TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 7. September 2017

This Will Be A Good Trip – Wie Major Lazer das Serienformat herausfordert

von Sebastian Schillallis 

Game of Thrones, The Walking Dead, Breaking Bad – Serien, die aus der heutigen Popkultur nicht mehr weg zu denken sind. Sie wirken omnipräsent, denn überall wird man mit ihnen konfrontiert, ob man will oder nicht. Dies geschieht allerdings nie zu Unrecht, denn egal ob man Fan ist oder nicht, die Produktionen sind herausragend. Mit einem Budget von 3 Millionen (The Walking Dead) bis 10 Millionen US-Dollar (Game of Thrones) pro Folge lässt sich ja auch einiges machen. Die Faktoren, die eine Serie nicht nur gut, sondern wirklich herausragend machen, sind vielzählig. 


Seien es eine beeindruckende Charakterentwicklung wie der moralische Zerfall des Walter White in Breaking Bad, das Etablieren einer gigantischen Fantasy-Welt wie in Game of Thrones oder die aufwendigen Zombie-Masken von The Walking Dead. In jedem Fall steckt nicht nur viel Geld, sondern auch eine Menge Expertise dahinter, von hochtalentierten Schauspielern und Schreibern. Diese sind auch notwendig, denn trotz jeglichen künstlerischen Ambitionen spielt eine Sache eine große Rolle – der finanzielle Erfolg, das verbrauchte Budget will schließlich wieder eingespielt, bestenfalls noch ein Plus erreicht werden.

Doch was passiert wenn man alles, was eine Serie augenscheinlich so gut macht, einfach mal weg lässt. Keine erfahrenen Schauspieler, keinen großen Wert auf Charakterentwicklung oder Storytelling, keine Ambition auf finanziellen Gewinn. Was, wenn ein elektronisches Musikprojekt von einem Tag auf den anderen beschließt, eine Serie zu machen? Dann ist das der Moment, in dem ein Meisterwerk wie die animierte Serie Major Lazer entsteht.

Die Serie wurde erschaffen von der gleichnamigen jamaikanisch-amerikanischen Gruppierung und war fünf Jahre lang in der Produktion, bevor sie 2015 zum ersten Mal auf dem Sender FXX ausgestrahlt wurde. 

Es geht um den titelgebenden Helden Major Lazer, ein jamaikanischer Rambo-Verschnitt, der im futuristischen und dystopischen Jamaika gegen die bösen Kräfte des repressiven Präsidenten Whitewall kämpft. Ausgestattet mit einem Laserkanonenarm und meistens begleitet von BLKMRKT (gesprochen: Blackmarket), einem kleinen, asiatischen Hacker und Penny, die Tochter des Präsidenten gehen die drei auf Abenteuer und begegnen dabei Disco-Vampiren, die Rave-Rats auf der legendären Partyinsel „Ibiza“ und K-Pop, einem Androiden, der dazu programmiert ist, alle Jugendlichen einer Gehirnwäsche zu unterziehen. 

Es ist aber nicht nur das außergewöhnliche Setting, dass die Serie aus der Masse herausstechen lässt, vor allem ist es der Fokus auf die Musik, denn in jeder Episode stehen ein bis zwei Songs von Major Lazer im Mittelpunkt, mal thematisch passend – mal wird die Episode eben passend gemacht, denn oft hat man das Gefühl, dass hier die Serie eine Ausrede ist, um Musikvideos in die Länge zu ziehen. 

Um ein besseres Gefühl für die Ästhetik von Major Lazer zu bekommen, reicht es, die erste Folge mal genauer zu beleuchten. Penny besucht Major Lazer, der sich gerade auf einen einwöchigen Weed-Trip vorbereitet („Old Rasta, I'm going on an high-atus“). Die Stimmung kippt, als unser Held ihr offenbart, dass er auf diese Reise alleine gehen wird. Enttäuscht, aber mit dem festen Ziel vor Augen, heute noch high zu werden, macht sich Penny in den Slums von Jamaika auf die Suche nach einem Dealer und gerät dabei an den höchst zwielichtigen „Weed-Man“. Und dieser stellt sich gleich mit dem ersten Song der Episode vor: „It's me, man / I am your weed man's weed man / If you're looking for trees, man / I got everything you need, man“ 

