TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 7. September 2017

Gelber Humor und US-amerikanische Gesellschaftsmitläufer – Die Simpsons

von Anita Raithel 

Blauer Himmel mit Quellwolken, ein gelber Schriftzug erscheint auf dem Fernsehbildschirm. Im hellen Chorgesang ertönt die allseits bekannte Melodie der wohl beliebtesten Familie der USA: The Simpsons.

Der Kamerazoom richtet sich nun auf Springfield. Bart schreibt Strafsätze wie „Ich darf in der Klasse keine nackten Frauen malen“ an die Tafel, Lisa wird mit ihrem Saxophon aus dem Musikunterricht geschmissen, Homer steckt am Ende seines Arbeitstages im Kernkraftwerk versehentlich Plutonium ein, das er Bart, als dieser mit dem Skateboard an ihm vorbei fährt, unwillentlich hinterher wirft. Es folgen im Schnelldurchlauf alle zahlreichen Nebenrollen der US-amerikanischen Trickserie, bis Homer schließlich in seiner Garage von Marges Auto erfasst ins Wohnzimmer katapultiert wird, wo die Familie Simpson auf der Couch vor dem Fernseher endlich zusammen kommt. Dass hierbei das Zusammentreffen bei der Couch in jeder Folge individuell durch andere Hürden charakterisiert wird, stellt ein Markenzeichen der Serie dar. Aufgefressen, überfahren, tanzend, mit Gastauftritten animierter Promis, Sequenzen, betrachtet von schleimig grünen Aliens aus dem All – das Intro selbst bildet schon fast eine eigene Folge der beliebten Serie.

Die von Matt Groening produzierte Zeichentrickserie feiert schon seit 1989, anfangs nur in den USA und Südkorea, großen Erfolg. Die gelbe fünfköpfige Familie scheint die animierte Abbildung des 'American Way Of Life' zu sein. Mit viel Humor bringt sie diverse Aspekte des US-amerikanischen Alltagslebens ans Licht: Fast Food, wie Krustys mehrmals darauf hingewiesenen mehr als ungesunden Krustyburgern, Religion, mit der buddhistischen Lisa, dem hinduistischen Apu Nahasapeemapetilon, dem jüdischen Krusty und dem streng christlichen Ned Flanders, der dazu als Homers Nachbar den Titel 'dämlicher Flanders' trägt. Korruption, Fernsehen und aktuelle gesellschaftliche Themen spielen dabei auch oft eine große Rolle. 

Gelbe Zeichentrickfiguren mit meist übertrieben dargestellten humoristischen Acts – halt eine Serie, die man sich neben Formaten, wie The Big Bang Theorie, How I met Your Mother oder anderen Produktionen Groenings, wie Futurama täglich um 18.10 Uhr bei Pro7 eben reinziehen kann – Ausgezeichnet! 

Satirische Anspielungen 

Doch dass hinter diesem zunächst so einfach wirkendem Format noch mehr steckt, macht die Serie mit ihren mehr als 28 Staffeln schon zu einer kleinen Besonderheit. Denn neben gelbem Humor und amerikanischer Alltagscomedy tauchen in den fast 22 Minuten pro Folge immer wieder satirische Anspielungen auf US-, aber auch weltpolitische Diskussionen und Probleme auf. Seien es Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz gegen die Ogdenviller, globale Erwärmung und Gletscherschmelze, Beschlüsse für die Homoehe oder Umweltverschmutzung, die vor allem in Die Simpsons – Der Film zum Ausdruck kommt. An animierten Verkörperungen Donald Trumps fehlt es nicht, Michelle Obama findet ihren Auftritt als Lisas Beistand beim Mobbing, Arnold Schwarzenegger spielt bei einmaligen Auftritt den dämlichen Präsidenten mit hörbaren Akzent. Probleme des amerikanischen Versicherungswesens werden zur Debatte gestellt, NSA, sowie russische und koreanische Abhörinstitutionen werden angeschnitten, allen voran steht egal wann und wo aber immer der Patriotismus mit stolzer US-Fahne begleitend zur Stelle. 

Der Serie wird nachgesagt, dass sie wohl in die Zukunft vorausschaue, so sei bei den Simpsons Donald Trump schon lange vor seiner Amtseinführung als zukünftiger Präsident der USA erwähnt worden. Auch diverse Auftritte Trumps seien, so wie sie in einigen Folgen gezeigt wurden, später tatsächlich so passiert. 

