TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 30. September 2019

„Ich bin gebürtiger Italiener und geboren bin ich in Deutschland“ oder übers Leben und Lieben auf Love Island

von Sophie Reuel
„Hey, hast du Montag Abend Zeit?“
„Ne du leider nicht, da geht doch Love Island wieder los, ich schau das mit paar Leuten aus der Uni“
Dieser Whatsapp Nachrichtenwechsel ereignete sich tatsächlich so. Letzten Sonntag. Meine beste Freundin die mittlerweile in Erfurt Staatswissenschaften studiert und eigentlich wie ich, die Woche über zuhause in München war, teilte mir also mit dass sie extra nach Erfurt gefahren ist. Für gemeinsames Fernsehsen. Das ist erst mal nichts neues. Seit Jahren erfreut sich das sogenannte Public Viewing immer größerer Beliebtheit. Anfangs noch zu sportlichen Großereignissen wie die Fußball WM oder EM, hat sich das Phänomen mittlerweile auch auf kleinere Sportevents ausgebreitet.
5 Freundinnen und ich haben uns in dem selben Jahr, in dem wir Abi geschrieben haben, einmal wöchentlich, immer donnerstags, auf einer anderen Couch im Familienwohnzimmer versammelt um Germanys next Topmodel zu schauen. Das beliebte Sonntag-abendliche-Tatort-Schauen wird mittlerweile auch schon in Bars veranstaltet. Es ist also nichts besonderes, dass Fernsehen irgendwie auch eine gemeinschaftsstiftende Aktion ist.
Aber dass man jetzt extra zum gemeinsamen „Love Island-Schauen“4 Stunden Zug fährt, hat mich doch zunächst verwundert. Ich habe meiner Freundin natürlich viel Spaß gewünscht und gar nicht mehr großartig über Love Island nachgedacht.
Nachdem ich dann aber auch an einer U-Bahn Haltestelle Werbung der besagten TV-Show gesehen habe, musste ich mir selbst ein Bild machen. Love Island wird seit 2017 bei RTL 2 gesendet. Mittlerweile läuft also jeden Montag ab 20.15 Uhr und Dienstag – Freitag ab 22.15 Uhr die dritte Staffel des Reality Formats. Abgeschaut hat sich das RTL 2 übrigens vom britischen Vorbild. Hier läuft das gleichnamige Love Island schon seit 2005, anfangs noch mit prominenten Teilnehmern. Mittlerweile hat man sich aber genau wie in Deutschland auf Teilnehmer konzentriert, die scheinbar ganz normale Leute sein sollen.
Das Konzept von Love Island ist übrigens denkbar einfach. Nach den ersten zwei von mir gesehenen Folgen, weiß ich zwar immer noch nicht, wo die Island eigentlich liegt. Sylt, Kreta oder Hawaii. Es könnte tatsächlich überall sein. Auch ein Fernsehstudio wäre denkbar, denn außer der Villa, in welcher die Kandidaten 4 Wochen lang leben, und den dazugehörigen Pool hat man als Zuschauer noch nicht viel gesehen. In der ersten Folge sind 5 Männer und 5 Frauen eingezogen. Sie alle wurden dann in einer für mich irgendwie unverständlichen Prozedur einander nach und nach vorgestellt. Nach kurzen ca ein-minütigen Einspielclips wurden die Mädchen Melissa, Ricarda, Samira, Denise und Lisa gefragt ob sie mit dem gerade gezeigten Junggesellen gerne ein „Couple“ bilden wollen, dann sollten sie doch bitte jetzt hervortreten. Sie sollen auch ruhig mutig sein, wenn ihnen ein junger Mann gefällt, sagt die Moderatorin mehrfach. So weit so gut, die Damen scheinen die Aufforderung nicht so wirklich verstanden zu haben. Denn bei den 5 Teilnehmern ist nur zweimal eine der 5 Kandidatinnen hervorgetreten. Die letzte Entscheidungsmacht hat aber sowieso der Mann, denn dieser darf sich unabhängig davon ob sie hervorgetreten ist, für eine Frau entscheiden. Der darauffolgende, vorgestellte Mann darf ihm die Frau aber auch wieder wegnehmen. Die Teilnehmerinnen haben dabei also absolut keine Entscheidungsgewalt, was besonders Melissa sehr frustriert hat. Der gebürtige Italiener Danilo, der nach eigener Aussage in Deutschland geboren ist, hat Melissa und sich selbst zum ersten Couple der Staffel gemacht. Später wurde Melissa vom Astrophysiker Erik abgeworben. Erik ist im Gegensatz zu Danilo dummerweise gar nicht Melissas Typ.
Nach 4 Wochen Love Island gibt es übrigens auch zwei Gewinner, sie bekommen die große Liebe und on top noch 50 000 Euro. Oder eher andersherum?
Die Love Island verlassen müssen übrigens diejenigen Teilnehmer, welche nach einer Woche immer noch Single sind. Dann dürfen die Herren nämlich wieder auswählen. Ebenfalls eine Regel der Sendung ist das Teilen des Betts. Ein „Couple“ muss nämlich immer nachts im selben Bett schlafen. Sechs 1,40m Betten stehen in einem Zimmer der Villa, hier schlafen alle Kandidaten. Auch nachts werden sie gefilmt, so kennen wir das ja schon von anderen Reality Formaten wie Big Brother, Dschungel Camp oder Paradise Hotel. Nach meinem Versuch bei tvnow Love Island zu schauen, hab ich zunächst glatt auf das falsche Format geklickt, so viel kann ich von den ersten 2 Minuten sagen: Paradise Hotel scheint 1:1 das selbe zu sein. Allerdings von Vox.
