TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 12. September 2019

Treffen sich Nonnen, Kranke, Aliens, Monster, ein Nazi, ein Serienkiller und der Teufel in einer Nervenheilanstalt…

von Elias Schäfer
Was zunächst wie ein viel zu elaborierter und verwirrender Witz erscheint, ist tatsächlich der so kurz wie möglich zusammengefasste Plot von American Horror Story: Asylum. Eingeklemmt zwischen zwei popkulturrelevanteren Staffeln, nämlich der insgesamt guten, aber doch etwas zu klischeebehafteten Murder House Staffel und Coven, dem furchtbaren Traum jeder vierzehnjährigen Möchtegernhexe, die komischerweise trotzdem gute bis sehr gute Bewertungen erhielt, befindet sich die zweite Staffel der US-amerikanischen Anthologieserie American Horror Story. Wie der Name schon vermuten lässt, ist diese zumindest im übergeordneten Sinn im Horror-Genre zu verorten. Seit Asylum sind schon einige Jahre vergangen, denn die von Brad Falchuk und Ryan Murphy kreierte Serie steht mittlerweile kurz vor der Veröffentlichung der neunten Staffel namens 1984. Aufgrund Qualitätsabfalls gab es zwar in jüngerer Zeit einiges an Kritik, seit der achten Staffel Apocalypse ist die Serie jedoch laut Kritikern wieder auf einem guten Pfad.
Die Erstausstrahlung von AHS: Asylum dauerte von Oktober 2012 bis Januar 2013 an und man konnte erstmals darin erkennen, dass es eine Anthologieserie wird, da das Setting und die Charaktere sich komplett von denen in Murder House unterschieden und nichts mehr mit der vorherigen Staffel zu tun hatten. Trotz dessen spielten viele Schauspieler aus der ersten Staffel abermals die Hauptrollen in Asylum, was zuerst gewöhnungsbedürftig war, aber später zu einem coolen rotfädigen Feature wurde, da man mit dem Cast schon eine gewisse mentale Bindung aufgebaut hatte. Zu den Rückkehrern gehören unter anderem die grandiose Jessica Lange als Schwester Jude, Sarah Paulson als Lana „Banana“ Winters, Zachary Quinto als Dr. Thredson, Evan Peters als Kit Walker oder Lily Rabe als Schwester Mary Eunice, die allesamt ihre Charaktere hervorragend spielen und kaum aus der gesamten Serie wegzudenken sind. AHS-Debütanten Joseph Fiennes (Monsignor Timothy Howard), Lizzie Brocheré (Grace Bertrand, Kits spätere Freundin), James Cromwell (der diabolische Ex-Nazi-Arzt Dr. Arthur Arden) und vor allem Naomi Grossman (die liebenswürdige, an Mikrozephalie leidende Pepper) liefern allerdings eine genauso überzeugende Leistung ab.
Worum geht es eigentlich in AHS: Asylum? Die Überschrift hat die Handlung schon ein bisschen angeteast. Allerdings ist das, was in der Staffel passiert, natürlich noch um einiges umfangreicher. Die Story beginnt in der heutigen Zeit mit einem Pärchen, das eine verlassene Nervenheilanstalt namens Briarcliff erkundet und dabei von einem mysteriösen Etwas verfolgt wird. Schnell befinden wir uns jedoch im Jahre 1964 in eben derselben Anstalt, in die der als Serienmörder „Bloody Face“ verdächtigte Kit Walker gesperrt wird. Dieser soll angeblich seine Lebensgefährtin getötet haben, kann sich aber nicht mehr daran erinnern. Bei seinem Aufenthalt dort lernt er Grace kennen und die beiden fangen an, sich sympathisch zu finden. Währenddessen kommt Investigativjournalistin Lana Winters in Briarcliff mit der Prämisse, die dunklen Machenschaften der Psychiatrie aufzudecken, an, wird von der Leiterin Schwester Jude aufgrund ihrer Homosexualität allerdings gleich dort eingewiesen.