Der Flow der Serie geht automatisch in den eines Musikvideos über. Die Bilder und der Schnitt passen sich dem Beat an, die Kamera rotiert um den Weed-Man während er über verschiedenste Grassorten rappt. Genauso nahtlos wie wir von der Fernsehserie ins Musikvideo gerutscht sind, rutschen wir wieder zurück. Penny, sichtlich zufrieden über ihren Einkauf fährt nach Hause, baut sich einen Joint und genießt die berauschende Wirkung – die Entspannung hält aber nicht lange an, denn der nächste Song lauert schon um die Ecke. Das „Weed-Monster“, eine böse Inkarnation des „Weed-Man“ besucht Penny in ihrem Rausch und befördert sie in einen Bad Trip – oder um es wieder mit den rappenden Worten des „Weed-Monsters“ zu sagen: „Feels like it's laced / With some kind of acid / It's a bad trip / You wish you never had this / Shoulda took the advice the old rasta gave ya / 'Cause even now Major Lazer can't save ya!“ 

Penny fällt vor einen schwarzen Hintergrund eine Spirale aus bunten, schillernden Farben hinab während Totenschädel derselben Farbgebung die Hook des Liedes singen. Auch hier fügt sich das Musikvideo, das Pennys Trip darstellt, perfekt zwischen die dramaturgischen Parts der Episode. Nachdem das Mädchen einen verzweifelten Hilfeschrei ausstößt, der bis in Major Lazers Trip zu hören ist, befördert sich sein „Weed-Geist“ mit einem tiefen Zug seines Joints in ihren bösen Rausch, um mit gekonnten Schüssen aus seinem Laserkanonenarm das Weed-Monster zu besiegen. Wenn man möchte, könnte man die Pilot-Folge dieser Serie auch als ein Aufklärungsvideo für verantwortungsvollen Graskonsum hernehmen, eine Interpretation, gegen die die Erschaffer von Major Lazer sicher nichts hätten. 

Nach zehn Minuten ist der ganze Spaß dann auch schon vorbei. Länger geht der Trip nicht und das ist auch gut so – denn die Serie lebt von ihrem ganz eigenen Flow, der eher an Musikvideos und wenig an eine epische, eine Stunde lang gehende Folge Game of Thrones erinnert. Die Charaktere sind simpel, die Geschichten schnell erzählt, aber durch die Integrierung ihrer eigener Songs und einer Ästhetik, die man durchaus als „berauscht“ oder „trippy“ beschreiben kann, bleibt jede einzelne Folge im Kopf hängen. Schließlich sind Major Lazer primär Musiker, keine Serienproduzenten. 

Die Schöpfer der Serie sind sich durchaus bewusst, dass ihr Werk nie zur Prime Time auf einem großen Fernsehsender zu sehen sein wird, vielmehr ist die Art von Serie, die irgendwann spät in der Nacht auf MTV von Leuten geguckt wird, die vielleicht selber das ein oder andere Genussmittel zu sich genommen haben. Und genau diese Loslösung von finanzieller Abhängigkeit gibt den Jungs von Major Lazer die Freiheit, etwas komplett anderes, befremdliches und neuartiges zu schaffen, ganz nach dem Motto: „Wir schauen einfach mal, was dabei rauskommt“. Und rausgekommen ist ein eine Staffel langes Experiment, und zwar ein gelungenes. Denn die Serie weiß, was sie nicht sein will. Sie will kein millionenschweres Epos mit staffelübergreifendem Storytelling und einer Überzahl an verschiedenen Charakteren sein. Sie will für elf mal zehn Minuten ein von Musik geladener Trip sein. Eine Sache aber noch vorweg – auch wenn die Serie Major Lazer heißt und selbiger definitiv auch der Superheld in dieser Welt ist, entwickeln sich die meisten Episoden eher um Penny herum. 

Wer also zwischen den emotional hoch aufgeladenen Achterbahnfahrten seiner Lieblingsserie einfach mal die Seele baumeln lassen will, ist hier genau richtig.

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