Ob Matt Groening allerdings tatsächlich in die Zukunft schauen kann, sei mal dahin gestellt. Fakt ist, dass die Produzenten der Simpsons politische Prozesse und gesellschaftliche Entwicklungen einfach gut beobachten und in ihre Produktion der Serie mit einfließen lassen. Während die Serie zu Beginn in eher schlechter Qualität und schlampigeren Zeichnungen, aber mit vorhandenem Witz andocken, fährt sie heute in besserer Animation als sozialer und politischer Mitläufer fort. Äußerlich bringt sie das vor allem durch technische Entwicklungen im Vergleich zum Serienstart 1989 zum Ausdruck. Der Röhrenfernseher wird zum Flachbildschirm, Smartphones und Social Media treten dezent in den Vordergrund, Facebook, Twitter und Co. haben nun auch schon die Simpsons erreicht. 

Dass die Simpsons moderner werden, spaltet ihre Fans allerdings in zwei Gruppen: Die älteren Bewunderer kritisieren ihre neumodische Entwicklung, während die jüngeren Zuschauer genau diesen Trend und diese Aktualität der Anpassung besonders schätzen. 

Intermediale Referenzen 

Ob J. K. Rowling, Stephen King oder einfach nur das Jurymitglied der populären Castingshow 'America's Got Talent' Simon Cowell – Referenzen zu Berühmtheiten und deren Taten und Werke sind keine Geheimnisse bei den Simpsons. Sogar Märcheninszenierungen haben ihren Platz, auch wenn sie in gewisser Weise hie und da ein wenig verändert wurden und das Goldlöckchen am Ende von den lieben Bären doch zerfleischt wird. 

Besonders in den Sonderausstrahlungen Treehouse of Horror werden diese Bezüge auffällig. Da erinnert Homers psychischer Kollaps, als er alleine mit seiner Familie im eingeschneiten Hotel fest sitzt, an Stephan Kings The Shining, Lisas verbotene und unsterbliche Liebe zu dem bleichgesichtigen neuen Klassenkameraden an Twilight oder Barts Körpertausch mit einer Fliege aufgrund eines Teleporters an David Cronenbergs The Fly von 1986. 

Erfolgsserie 

Doch was ist es eigentlich, das die Simpsons so erfolgreich macht? Ist es der Humor? Sind es die Themen? Oder einfach nur, weil sie gelbe Zeichentrickfiguren sind, die uns nach einem langen Arbeitstag mit einem leckeren Abendessen auf der Couch gammelnd unterhalten? 

Was auf dem ersten Blick zunächst unscheinbar ist, aber sie dennoch von anderen Serien unterscheidet, ist die Vielzahl von Charakteren, denen manchmal ganze Folgen gewidmet sind. Der Umfang der Serie beschränkt sich nicht auf die fünfköpfige Simpsonfamilie, sondern dehnt sich in gewisser Weise auf die ganze Stadt Springfield aus. Die individuellen Figuren haben ihre eigenen Geschichten und werden des Öfteren aufgegriffen und zum Hauptthema der Folge gemacht. Moe, der depressive Alleingänger, Petty und Selma mit ihrem Hype um McGyver, Krusty, der (unwitzige) Clown, Mafiaboss Fat Tony und Lenny und Carl sind einfach schon immer Lenny und Carl. 

Nicht zuletzt sind Running-Gags die einprägsamen Merkmale der beliebten Trickserie. Wenn Bart „Friss meine Shorts!“ ruft, Homer ein misslungenes und schrilles „Nein!“ von sich gibt, Marge grummelnd zu nörgeln beginnt, Lisa gerade Saxophon spielt und Maggie eh nie etwas anderes beizutragen weiß, außer an ihrem Schnuller zu saugen, dann weiß jeder um welche angesagte Familie es sich gerade handelt. 

Trotz stetiger Anpassungen an das aktuelle soziale Umfeld und neuer lustiger Geschichten der Simpsons, scheinen weitere TV-Formate von Pro7, in erster Linie The Big Bang Theorie, die beliebte und fast immer schon da gewesene Serie so langsam in den Hintergrund zu rücken. Zwar bleiben die Simpsonsfolgen noch im Programm enthalten, dennoch wirkt der Hype um andere Serien von Pro7 größer geworden zu sein. Noch ruft Bart danach auf, seine Shorts zu fressen, aber wie lange und oft ist die andere Frage. Hoffen wir, dass dieser einmalige Serienkult noch lange zu sehen ist, denn ein gewöhnlicher Kinderfilm sind sie nicht, unsere Simpsons, ay Caramba!

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