Schon von Anfang an wird man mit einer Masse an Information fast schon überschwemmt und sobald man auch nur eine Sekunde wegsieht, verpasst man so einiges. Die Story, die Charaktere und die Location sind jedoch so interessant und fesselnd, dass man weitergucken muss. Gesagt, getan: Es geht weiter mit Dr. Thredson, der Kit durch Therapie Informationen bezüglich seines angeblichen Serienkillerdaseins entlocken will, einem Exorzismus an einem Kind, einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch seitens Lana, Kit und Grace, dem Übergehen des Leibhaftigen in die sonst so schüchterne Schwester Mary Eunice, Schwester Judes Vorgeschichte, und so weiter. Dabei sind wir erst bei der zweiten Folge. Leute, die auf wilde Achterbahnfahrten und verzweigte Storystränge innerhalb ihrer Serien und Filme stehen, kommen hier also voll auf ihre Kosten.
Und dann geht es erst richtig los: Grace, Kit und Lana wollen während eines Filmabends abermals fliehen und treffen dabei auf monströse menschenfressende Gestalten, die von Briarcliffs leitendem Arzt, Dr. Arden, durch grausame Versuche an Patienten erschaffen werden. Ein Mädchen gibt sich vorerst glaubhaft als Anne Frank aus. Dr. Arden ist anscheinend ehemaliger Naziarzt und heißt eigentlich Hans Grüper. Die wahre Identität von „Bloody Face“ wird gelüftet und dieser nimmt Lana gefangen. Auf einmal kommt der Todesengel in Gestalt einer älteren Frau nach Briarcliff. An Weihnachten taucht ein mordender Weihnachtsmann auf. Als wäre das alles nicht genug, mischen sich auch noch Aliens mit ein und wirbeln die komplette Story noch mehr durcheinander. Was für ein wilder Ritt! … aber spannend genug, um einen selbst zum Bingen zu animieren.
Der Hauptgrund für diese Rezension ist, dass AHS: Asylum für mich persönlich die interessanteste und beste aller American Horror Story Staffeln ist. Sie hat, wie jede andere Staffel der Serie auch, die typischen Makel wie partielle Unausgereiftheit des Plots und Logiklöcher, ebenso schneidet sie viele Themen an, die danach nie wieder erwähnt werden. Trotz alledem ist die Herangehensweise der Staffel an viele Storypunkte sehr unkonventionell, erfrischend und oft positiv verstörend. Während viele darauffolgende Staffeln der Serie sich eher Horror-Wohlfühlklischees hingeben oder zu tagespolitisch werden, weswegen die suspension of disbelief aussetzt, konzentriert sich Asylum rein auf den Plot und die Weiterentwicklung der Charaktere, bringt noch mehr Twists als die anderen Staffeln und traut sich, alles Mögliche durcheinanderzumischen. Nach 13 Folgen der Serie kommt man sich vor, als hätte man 30 gesehen, weil so viel passiert und vorangetrieben wird. Das kann natürlich für manche Person negativ erscheinen, denn oftmals kann so eine vollgepackte Story auch ein ziemlicher Griff ins Klo sein. Hier macht es jedoch irgendwie den Charme der Staffel aus.
Insgesamt ist die zweite Staffel von American Horror Story wirklich, wirklich sehenswert. Durch die Bandbreite an Themen sollte für jeden etwas dabei sein. Asylum schockiert, verwundert, lädt im Falle von „Bloody Face“ zum Miträtseln ein, und belustigt teilweise sogar; unvergessen bleibt der „Name Song“ von Schwester Jude, der einen der Höhepunkte der Serie darstellt. Das Beste an allem ist, dass die Story so absurd ist, dass sie schon wieder in sich geschlossen Sinn macht, und trotz der hier dargebotenen Menge an Plotpoints immer wieder mit verschiedenen Szenen verschiedenste Emotionen hervorrufen kann. Die Hintergrundgeschichte von Asylum bietet so viel Inhalt, dass man eigene Spin-Off Serien daraus machen könnte: Was hat Dr. Arden aka Hans Grüper in seiner Vergangenheit alles getan? Wie ist die komplette Vorgeschichte von Schwester Jude? Wen hat „Bloody Face“ noch alles ermordet und wie hat er das angestellt? Und vor allem: Was zur Hölle hat es mit diesen Aliens auf sich? Ich hoffe inständig, dass an diese Staffel noch angeknüpft wird, denn sie hat sehr viel zu bieten. Aber auch ohne Pre-/Sequels bleibt Asylum das verrückteste, abgedrehteste und spaßigste Teilchen in Falchuks und Murphys AHS-Puzzle.

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