TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 2. Oktober 2019

Herzblatt mit mehr (Ge)Würze (Liebe geht durch den Magen)

von Alisa Maintok
Single, zwischen 25 und 30 Jahre, Lust ins Fernsehen zu kommen, Spaß am Kochen und auf jeden Fall bayrisch, auch der Dialekt. Dies waren die Anforderungen, die an mich und das Team gestellt wurden, als ich letztes Jahr bei einer Fernsehproduktionsfirma arbeitete. Da diese ihren Sitz in München hat und in dieser Stadt überhaupt keine Person bayrisch spricht, besuchten wir andere Städte und Dörfer. Ob Trachtenbälle, Schlagerpartys oder Messen, bei denen das Thema Essen behandelt wurde, wir hielten Ausschau nach Singles. Aber wozu das Ganze? Gecastet haben wir für „Liebe geht durch den Magen“, eine Dating Show, die wöchentlich montags von 20:15 bis 21:00 Uhr auf dem Bayrischen Rundfunk zu sehen ist. Wenn man eine Folge verpasst, so ist diese auch in der Mediathek des BRs zu finden.
In dem Format versuchen drei Kandidaten/innen sich in das Herz eines Singles zu kochen. Während sie das Essen zubereiten, stellt ihnen Claudia Pupeter die verschiedensten persönlichen Fragen. Der Single hört dabei, in einem anderen Raum sitzend, mit. Bisher erinnert die Sendung sehr an Herzblatt, eine sehr erfolgreiche Serie, die von 1987 bis 2005 im deutschen Fernsehen zu sehen war. Das besondere an „Liebe geht durch den Magen“ ist aber, dass der Single nach der Fragerunde die Gerichte probiert. Zu diesem Zeitpunkt hat dieser noch immer keinen der Kandidaten gesehen. Anschließend entscheidet er sich aufgrund der zuvor gegebenen Antworten und des Geschmacks. Nach einem kurzen Gespräch zwischen dem Single und der/dem Auserwählten wird die entscheidende Frage gestellt: Wollen die Kandidaten noch ein Date, oder nicht? So wurde meinen Kollegen und mir der Inhalt der Sendung beschrieben. Da ich es noch nicht geschafft habe, sie anzusehen, bin ich nun sehr gespannt.
Auf der Suche nach der Liebe ist heute Werner. In einem Vorstellungsvideo erfahren wir, dass er 45 Jahre alt ist und in Landshut wohnt. Er arbeitet bei der Stadt, ist für die Digitalisierung verantwortlich und handwerklich begabt. Außerdem wohnt er in einem großen Einfamilienhaus. Klingt nach einem guten Fang! Ich erinnere mich, dass ich mit ihm ein paar Mal telefoniert habe und da ich ihn als sehr sympathisch empfand, freue ich mich auf die Sendung. Werners Sohn erzählt, dass er sich eine Frau, die schlank, braunhaarig und gutaussehend ist, für seinen Vater wünscht. Da eine der Kandidatinnen, Christina, die Moderatorin mit „Guad schaust aus, im Vergleich zu uns“, begrüßt, kommt wohl keine in Frage. Zum Glück wünscht sich Werner selbst eine liebe, gefühlvolle und familienbegeisterte Frau und verrät gleichzeitig, dass er sehr gerne schmust. Außerdem legt er nicht so viel Wert auf die Optik.
Nun werden die Damen vorgestellt: Evelyn ist ein totaler Familienmensch, hat aber, aufgrund des bevorstehenden Auszugs ihrer Kinder, viel Zeit. Das klingt doch schon mal gut!
Carmen schaut sehr ernst und wirkt auf mich sehr streng und unsympathisch. Vielleicht deute ich ihre Miene aber auch falsch und sie ist einfach nur entspannt, sie kocht nämlich heute mit Hanf, was sie auch sehr gerne betont. Jetzt ist Christina dran und ich kann es nicht fassen: Sie spricht nicht bayrisch, sondern Hochdeutsch mit einem rumänischen Akzent! Dabei haben wir uns doch wochenlang bemüht bayrisch sprechende Singles zu finden.
Werner findet sich nun an seinem Tisch ein und hat für jede Dame eine Rose mitgebracht. Das ist wirklich eine nette Geste und mein Eindruck vom Telefon bestätigt sich. Als die Fragerunde startet, verfestigt sich meine Hoffnung, dass Werner Evelyn wählt. Sie gibt an, dass sie glücklich ist, wenn alle um sie herum gesund und munter sind. Herrlich! Außerdem ist bei ihr eine Schraube locker, aber nur am Schrank. Das erfahren wir, als Werner sie fragt, welches Zimmer in ihrer Wohnung von ihm verschönert werden könnte. Der Single ist sehr amüsiert von ihrer Antwort. Carmen hingegen kann weiterhin keine Sympathiepunkte bei mir sammeln. Als die Moderatorin erstaunt ist, dass sie schon mit ihrem Gericht fertig ist, meint sie: „Tja, Zeit ist Geld. Das bin ich als Selbstständige gewohnt.“ Ob das zur gemütlichen bayrischen Lebensweise passt? Werner ist übrigens sehr verwundet, dass sie sich in ihrem gemeinsamen Garten eine Hanfplantage wünschen würde. Das ständige thematisieren von Hanf klingt etwas aufgesetzt, und der Eindruck entsteht, dass Carmen „cool“ wirken will. Christinas Ansprüche sind gering, sie wünscht sich „nur“ einen Wellness- und Fitnessbereich in ihrem nächsten Haus. Ansonsten sind ihre Antworten nicht sehr aussagekräftig, sie macht aber einen freundlichen Eindruck.
Nun geht es endlich an das Essen! Carmen befürchtet, dass es Werner nicht schmecken könnte, weil er vielleicht zu konservativ für Hanf ist. Sie möchte wohl wirklich überhaupt keine Gelegenheit auslassen, diese Zutat zu erwähnen. Ihre Befürchtung wird aber wahr, Werner schmeckt ihr Gericht tatsächlich nicht so gut. Das lieg aber nur daran, dass er keinen Ziegenkäse mag. Christinas Speise scheint sehr fad zu sein, das „guade Bockbier“, das dazu serviert wird, macht es aber wieder gut. Nun ist meine Favoritin Evelyn dran und…es schmeckt ihm! Werner will sogar gar nicht mehr aufhören zu essen.
Die Sendung neigt sich dem Ende zu und es folgt die Entscheidung. Mit wem wird Werner ein Date haben? Evelyn! Das freut mich natürlich sehr. Nach 30 Minuten Zeit zu zweit kommt die alles entscheidende Frage: Wird es ein nächstes Treffen geben? Die Antwort ist wieder ja!
Manchmal ruft das Castingteam Kandidaten aus der ersten Staffel an, um sie für die zweite zu buchen. Ich hoffe sehr, dass Werner aufgrund seines Beziehungsstatus bis dahin nicht mehr zur Verfügung steht.
Obwohl ich mit Evelyn mitgefiebert habe, ist die Sendung nicht die Spannendste. Allerdings helfen, grad im stressigen Alltag, Formate wie dieses, sich in eine heile Welt zurückzuziehen. Man weiß im Vornherein, dass es nicht aufregend, gruselig, dramatisch oder traurig wird. Es ist einfach eine nette Sendung für die ganze Familie. „Liebe geht durch den Magen“ sollt man auf jeden Fall nur ansehen, wenn man bereits satt ist, denn alle Gerichte bereiteten Appetit.
Übrigens gibt es, für alle die sich so viel trauen wie Carmen, alle Rezepte online auf der Website des BRs - auch das mit Hanf.

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