TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 25. September 2019

Wie FUNK die Webserie revolutionierte

von Sophie Reuel
Samstag 20:55 Uhr, Sonntag 10:53 Uhr, Montag 18:12, Mittwoch 8:35 und Freitag 13:16 – was haben alle diese Uhrzeiten gemeinsam? Sie alle sorgen unter einer bestimmten Zielgruppe für Glücksgefühle, Spannung und Traurigkeit, meistens alles gleichzeitig. Ich spreche hier von den Ausstrahlungszeiten von DRUCK, einer Serie, welche für FUNK das Jugend-Format der ARD und ZDF produziert wird. Vor circa einem Monat wurde die letzte Folge der dritten Staffel ausgestrahlt. Wobei das bei DRUCK ganz anders geschieht, als bei allen anderen Serien, mit denen ich in meinem bisherigen Serien-Leben Bekanntschaft gemacht habe.
DRUCK wird zumeist täglich gesendet, allerdings nur in sehr kurzen Clips, die dann zu willkürlichen Zeiten wie zum Beispiel sonntags um 7 vor 10 veröffentlicht werden. Willkürlich trifft es aber wohl nicht ganz, denn man schaut DRUCK anders als andere Serien, ich hatte noch nie beim Serien schauen derart das Gefühl mittendrin statt nur dabei zu sein. Das mag womöglich daran liegen, dass die Clips genau auf die veröffentlichten Uhrzeiten zugeschnitten sind. Heißt also mittwochs um 8.35 befinden sich die Protagonisten in der Schule, sonntags um 10:53 katern sie und freitags um 13:16 bestehen sie ihr Abitur. Aber nicht nur die Protagonisten tun das, ich als Zuschauer tue das mit ihnen.
Jeden Freitag erscheint bei Youtube, dann die komplette Folge der Serie, wobei alle bisher gezeigten 3-8 minütigen Clips der Woche, mit bemerkenswert guter Musikauswahl, aneinander gereiht werden. Als großes Highlight der DRUCK-Woche gibt es dann immer noch einen etwas längeren, neuen Clip, am Ende der Folge. Vielleicht erzeugt DRUCK auch durch die häufigere, fast tägliche Ausstrahlung die unvergleichliche Spannung.
Ich bin auf DRUCK erst mit ordentlicher Verspätung von mehr als einem Jahr gestoßen. Nachdem sich immer mehr Freunde darüber unterhalten hatten und ich die Frage, „Schaust du Druck?“ immer etwas irreführend fand und zunächst kontinuierlich mit „Nein“ beantwortet habe. Irgendwann habe also dann auch ich damit angefangen. Wer bis hierhin gut aufgepasst hat, weiß dass eine DRUCK Folge selten über 30 Minuten kommt. Jede der bisherigen 3 Staffeln umfasst 10 Folgen. Als mich das DRUCK-Fieber infiziert hat, waren nur die ersten 2 Staffeln veröffentlicht, ich brauchte gerademal zwei Tage um sie zu sehen.
Aber erst im Laufe der 3.Staffel wurde ich zu jemandem, den man als Fan der Serie bezeichnen könnte. Ich habe die Instagram-Accounts der Protagonisten entdeckt. Und auch den offiziellen Fanaccount, der die ganze Woche über Whatsapp-Chats der Charaktere veröffentlicht. Außerdem entschied ich mich eher schleichend, damit anzufangen, die 3 Minuten Clips anzuschauen. Anfangs dachte ich nämlich noch, dass ich mich darauf beschränken könnte, immer die komplette Folge am Freitag zu sehen. Das hat ungefähr zwei Wochen geklappt. Seitdem checke ich meistens abends den DRUCK Youtube Kanal und gebe mich dann mit den sehr kurzen Clips zufrieden. Das ist auf der einen Seite irgendwie stressig, denn man schafft es bei DRUCK selten in den Moment, „ich-sitze-entspannt-vor-dem-Laptop-und-schaue-eine-Serie“. Eher hat man das Gefühl von Schnelllebigkeit aber eben auch die Unmittelbarkeit am Leben der DRUCK-Charaktere teilzuhaben.
Aufmerksame Leser dieser Kritik fragen sich jetzt eventuell, wer diese DRUCK-Protagonisten eigentlich sind. Und wieder einmal haben die Serienschaffenden etwas richtig gemacht. Kaum bekannte Jung-Schauspieler spielen in DRUCK Berliner Abiturienten, solche Schulabgänger wie wir sie alle mal gewesen sein könnten. Millennials also – die sich mit Problemen wie Fremdgehen, Schulstress, Abitur, Homosexualität, Eltern, Drogen und Freundschaft auseinander setzten müssen. Was sich auf den ersten Blick nach einer ganz gewöhnlichen Jugendserie anhört, ist auf den zweiten Blick allerdings wesentlich mehr. In jeder der bisher 3 gezeigten Staffeln, steht eine Serienfigur und ihr engstes Umfeld im Vordergrund. Dadurch puzzelt man sich nach und nach die Hintergründe und Eigenschaften zusammen, meist um sie dann in der nächsten Staffel wieder umzuwerfen. Keine der Staffeln gleicht einer anderen. Man hat sogar am Anfang einer Staffel das Gefühl vom Fremdsein. Immerhin kennt man die Menschen der vorherigen Staffel schon so gut, wird jetzt aber in komplett neues Terrain geworfen. Ein seltsames Vermissen macht sich dann irgendwie breit, nach den ersten wenigen Clips schafft es DRUCK aber wieder etwas zu erzeugen – dieses Gefangensein in der Serienwelt.
DRUCK ist also vielleicht eine revolutionäre Serie, durch all die schon genannten Eigenschaften, die ich bisher so, noch von keiner Serie kannte. Es sind aber aber nicht die Deutschen, denen so etwas eingefallen ist. SKAM heißt das norwegische Original, das von 2015-2017 gesendet wurde. In den folgenden Jahren wurden die Rechte an SKAM nach Italien, Frankreich, Spanien und in die Niederlande verkauft. Alle Ableger sind sich wohl sehr ähnlich, teilweise gleichen sich sogar die Namen der Charaktere. Richtige Ultras sagen aber dennoch, dass nichts gegen das echte SKAM geht. Hat man also gar nicht genug von der Serie, schaut man sie sich noch auf allen anderen 4 Sprachen an. Dass das ja schon fast an Selbstgeißelung grenzt, weiß jeder der schon mal Norwegisch gehört hat oder eine Serie geschaut hat, bei der man kein einziges Wort versteht und eigentlich nur mit dem Lesen von Untertiteln beschäftigt ist. Aber was tut man nicht alles für den Spaß am Serienschauen?
Mir jedenfalls reicht die deutsche Version (bisher), ich habe ja schließlich auch gedacht mir würde es reichen DRUCK nur jeden Freitag zu schauen. In einem Monat darf sich der Zuschauer übrigens auf die vierte Staffel freuen. Gleichzeitig schwingt da auch eine Melancholie mit. Das norwegische Vorbild wurde nach 4 Staffeln beendet. Bleibt uns nur zu hoffen, dass der Produktionsappart hinter der Serie, vom DRUCK-Hype genauso begeistert ist, wie der durchschnittliche Zuschauer. Und deswegen wie in Frankreich einfach weiter gemacht wird, mit der Serie, mit den Instagram-Accounts und mit dem Aufrechterhalten der ganzen Serien-Welt, denn soll man wirklich schon aufhören, wenn’s am schönsten ist?

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