TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 12. September 2017

Es war einmal...Ein großer Bruder und seine Z-Promis (Promi Big Brother)

von Johanna Lackermeier  

Am 9. April 2017 war es wieder so weit: Die 5. Staffel der Reality-Show Promi Big Brother - von den einen mehr, von den anderen weniger sehnsüchtig erwartet - wurde von Sat. 1 ausgestrahlt. Das Grundkonzept der ca. zweiwöchigen täglich gesendeten Show ist dabei einfach zu erklären: Man nehme die Sendung Big Brother (im deutschen Format erstmals 2000 ausgestrahlt) und ersetze die Protagonisten durch C- bis Z-Prominente wie Mallorcaschlagersängern, Bachelorkandidatinnen, Mister Germanys, schwule Selfmade-Millionäre, Nacktkünstlerinnen, verblasste Schauspielgrößen aus den 80er Jahren, Ex-Luxusludern, ehemaligen Germanysnexttopmodelkandidatinnen und so weiter. Diese sperre man für eine gewisse Dauer in ein mit Kameras überwachtes und als Wohnumgebung gestaltetes Studio. Eine tiefe Männerstimme aus dem Off hinzugefügt, die den Tagesablauf der Bewohner bestimmt, und abgeschmeckt mit spannenden Kämpfen der Kandidaten in einer Duell-Arena für die gewünschte Würze – fertig ist eine bunte Suppe bestehend aus Zickereien, neuen Freundschaften, Nacktbildern, enthüllenden Geständnissen und Konkurrenzkampf um den Sieg der Show. 


Denn um der ganzen Sendung noch einen tiefgehenden Sinn zu verleihen, lautet das Ziel der Bewohner bis zum Finaltag für den Gewinn von 100.00 Euro in der Show zu verweilen. Wahrscheinlich um die gebotene Vielfalt der Reality-Show mit der Interaktivität der Zuschauer auf das Geschehen im Haus auf die Spitze zu treiben, wird der Triumph des „Promis“ von den Anruferzahlen seiner Fans für den Verbleib im Haus abhängig gemacht. An dieser Stelle sollte der Innovativität der Produktion besonderer Bedeutung zukommen: Um nicht nur die Fans eines berühmten Bewohners zum Anruf zu bewegen, wurde das Wohnhaus in zwei Teilbereiche getrennt. Im „Alles“ schwelgen die Prominenten im Luxus mit gefülltem Kühlschrank, Alkohol und Whirlpool, während sie hingegen im „Nichts“ weder Möbel noch Betten zur Verfügung haben. Gönnen Zuschauer einem „Alles-Bewohner“ den gegebenen Komfort nicht, weil er sich mal wieder durch gemeine Lästerattacken unbeliebt gemacht hat oder gegen die von Big Brother vorgegebenen Regeln verstoßen hat, können sie ihn in einem Spiel in der Duellarena gegen einen „Nichts-Bewohner“ antreten lassen. Der Gewinner darf ins Alles umziehen bzw. weiter dort verweilen, der Verlierer muss ins unbeliebte Nichts. Daraus ergibt sich auch der Titel der diesjährigen Show Promi Big Brother – Alles oder Nichts, durch welche wir dieses Jahr von einem Moderatorenduo bestehend aus Jochen Schropp und Jochen Bendel geführt wurden. 

Eingefleischten Fans des Großen Bruders mag es schon hier auffallen: 2013, 2015 und 2016 als Promi Big Brother, 2014 als Promi Big Brother – Das Experiment und 2017 als Alles oder Nichts betitelt, scheint die Produktion stetig zu versuchen Neuerungen einzuführen. Erstens verzichtet man in der neuen Staffel auf einen 24-Stunden-Livestream, eine Webshow und ergänzende TV-Formate wie Promi Big Brother Inside oder eine Late Night Show und zweitens unterstreicht der Verzicht auf ein Live -Publikum, ausgenommen der ersten und der Finalshow, den neuen Sparkurs den Sat. 1 einschlägt. Eine Konsequenz die sich nur als logisch erweist, wenn man beachtet, welche Sättigung die TV-Welt in Hinsicht auf Reality-Shows im Moment erfährt. Erwähnt seien hier nur das ungefähr zur gleichen Zeit auf RTL ausgestrahlte „Sommerhaus der Stars 2017“ und natürlich das Dschungelchamp. Eine Entwicklung, die sich auch in den Einschaltquoten Big Brothers wiederspiegelt, die in der dritten Sendung der fünften Staffel einen noch nie zuvor erreichten Tiefpunkt finden. 

