TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Propaganda - Wie man Lügen verkauft

von Maximilian Hohlheimer
Im historischen Kontext ist der Begriff Propaganda den meisten Menschen vor allem im Bezug auf den Nationalsozialismus, die Sowjetunion oder den kalten Krieg ein Begriff. Laut Duden beeinhaltet Propaganda die systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher oder ähnliche Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen (Vgl. Online unter: www.duden.de/rechtschreibung/Propaganda.). Aber auch im aktuellen Kontext spielt Propaganda für diverse Dynamiken eine tragende Rolle. Der sogenannte Islamische Staat veröffentlicht online Propaganda Videos seiner Gräueltaten. Die Präsidentschaftswahl 2016 und die gesamte Legislaturperiode in den USA prägten Begriffe wie fake news oder alternative facts. Die Brexitabstimmungen waren bewusst durch Falschinformationen beeinflusst, überwiegend durch die Rechtspopulisten der UKIP. George Orwells dystopischer Roman 1984 über eine totalitäre Gesellschaft wurde in den letzten Jahren erneut als Bestseller verkauft. Verschwörungstheorien und krude Gesellschaftsvorstellungen wie die der Reichsbürger haben seit einiger Zeit an Popularität und Vernetzungspotential zugelegt. Neofaschistische Gruppierungen nutzen häufig Memes in den sozialen Medien, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. Neurechte Blogger teilen tausendfach geklickte Artikel oder Videos, die nachweisbar auf Falschaussagen basieren. Rechstextreme Terrornetzwerke wie Combat 18 veröffentlichen martialische Videos mit Hassbotschaften und Schusstraining. Zur Unterhaltung dienende Serien und Filme weisen nicht selten patriarchalische und sexistische Botschaften auf. Kapitalistische Werbung vermittelt das Bild einer glorifizierten Konsumgesellschaft und ein künstliches Bild vom "guten Leben". Dies sind nur einige aktuelle genannte Beispiele in der unterschiedlichen propagandistischen Beeinflussung unserer Zeit,  welche auch teilweise in einer diesjährig erschienenen Dokumentation konkretisiert werden. Der Regiesseur nannte beispielsweise in einem Interview als Inspirationsquelle für sein Werk Donald Trump und dessen Auftreten auf der Plattform Twitter.
Der 89 minütige Dokumentarfilm Propaganda - Wie man Lügen verkauft von Larry Weinstein erschien 2019 und ist unter anderem in der Arte Mediathek und auf Youtube verfügbar. Die Dokumentation beleuchtet unterschiedliche historische Zeitpunkte im Kontext der Propaganda, ausgehend von der Höhlenmalerei der Neanderthaler bis hin zur US-Präsidentschaftswahl 2016. Hierzu wurden je nach Bereich diverse sachkundige Personen interviewt, was für eine umfassende und abwechslungsreiche Erzählungsdarstellung in der Dokumentation sorgt. Diese Bandbreite beinhaltet unter anderem in der Archäologie tätige Personen, HistorikerInnen, MedienwissenschaftlerInnen, Kirchenvertreter, Philosophierende, im Journalismus Arbeitende, KünstlerInnen und politisch aktive Personen. Bei den filmerischen und audiovisuellen Aspekten der Dokumentation gibt es nicht viel zu bemängeln. Die zeitweise sehr theatralische musikalische Untermalung steht eher gegensätzlich zu den ruhigen und wohlklingenden Erzähl- und Synchronstimmen und wirkt nüchtern betrachtet teilweise übertrieben. Dies zieht sich glücklicherweise nicht durch die komplette Dokumentation, sondern nur durch vereinzelte Szenen. Teilweise erhält der Zuschauer Einblicke hinter die Kulissen oder bekommt Regieanweisungen mit und fühlt sich dadurch ins Set integriert. Besonders hervorheben möchte ich die je nach Thematik verwendeten Originalaufnahmen, Materialien und Kulissen, welche die Dokumentation in ihrer Qualität und Vielfalt prägen. Hierbei ist das Angebot an multiplen Beispielen zu nennen, die in der Dokumentation thematisiert werden. Um dies anschaulicher zu gestalten, werde ich nun inhaltliche Aspekte konkretisieren.