Wie auch immer, wenn man sich jetzt fragt, wie der Tagesablauf der Love Island Teilnehmer so aussieht, kommt hier die Antwort, wenn nicht, ist hier trotzdem die Antwort.
Kleidung scheint bei Love Island komplett überbewertet zu sein, denn schon bei der ersten „Auswahlnacht“ haben die Frauen nicht viel mehr als Bikinis oder Badeanzüge an. Die Männer tragen zwar lange Hosen aber T-Shirts scheinen ihnen kein Begriff zu sein. Yasin trägt einfach eine Lederjacke auf nacktem Oberkörper und Italien-Danilo ein Sacko – ebenfalls auf nackter Haut. Tagsüber verändert sich auf der Liebesinsel nicht viel. Es wird leicht bekleidet gechillt, vorzugsweise am Pool oder in den oft betonten Daybeds (das sind matratzenähnliche Couchen mit Kissen dekoriert). Wir merken uns also man sagt jetzt nicht mehr Couch oder Sofa, sondern Daybed. Zwischen dem ganzen Chillen sieht man ein paar der Jungs im Gym. Dieses befindet sich in Freiluft, direkt neben dem Pool. Die Mädels reden viel unter sich. Generell hat man das Gefühl man würde richtigen Paaren beim Urlaub machen zusehen, obwohl sich die Teilnehmer ja erst ein paar Tage kenne. Angeheizt wird das Leben auf der Insel nämlich mit immer wieder neuen Kandidaten. In Folge 2 - die ich vor lauter Langeweile, oder war es Interesse? - auch noch geschaut habe, ziehen Asena und Dijana ein. Dijana, ihres Zeichens Miss Switzerland und ebenfalls Instagrammerin, Model und Influencerin und ihre Kollegin Asena sind sogenannte „Granaten“ auf Love Island. Sie kommen später, schlagen ein wie Granaten, weil sie laut der Jungs auch echt super aussehen und haben sogar die Macht die bisherigen Couples zu zerstören. Vor allem Samira und Ricarda bekommen dann gleich richtig Angst, sie flüstern ihrem Couple Partner, immer wieder Sätze wie: „sie hat dich angeschaut“, „die braune steht richtig auf dich“ zu. Die Frauen wollen unter keinen Umständen, dass eine der neuen Frauen ihr Couple auflöst. Deswegen wird gekämpft - mit allen Mitteln, um das schon einen Tag alte Couple-Dasein. Als hinterlistig werden die neuen Mädchen beschimpft, die laut eigener Aussage ja aber auch nur zum Verlieben auf der Insel sind. Die 22-jährige Wimpernstylistin Asena erklärt sogar, dass es sehr wichtig sei, auf eigenen Beinen zu stehen. Als gutes Beispiel, habe sie ein Auto und eine Eigentumswohnung.
Trotzdem wurde ich als Zuschauer der ersten zwei Folgen das Gefühl nicht so Recht los, dass die ganzen schönen Jungs und Mädchen nicht nur der Liebe wegen auf der Insel sind. Die Instagram Followeranzahl steigt schließlich erheblich mit dem Einzug in die Villa. Außerdem winkt am Ende ja auch noch ein stattliches Preisgeld.
Problematisch sehe ich außerdem die sehr einseitige Entscheidungsverteilung, denn nur die Granaten dürfen sich für einen Mann entscheiden. Sonst sind ausnahmslos die Männer am Zug mit dem Entscheiden. Das Frauenbild, was durch die Love Island Regelung propagiert wird möchte ich einfach nicht unterstützen. Außerdem wird der Prozess des Verliebens als ganz leicht und mühelos dargestellt. Man findet sich auf der Insel äußerlich attraktiv, wird zum Couple, schläft in einem Bett und am nächsten Tag findet man sich gegenseitig schon so super, dass man sauer wird wenn er oder sie nur mit einem/r anderen Teilnehmer/in spricht. Das ganze Konzept beruht wie natürlich jedes Dating TV-Format auf Oberflächlichkeit. Eigentlich kann ich mich darüber nicht beschweren, denn beim Bachelor oder der Bachelorette sitze auch ich regelmäßig vorm Fernseher. Darf ich denn trotzdem ein Format wie Love Island kritisieren wenn ich ein sehr ähnliches Format wie den Bachelor oder die Bachelorette zur Belustigung und Unterhaltung anschaue? Wo ist da die Grenze?
Ich bin davon überzeugt, dass ich vor 2 Jahren GNTM genauso wie aktuell die Unileute aus Erfurt Love Island, aus reinem Entertainment schauen. Niemand setzt sich vor solche Formate und sagt: „Toll was für ein Frauenbild oder Körperbild da vermittelt wird. Das unterstütze ich doch gerne mit meiner Einschaltquote“
Wir distanzieren uns von den vermittelten Rollenklischees und sagen immer wieder, dass wir das ja nur lustig finden würden, aber da ja selbst nie mitmachen würden. Und dass eigentlich auch keine Werte seien, die wir vertreten. Aber anschauen tun wir es ja trotzdem und damit signalisieren wir dem Fernsehsender auch eine gewisse Nachfrage nach solchen Formaten. Ob das jetzt richtig ist oder nicht, weiß ich selbst nicht. Aber vielleicht ist es ok Fernsehen zur reinen Unterhaltung zu benutzen und vielleicht ist es auch ein Anfang sich der der Problematik bewusst zu werden. Und ganz vielleicht findet der temperamentvolle Italiener Danilo und die bodenständige Asena ja doch noch die große Liebe auf Love Island.

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