Lediglich der Verweis auf konkurrierenden Sendungen scheint unzureichend, um sich das sinkende Interesse an Promi Big Brother zu erklären und deshalb werfen wir nun einen genaueren Blick auf den Cast der diesjährigen Staffel: 

Jeder Bewohner scheint sich im Haus seine „Rolle“ zu suchen, die er konsequent bis zum Ausscheiden beibehält, was schon hier zeigt, wie viel Reality noch in Big Brother steckt. Diese Rolle sollte vor allem eins: Auffallen. Ob nun positiv oder negativ sei dahingestellt, ganz nach dem Motto „schlechte Publicity ist besser als gar keine Publicity“. Wer zu langweilig ist, siehe Maria Hering, und sich nicht 24/7 durch provokante Äußerungen und pikante Details aus ihrem Leben in den Vordergrund drängt, fliegt aus dem Haus. So gibt es die Künstlerin Milo Moire, die mit Offenheit, Ehrlichkeit und anzüglichen Nacktaufnahmen bei den Zuschauern punkten kann. Daneben der Unternehmer Jens Hilbert, der im Haus zu sich selbst findet und, wie auch sonst, um die dargebotene Gefühlsduselei zu unterstreichen, unter Tränen in die Kamera schluchzt: „Dass ich aber auch im Nichts glücklich sein konnte, wie ich da aufgeblüht bin, in Jogginghose und ohne Schmuck – darauf bin ich stolz.“ . 

Doch auch hier gibt der Erfolg Recht: das Sensibelchen gewinnt Promi Big Brother, denn seine Rolle punktet nicht nur bei den Mitbewohnern, sondern auch bei den Zuschauern. Doch erregt die eigene Rolle im Laufe der Sendung nicht mehr genug Aufmerksamkeit und sind die Anruferzahlen gefährdet, lassen sich die Prominenten auch hier etwas einfallen. Denn alle Bewohner sind, und das muss man an dieser Stelle auch zugestehen, neben ihrem Beruf auch noch exzellente Schauspieler: So tuen sich der Schlagersänger Willi Herren und die Bachelorkandidatin Evelyn Burdecki zusammen und inszenieren eine Beziehung zwischen Freundschaft Plus und Liebelei. Die neue Neugierde der Zuschauer über deren Verhältnis zueinander garantierte ihnen das Weiterkommen. Dann wäre da noch die Modeunternehmerin Claudia Obert, die mit ihrer obszönen Art und ihrer Dauerbetrunkenheit, wohl kaum darauf abzielt, ihr Image als erfolgreiche Verkaufsfrau aufzupolieren. Die Steigerung des schlechten Geschmacks personifiziert sich allerdings in Zachi Noy, der aufgrund der verschlossenen Toilettentür begann wild im Bad umher zu urinieren. Dies scheint auch dem Publikum zu weit gegangen zu sein, denn in der darauffolgenden Abstimmung musste er das Haus verlassen. Vielleicht sollten gerade solche Situationen das Live-Gefühl wieder intensivieren, denn zunehmend scheint Promi Big Brother nicht mehr wie eine Liveaufnahme aus den Leben von Personen des öffentlichen Lebens, als vielmehr durchchoreographiert. Dies scheint auch dem letzten Zuschauer spätestens bewusst zu werden, als Sarah Kern sich verplapperte: „Sind wir jetzt live?“. War es nicht einmal genau dieses Grundkonzept der Show, die ihr zu ihrem anfänglichen Erfolg verhalf. 

Fest steht, dass ich trotzdem immer wieder beim Durchschalten des Fernsehprogrammes bei Promi Big Brother hängen blieb, da das Format ein gewisses Unterhaltungspotenzial bietet, die Bewohner ganz ungeschminkt und ungestylt in Alltagssituationen zu sehen, um zu erkennen, dass es sich bei den Prominenten auch nur um ganz normale Menschen handelt. Auch wenn die gezeigte Realität nicht ganz der Wirklichen entspricht und Sat. 1 daraus auch kein Geheimnis macht, amüsieren dennoch auch die inszenierten Streit- und Liebesszenen. Doch für das Verfolgen der ganzen Staffel fehlt mir die Action, die auch nicht durch die wenig spannenden Duellkämpfe geboten werden kann, und die Witze des Moderatorenteams sind einfach zu flach. Dabei scheinen die Neuerungen in jeder Staffel, sowie das Verzichten auf ergänzende Shows und Livepublikum, wie ein vergeblicher Versuch Promi Big Brother mit allen Möglichkeiten aufrechtzuerhalten. Vielleicht ist irgendwann genug mit Reality-TV in diesem Format und man sollte Promi Big Brother lieber im nostalgischen Sinne mit „Es war einmal…“ in Erinnerung behalten.

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