TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 4. September 2017

Orphan Black. Ein Kampf gegen die Wissenschaft

von Sarah Rose 

Es ist mitten in der Nacht, als Sarah Manning am Bahnhof ihrer Heimatstadt ankommt. Nach einem Jahr des Obdachlosenlebens und lauter krummer Geschäfte, beschließt sie einen letzten großen Drogenhandel abzuwickeln, um danach genug Geld zusammen zu haben, um mit ihrer kleinen Tochter Kira, die noch unter der Vormundschaft von Sarahs eigener Pflegemutter Mrs. S. lebt, abzuhauen. Doch am gleichen Abend passiert noch etwas, was ihr Leben für immer verändern wird. 



Angekommen am fast menschenleeren Bahnsteig bemerkt sie eine Frau, die ihre Tasche und Schuhe am Boden abstellt. Als sich die Frau zu ihr umdreht und ihr direkt in die Augen sieht, stellt Sarah schockiert fest, dass diese genauso aussieht wie sie selbst.Doch bevor sie die weinende Unbekannte ansprechen kann springt diese vor einen Zug. Unter Schock und einem plötzlichen Impuls folgend schnappt Sarah sich daraufhin die Handtasche ihrer Doppelgängerin und läuft weg. Nach kurzer Zeit findet sie heraus, dass die Unbekannte mit dem Namen Beth Chiles, neben einem großen, schicken Haus und einem gutaussehenden Ehemann ein Konto mit 175.000 Dollar besitzt, Geld, das Sarah für ihr Leben mit ihrer Tochter dringend gebrauchen könnte. Kurzentschlossen nimmt sie daher die Identität von Beth an. Das beinhaltet jedoch auch den Job von Beth als Polizistin, was Sarah und ihre drogenbefleckte Vergangenheit vor eine Herausforderung stellt. Als sie jedoch einige Nachforschungen zu ihrer neuen Identität anstellt, entdeckt sie, dass Beth und sie Klone sind. 

Jedoch damit nicht genug, denn es stellt sich heraus, dass es noch mehr von ihnen gibt und es hat allen Anschein, dass jemand versucht ihre Existenz auszulöschen. Dabei muss sie feststellen, dass Beth mit einigen ihrer Klone bereits Kontakt hatte. Zunächst als Beth, jedoch bald darauf als wahre Sarah lernt sie dabei selbst immer mehr ihrer „Schwestern“ kennen, die dabei stets eine komplett andere Persönlichkeit besitzen, jedoch alle mit dem exakt gleichen Gesicht. Darunter die Wissenschaftlerin Cosima, die Vorstadtmutter Alison und die russische Wilde Helena. Ohne zu wissen wer oder warum sie erschaffen wurden, gehen sie der Frage auf den Grund und müssen dabei noch mit diversen Killern, Wissenschaftlern und weiteren Klonen ihrer selbst klarkommen. 

Verpackt in dieser komplexen Story kursiert die Netflix-Serie mit ihren kanadischen Wurzeln seit 2013 in Deutschland und sogar im Free-TV auf ZDFneo. Mit ihren fünf Staffeln begibt sich die Serie auf eine neue Ebene des Science-Fiction, in der statt Vampiren diesmal Klone im Mittelpunkt stehen. Besonders die erste Staffel fesselt den Zuschauer mit dem Aufbau der Story und dem Aufdecken weiterer Klone an den Bildschirm. Mit den verschiedenen Persönlichkeiten der Klone findet fast jeder seinen persönlichen Lieblingscharakter. Ein intelligenter Schachzug der Produzenten, mit denen sie die Zuschauer an die Serie binden. 

Nachdem in der ersten Staffel die Handlung der Story umrissen wurde, folgt in der zweiten und dritten Staffel ein verstricktes Netz aus weiteren Charakteren, die die Welt von Sarah und ihren Klonen immer komplexer macht, wobei es auch manchmal den Zuschauer schwer fällt, mitzuhalten. In der Mitte der Serie findet sich auch das übliche Problem, mit dem Serien zu kämpfen haben. Es muss immer irgendwie weiter gehen und es wird selten ein klar definierter Feind oder ein Ziel gesetzt. Nachdem der eine „Böse“ besiegt wurde taucht bald darauf ein neuer auf oder es wird eine neue wissenschaftliche Gefahr gefunden, die die Klonschwestern bedroht. 

Die Gefahr von Science-Fiction ist, dass der Zuschauer sich nie sicher sein kann, ob nicht doch noch ein imaginäres, futuristisches, jedoch hier revolutionäres Wissenschaftswunder passiert, das die Story oftmals zu abgehoben dastehen lässt. Hier ist die subjektive Neigung des Zuschauers gefragt, ob er die Möglichkeiten des futuristischen Science-Fiction als prinzipielle Alleskönner befürwortet oder nicht. Abgesehen davon punktet die Serie mit ihrem trockenen Humor, der die Gewaltszenen oftmals begleitet. 

Vor allem die Figur von Felix, Sarahs homosexueller Adoptivbruder, der mit seiner inzwischen rasant gewachsenen Klonschwesternsammlung schon so manche Leiche entsorgt hat, sorgt mit seinem direkten und stets ironischem Humor für Sympathie, was das viele Blutvergießen oftmals nicht mehr allzu brutal erscheinen lässt. Als besonders hervorragend ist jedoch die schauspielerische Leistung von Tatiana Maslany zu nennen, die während der gesamten Serie alle Klone von Sarah alleine verkörpert. Dabei beeindruckt vor allem, wie sie in die verschiedenen Charaktere der Klone schlüpft und dabei jedem eine eigene Persönlichkeit verleihen kann. Vor allem in Szenen, in denen die Klonschwestern sich in der Serie gegenseitig für eine ihrer anderen Schwestern ausgeben, spiegelt das Können der Schauspielerin wieder. 

Alles in allem bietet die Serie, neben der Flut von Vampir- und Ärzteserien, ein ganz neues Themenfeld, das den Zuschauer Einblicke in wissenschaftliche Vorgänge gibt. 

Obwohl ich eigentlich kein Fan von Science-Fiction bin, zog mich Orphan Black von Beginn an in seinen Bann. Durch die Kombination des womöglich nicht mehr so fernen futuristischen Klonens und den starken Klon-Charakteren, die darum kämpfen nicht als Versuchsopfer zu enden, basiert die Serie auf nicht allzu abstrakten Handlungen. Ich persönlich verstehe die Serie auf zweiter Ebene als einen Einblick in die graue Welt des Menschenhandels und daher mit einem versteckten Bezug zur Realität. Und genau das macht Orphan Black für jeden sehenswert, der auf nicht allzu fernen Science-Fiction steht.

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