TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 12. September 2017

Gilmore Girls: Das neue Jahr enntäuscht

von Kristina Görlach
 
Wir gehen eine verschneite Straße entlang, vorbei am Ortsschild „Stars Hollow“. Die Sterne funkeln schon, es ist später Abend. Zur rechten und zur linken sind verschneite Kleinstadthäuschen zu sehen - sie scheinen mit Zuckerguss überzogen. Weiter geht es an geschlossenen Läden wie Westons Bakery, Al`s Pancake World und Dosee`s Market vorbei zur Stadtmitte. Der große Platz dort ist wie auch der Rest der Stadt mit Lichtern geschmückt und wurde auf ein Fest vorbereitet. Essensstände, Spielbuden und sogar eine Eislaufbahn wurden aufgestellt. Über alldem hängt ein Banner, welches stolz das 19. Jubiläum des Stars Hollow Snowflake Festivals verkündet. In der Ecke des großen Platzes ist ein Gebäude noch erleuchtet. Wir steigen die Treppen hoch und betreten „Lukes Diner“. Der Besitzer (Luke) steht an der Theke und versucht seinen beiden letzten Gäste, zwei Damen, zu vermitteln, dass er bereits vor einer Stunde schließen wollte. Als Antwort erwidern beide „Luke, bitte noch eine Tasse Kaffee“.


Die (fiktive) Kleinstadt Stars Hollow ist der Handlungsort der beliebten Serie Gilmore Girls, die von 2000 - 2007 auf den Sendern WB und CB ausgestrahlt wurde. Im Zentrum steht das Leben der zu Beginn 32-jährigen Lorelai Gilmore und ihrer 16-jährigen Tochter Rory Gilmore. Lorelai, gespielt von Lauren Graham, rannte von Zuhause weg als sie mit 16 schwanger wurde und zieht ihre Tochter seither alleine im beschaulichen Stars Hollow auf. Nur, dass sie dabei nicht wirklich alleine ist. Die ganze Stadt liebt die Gilmore Girls und so tun alle ihr möglichstest, um Lorelai und Rory zu unterstützen.


Die Serie Gilmore Girls beschäftigt sich mit dem Alltäglichen, den Sorgen normaler Menschen: Familie, Freunde, Liebe und Karriere. Zusehen ist ein bisschen wie nach Hause kommen. Wir können abschalten, den eigenen Sorgen entfliehen und eine Auszeit nehmen. Sieben Staffeln sahen wir Rory (Alexis Bledel) zu einer klugen, fürsorglichen jungen Frau mit großen Ambitionen  heranwachsen. Lorelai und Rory sind nicht nur Mutter und Tochter sondern auch beste Freundinnen. Gemeinsam mit den beiden durchleben wir die Schwierigkeiten, aber auch die Freuden des Lebens. Um ihren Traum Journalistin zu verwirklichen, besucht Rory zunächst eine Privatschule, später das Elite-College Yale. Die Finanzierung ihrer Ausbildung übernehmen ihre  wohlhabenden Großeltern, von denen Lorelai sich seit ihrer Schwangerschaft entfremdet hat. Beim allwöchentlichen Abendessen im Anwesen der Großeltern kommt es daher jede Woche aufs neue zu lustigen, unangenehmen, enttäuschenden oder berührenden Momenten. Auch die Szenen in Lukes Diner, Lorelais Inn oder bei den Stars Hollow Festivals bieten immer wieder Anlass zum Schmunzeln. Die Serie wird gerade durch die  liebenswürdigen, schrägen Bewohner von Stars Hollow besonders. So zu Beispiel Lorelais beste Freundin und Köchin Sookie  St. James (Melissa Mccarthy), die durch ihre liebenswerte, chaotische Art überzeugt oder auch Rorys beste Freundin Lane, die den Versuch unternimmt, aus der streng katholischen Welt ihrer Mutter auszubrechen, um in einer Rockband zu spielen.


Produziert wurde die Serie von Amy Sherman Paladino und ihrem Mann Daniel Palladino. Da Gilmore Girls in den Warner Bros Studios in Burbank gedreht wurde, benötigten die vielen im Winter spielenden Episoden tonnenweise Kunstschnee. Der Titelsong „where you lead“ wurde von Carole King und Louise Goffin geschrieben. In ihm spiegelt sich die enge Beziehung der beiden Hauptcharaktere wieder. Als Zuschauer hofft man wirklich, dass für Rory und Lorelai alles zum Besten ausgeht und man wird nicht enttäuscht. Lorelai findet in Luke (dem Besitzer des Diners) schließlich ihre große Liebe und Rory schließt Yale erfolgreich ab. Ihrem Traum Journalistin zu werden scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Alles könnte so schön sein….


Hätten die Produzenten nicht beschlossen eine Fortsetzung zu produzieren, die 9 Jahre später spielt. Die 2016 auf Netflix erschienene Fortsetzung „Ein neues Jahr- A Year in the Life“ wurde mit Spannung und Vorfreude erwartet. Die vierteilige Miniserie erzählt die Zukunft von Rory, Lorelai und den Bewohnern von Stars Hollow. Leider enttäuscht sie dabei auf ganzer Linie. Die 4 Episoden spielen jeweils in einer der 4 Jahreszeiten- somit begleiten wir die Gilmore Girls ein ganzes Jahr hindurch. Rory ist keine erfolgreiche Journalistin geworden im Gegenteil - sie zieht sogar wieder bei ihrer Mutter ein. Sie wirkt selbstbezogen und ohne Ambitionen. Der Zuschauer muss sich fragen, was aus der klugen jungen Frau geworden ist, die in der Originalserie ein Vorbild für viele aufwachsende Mädchen war. Auch Lorelais Selbstfindungstrip lässt sich nicht wirklich erklären. Nachdem die Zuschauer sieben Staffeln auf das Zusammenkommen von Lorelai und Luke warten mussten, ist sie sich 9 Jahre später plötzlich doch nicht mehr so sicher? Wieso?


Andere Charaktere, beispielsweise Sookie tauchen nur in kurzen Sequenzen auf, die nichts über ihre Entwicklung aussagen. Es wirkt beinahe so als wären die Produzenten schlecht auf ihre Figuren zu sprechen. Am tragischsten ist aber wahrscheinlich die Zukunft von Lane. Sie hatte es geschafft, der Strenge ihrer Mutter zu entkommen und eine Band zu gründen, nur um dann 9 Jahre später den Job ihrer Mutter zu übernehmen und im gleichen Haus wohnen zu bleiben. Gilmore Girls „Ein neues Jahr“ hat wie auch andere Fortsetzungen erfolgreicher Serien maßlos enttäuscht. Woher kommt der plötzliche Drang erfolgreiche Serien wiederzubeleben. Manchmal wäre es besser eine gutes Ende einfach auf sich beruhen zu lassen. Das neue Jahr von Gilmore Girls hätte ich zumindest lieber nicht gesehen. Ein unwürdiger Abschluss einer sonst so schönen Serie.

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