TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 1. Oktober 2019

Copserie mal anders – Brooklyn Nine Nine

von Anja Kurasov
“Kelly and I hit the park, went for a long walk, fell asleep watching TV.” “Ah, sounds like a fun weekend with Kelly.”
“Sooo… Kelly… is that Scully’s wife or his dog?“
Die sogenannten „cold opens“ sind Teil jeder Folge von Brooklyn Nine Nine: ein Gag, der zu Beginn der Folge vor dem Intro gezeigt wird. So ist einer dieser „cold opens“ eine Szene, in der Scully über seine Kelly redet – der Rest des Reviers fragt sich wegen seinen sehr ambivalenten Aussagen jedoch, ob Kelly seine Hündin oder seine Frau ist. Einer nach dem anderen stellt Scully eine weitere Frage über Kelly, worauf die Antworten von Scully immer noch zu wenig Information über die Spezies von Kelly bieten. Nachdem Jake ihn direkt fragt wer Kelly nun eigentlich ist, Hündin oder Ehefrau, ist  Scully beleidigt, frägt „How could you ask me that?“, und verlässt den Raum. Das „cold open“ bringt einen somit schon zu Beginn der Folge zum Lachen und macht Lust, die Serie weiterzuschauen. Dem Zuschauer wird bereits zu Beginn die Art des Humors vorgestellt, damit sich dieser dafür oder dagegen entscheiden kann, die Serie zu schauen.
“Jacob Peralta is my best detective. He likes putting away bad guys and he loves solving puzzles. The only puzzle he hasn't solved is how to grow up”. So stellt Sergeant Terrance Jeffords, „Aufpasser“ des Nine Nine, schon zu Beginn der Serie den Hauptprotagonisten Jake Peralta vor. Dieser ist selbsternannter bester Polizist des fiktiven 99er Reviers in Brooklyn. Jake, dessen Kindheit ihn nie wirklich losgelassen hat, ist zu dem Erstaunen von so ziemlich jedem anderen Detektivs im Revier tatsächlich, neben der besonders ehrgeizigen und überaus organisierten Amy Santiago, einer der Besten des Nine Nine. Neben den beiden Top-Detektiven setzt sich die Hauptbesatzung unter anderem aus der mürrischen Rosa Diaz, der exzentrischen Tänzerin und Sekretärin Gina, dem Kulinarik Enthusiast und Jakes besten Freund Charles Boyle und den beiden „besonders erfahrenen“, älteren Detektiven Scully und Hitchcock, die den größten Teil ihrer Zeit im Revier mit Essen zubereiten und dem Essen selbst beschäftigt sind, zusammen. Bereits in der ersten Episode wird der lockere Captain des Nine Nine, McGintley, durch Captain Raymond Holt ersetzt. Dieser möchte sofort mehr Disziplin in das Revier bringen und legt hauptsächlich auf den kindischen, Blödsinn-liebenden Jake ein wachsames Auge. Die Besatzung des Nine Nine ist einer der Hauptfaktoren, die diese Serie besonders machen. Das Nine Nine ist somit sehr interessant zu beobachten, da alle Charaktere sofort sympathisch wirken und ein besonderes Merkmal mit sich bringen, durch welches sie sofort herausragen und sich stark voneinander unterscheiden. Die Besatzung ist somit keine fade, homogene Masse und bietet eine große Vielfalt, die zu dem Humor beiträgt.
Das Nine Nine setzt sich aus einer überaus diversen Besatzung zusammen: ob jung, alt, latein- oder afroamerikanisch, jüdisch, christlich, männlich, weiblich, hetero-, bi- oder homosexuell, die Protagonisten sind auf jeden Fall eine Abwechslung und bringen frische Luft in das Format. Die Charaktere, von denen viele von ihnen zu einer Minderheit gehören, sind nicht nur Teil der Serie um bestimmte Kriterien der Diversität zu erfüllen. Dies wird sehr schnell klar, da die Repräsentation dieser Minderheiten auf einer sehr menschlichen und verständnisvollen Ebene passiert. Sie sind feste Bestandteile der Hauptbesatzung und auch kein wandelndes Vorurteil, das die ganze Serie lang als Gag behandelt wird. Sie beweisen somit, dass Menschen, die diesen Minderheiten angehören, ebenso divers sind. Diese Diversität der Hauptbesatzung wird auch, zu meiner positiven Überraschung, nie als Hauptmaterial für die vielen Witze der Serie verwendet.
