TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 26. September 2019

Was ich über ALF sagen wollte

von Paul Völkl
Für die Vorbereitung einer Hausarbeit habe ich mich in den letzten Wochen intensiv mit der 80er-Jahre Sitcom ALF auseinandergesetzt. Der Außerirdische Alf, der in der gleichnamigen Serie mit seinem Raumschiff auf die Erde, genauer gesagt in die Garage der Familie Tanner, abstürzt und dort fortan, versteckt vor der Öffentlichkeit, lebt, war der erste Fernsehheld meiner Kindheit. Auch später sollte mich das haarige Alien mit der großen Nase nicht loslassen, mit 16 Jahren kaufte ich mir alle Staffeln der Serie auf DVD (weshalb ich heute auch nicht auf Amazon Prime oder die gelegentlichen Reruns der Serie angewiesen bin) und schaute sie mit Begeisterung. Doch die akademische Beschäftigung mit ALF sollte mein Bild der Serie stark in Frage stellen.
Zunächst verwunderte es mich, dass es scheinbar keine wissenschaftlichen Arbeiten über diese Serie gab. War sie zu irrelevant für die Wissenschaft? Dann las ich Kritiken im Internet und mich überkam die Angst: War ich etwa der einzige, der diese Serie nicht nur witzig, sondern auch tiefgründig und subversiv findet? Bin ich vielleicht von meinen nostalgischen Gefühlen verblendet? Einer, der versucht, Qualitäten in einer Serie zu finden, die maximal mittelmäßig ist? Ist ALF in Wirklichkeit nur 80er-Jahre-Sitcom-Einheitsbrei?
Und ja, jetzt sehe auch ich ALFs Schwächen – nein, ich habe sie immer schon gesehen, nur erfolgreich verdrängt: Die Gags in der Serie sind flach und repetitiv, der inflationäre Gebrauch der Lachkonserven nervt, Alf richtet ständig schlimme Dinge an, was aber immer durch irgendeine moralische Lektion relativiert wird, die Serie driftet regelmäßig ins Kitschige ab (ja ich schaue dich an, Weihnachtsfolge!), das humoristische Potential wird von dem Versuch unterdrückt, die Serie kinderfreundlich zu gestalten und es ist ganz eindeutig; die Serie hat Max Wright (Darsteller von Willy Tanner) und Tommi Piper (dt. Synchronsprecher von Alf) gebrandmarkt und ruiniert.
Ich habe mich geirrt. Alle Qualitäten von ALF erscheinen mir nun als verzweifelte Rechtfertigungsversuche: Die tiefe Traurigkeit, die ich sah, die die Serie durchdrang und dem Humor eine tragische Note gab, die man als Kind vielleicht nur unbewusst wahrnahm, erschien mir auf einmal weder subtil noch tiefgründig zu sein: Die Traurigkeit tritt als Kitsch auf, der Humor bleibt Humor. Die Folge „Die Fernsehfamilie“, in der Alf die Erlebnisse im Hause der Tanners zum Drehbuch einer Soap-Opera macht und damit einen Konflikt zwischen Kate Tanner und ihrer Mutter löst, erschien mir als gewitztes Spiel mit den Erzählformen des Fernsehens. Doch nun erscheint sie mir maximal als abgeschmackte Metakritik, eine arrogante Erhebung der Sitcom über die Banalität der Soap-Opera. Und im Fernseher selbst wollte ich den wichtigsten Gegenstand der Serie verorten: Alfs einziges Fenster zur Außenwelt. Jetzt: Reiner Zufall, Imagination, ein Versuch der Sendung Geist einzuhauchen.
Was bleibt mir also noch? Im Lichte der möglichen Mittelmäßigkeit, klammere ich mich an ein Relikt meiner persönlichen mythischen Zeit des Fernsehens. Einer Zeit, in der der Fernseher noch magisch war, in der sich ein bürgerlich-liberales deutsches Kind noch gewünscht hat, in einer suburben US-Reihenhaussiedlung zu wohnen, in der es noch nichts Verwerfliches an der Darstellung von Konsumkultur fand. Und ein kleiner Funke Hoffnung, dass ich mich doch nicht geirrt habe.

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