sich in den knapp 50-minütigen Folgen, die jeweils einem bestimmten Thema wie BBQ folgen, an, wie in verschiedenen Teilen der Welt gekocht wird. Dabei erhält die USA aufgrund dem US-amerikanischen Ursprung der Serie größere Aufmerksamkeit, aber auch Köche aus anderen Ländern wie Mexiko, Japan oder Italien werden vorgestellt.
Diese ‚Reiseberichte‘ werden dabei mit viel Witz dargestellt und eben da David Chang von Leuten umgeben ist, die er kennt, ergänzt sich die Besetzung sehr gut und manchmal wirkt das Ganze mehr wie ein Roadtrip, der von einer großen Produktionsfirma finanziert wurde. Sicherlich ein intendierter Effekt, aber trotzdem unterhaltsam.
Es geht dabei allerdings weniger um das Kochen selber, sondern um alles, was den Kochprozess umgibt: etwa die persönliche Geschichte des Kochs oder der Köchin und ihre Arbeitsethik, die Zutaten und woher sie kommen oder was Essen allgemein für die Menschen bedeutet. Der Enthusiasmus von David Chang und der Produzenten wird dabei in jeder Facette der Serie deutlich mit liebevoll angefertigten Kameraeinstellungen, die dem Zuschauer die besuchten Orte näherbringen und einer begeisterten Narration. Stellenweise fragt man sich, ob man nicht versehentlich in einer Reisedokumentation gelandet ist, aber den Spruch „Das Auge isst mit“ gibt es ja aus gutem Grund.
Nach einigen Episoden wurde dieser Enthusiasmus allerdings ein bisschen erschöpfend, als David Chang mir zum gefühlten hundertsten Mal erzählte, was für eine große Bedeutung dieses spezielle Gericht hat und wie es die Menschen verbindet. Nicht dass ich unbedingt widersprechen würde, aber die Serie versucht mit ihrer Ästhetik und den schwelgenden, manchmal melodramatische Dialogen so schwer den Zuschauer zu beeindrucken, dass sich mein Gehirn nach einiger Weile etwas ausschaltete. Das ist besonders schade, da „Ugly Delicious“ viele interessante Geschichten zu erzählen hat, wie über die zunehmende Beliebtheit von authentischer chinesischer Küche in Las Vegas. Oder wenn Chang erzählt, wie er Rassismus selber erlebt hat in Bezug auf koreanische Küche.
Jedoch hat die Serie bezüglich der ernsteren Themen eine unebene Bilanz. Während das Thema Rassismus und wie es die Welt des Kochens beeinflusst erfreulich offen diskutiert wird, kann man nicht das gleiche über Sexismus sagen. Zum einen wird er überhaupt nicht angesprochen und die Serie selber zeigt Züge davon, da deutlich mehr männliche Köche und Experten zu Wort kommen als weibliche. Die einzige Episode, in der Frauen im ähnlichen Maße wie Männer zu Wort kommen, ist zugleich diejenige, die sich mit häuslicher Küche beschäftigt, da werden unangenehme Stereotype gefüttert. Von einer Produktion, die ansonsten sichtbar progressive Züge zeigt, hätte man hier mehr erwarten können.
Was am Ende übrig bleibt ist eine Serie, die mehr Tiefgang verspricht als sie eigentlich hat, aber das Publikum mit Bildgewalt und viel Herzlichkeit trotzdem an sich bindet. Ich bin gespannt, wie die – bereits angekündigte – zweite Staffel dies fortsetzt und hoffe auf mehr Debatten über komplexe Thematiken. Denn Themen wie kulturelle Aneignung beeinflussen die Weise, auf die sich Gerichte und das Kochen allgemein über die Jahre entwickelt haben, zutiefst, werden aber auch nicht gerne in solchen Shows erwähnt. Nach den acht Episoden von „Ugly Delicious“ die ich geschaut habe, fühlte ich mich aber etwas schlauer und sensibilisiert und da ist ja auch schon etwas.

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