Es ist die Repräsentation der vielen Ethnizitäten, Sexualitäten und Glaubensrichtungen die Brooklyn Nine Nine sehr gekonnt hinkriegt, ohne diese Repräsentation wegen des Comedy-Formats sofort ins Abwertende zu ziehen oder mit offensiven Stereotypen vollzupacken. Dies kriegt, meiner Meinung nach, nicht jede Sitcom in demselben Ausmaß hin. So kann es zwar eine gute Anzahl an Diversität in einer Sitcom geben, doch eher selten werden diese Minderheiten auch gut repräsentiert oder gut behandelt. Es bringt somit nichts, eine von außen „diverse“ Besatzung in seinem Format zu haben, wenn diese Minderheiten aufgrund ihrer Eigenschaften nur als einer von vielen Witzen der Serie fungieren oder nur einen zwei-minütigen Auftritt in der gesamten Serie haben. Hiervon entfernt sich Brooklyn Nine Nine sehr gekonnt und zeigt, dass man wirklich nicht mit beleidigenden Witzen und Stereotypen arbeiten muss, um Diversität in sein Format zu schaffen und sein Publikum zum Lachen zu bringen.
Doch trotz all dem Humor und dem Format, das für eine zwanzig-minütige Entspannung und einen rein sorgenfreien Zeitvertreib gedacht ist, scheut sich die Serie nicht Probleme wie Rassismus, Sexismus und Homophobie anzusprechen. Auch das Polizeisystem der USA wird stark kritisiert – überraschend dafür, dass es eine Copserie ist und die größte Zeit auf dem amerikanischen Sender FOX ausgestrahlt wurde. Von Racial Profiling und korrupten Cops bis hin zur Schilderung der Probleme, der man als Minderheit in seiner Polizeikarriere begegnen wird: Brooklyn Nine Nine versucht mit geschicktem Humor, der das Ganze dann auch nicht gleich hinunter in das Lachhafte und Abwertende zieht, auch wesentlich ernstere Themen als Liebesbeziehungen, komische Polizeifälle und eine von Hitchcock und Scully in die Luft gejagten Mikrowelle in das Format zu inkorporieren. So wird beispielweise die Geschichte von Captain Holt und seinem Karriereaufstieg in einer rassistischen und homophoben Umgebung der 70er Jahre in den USA immer wieder in den Fokus gestellt. Seine Erfahrungen werden in sehr humorvollen Szenen wiedergespiegelt, bringen jedoch gleichzeitig dem Publikum das ernste Thema näher und machen seine Erfahrungen und Probleme verständlich und wecken Empathie. Die Serie trägt somit zu mehr Verständnis bei seinen Zuschauern bei, indem es verschiedenste Probleme unserer Gesellschaft zwar mit einer gewissen Leichtigkeit, jedoch gleichzeitig mit genau dem richtigen Grad der nötigen Ernsthaftigkeit behandelt. Ständige Witze über ernste Probleme verharmlosen diese bei seinen Zuschauern – so ist es der Zuschauer irgendwann gewöhnt, mitzulachen. Brooklyn Nine Nine möchte sich jedoch von dieser „Es ist doch nur ein Witz!“ Mentalität abwenden, da es einsieht wie als Witz verkleideter Rassismus, Homophobie und Sexismus diese Probleme in unserer Gesellschaft nur noch weiter normalisieren und den bereits existierenden Vorurteilen festeren Halt geben.
Für mich ist und bleibt Brooklyn Nine Nine eine Serie, mit der man sehr leicht und entspannt seine freie Zeit verbringen kann: eine sehr charismatische Besatzung, guter Humor und interessante Polizeifälle, die das Ganze oft auch spannend machen können – in Brooklyn Nine Nine findet man, für mich, sehr viele positive Eigenschaften einer guten Sitcom und Comedy-Serie allgemein, die ich mir von vielen weiteren neuen Ablegern des Formats so wünschen würde.

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