Ein erheblicher Teil der Dokumentation bezieht sich überwiegend auf den Aspekt und die Rolle der Kunst für die Propagandisten. So thematisiert Larry Weinstein unter anderem die Höhlenmalerei urzeitlicher Schamanen, die dadurch ihre hierarchische Stellung legitimieren konnten. Zur Gruppe der erfolgreichsten Propagandisten der Geschichte zählt wohl die christliche Kirche. Beispielhaft hierfür ist die religiöse Kunst der Reformation mit Luthers gedruckten Texten und diversen Holzschnitten, welche eine grundlegende Basis für die Reformation und den nahenden Propagandakrieg darstellten. Reaktion daraufhin war eine katholischen Gegenreformation, um den Durchschnittsmenschen zu erreichen. Dies erfolgte mit dem Einsatz von Architektur, Musik, Malerei und Skulpturen und förderte somit die Entstehung des Barock. Die tragende Rolle der Kunst innerhalb von Propaganda lässt sich auch prima an Street Art erkennen. So wird beispielsweise Sabo vorgestellt, ein bekennender Republikaner und Trump-Supporter, der auf seine provokante Art Politiker wie Bernie Sanders und das demokratische Establishment angreift. Das hier nicht der Anschein erweckt wird, dass es sich um eine einseitige Darstellung handeln könnte, wird konträr dazu der Urheber des bekannten Obama-Wahlplakates mit dem "Hope" Schriftzug portraitiert, Shepard Fairey, der ganz offen über die propagandistische Wirkung seines Werkes spricht. Bei der Thematik propagandistische Wirkung von Plakaten darf auch Jim Fitzpatrick nicht fehlen. Der Ire erzählt auf seine sympathische Art und Weise, wie er zufällig Che Guevara in einem Pub begegnete und nach dessen Ermordung das ikonenhaaften Plakat des marxistischen Revolutionärs entwarf, um der Symbolfigur Che eine Form der Unsterblichkeit zu verleihen. Neben Einzelpersonen rücken zudem verschiedene Regime in den Fokus. Die Nationalsozialisten setzten beispielsweise alle Arten der Kunst ein, wie Malerei, Musik, Architektur, bildende Kunst oder Film. Auch der kalte Krieg findet seine Einordnung mit der Bedrohung durch eine globale Vernichtung und dem Wettlauf zum Mond. Ein etwas aktuellers Beispiel ist wohl die geführte Online Propaganda des sogenannten IS. Die Reaktion der USA unter anderem war ein gezielter Angriff auf die digitale Infrastruktur, also Sperrungen und Online Attacken auf Plattformen wie Twitter. Aktuell ist ähnlich wie in den destabilen Kriegsgebieten auch Online die Präsenz des IS zurückgegangen. Hier zeigen mittlerweile rechtsextreme Gruppierungen wie die Alt Right Bewegung eine deutlich zunehmende Präsenz, die es genauso jetzt und in Zukunft zu bekämpfen gilt. Anhand dieser vielschichtigen Beispiele macht das Werk von Larry Weinstein vor allem auf eines aufmerksam:
Die Geschichte der Propaganda ist wohl so alt wie die Menschheit selbst und wird unsere Spezies auch noch in Zukunft begleiten. Das beste Mittel gegen Propaganda ist hierbei die Propaganda selbst. Kritisch und reflektiert betrachtet handelt es sich bei dem Dokumentarfilm um Propaganda gegen Propaganda. Wie verhält es sich dann erst mit dieser Kritik, in deren Kern eine Bewertung von Propaganda gegen Propaganda steckt. Liebe Grüße an dieser Stelle an Christopher Nolan und Inception.

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