TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 4. September 2017

Avatar, der Herr der Elemente. Ein etwas anderer Cartoon

von Quirin Hönig 

Es ist sicher etwas seltsam eine Kritik mit dem Fazit zu beginnen, aber für alle welche die Serie Avatar – Der Herr der Elemente (Avatar – The Legend of Aang) noch nicht gesehen haben: Seht sie euch an! Sie mag eine Zeichentrick-Serie sein, sie mag eine Kinderserie sein, aber ich kann versprechen, dass sie großartig ist. 



Es gibt natürlich einige Kritikpunkte, auf die ich später kommen werde, aber ich kann sie dennoch uneingeschränkt für alle empfehlen, ob nun Erwachsene, Jugendliche oder Kinder. Ich bin mir sicher, dass sie den meisten Menschen gefallen wird. Warum ich mit dem finalen Urteil beginne? Ich möchte all jenen, die diese Serie noch nicht kennen, die faire Chance zu geben, Avatar für sich selbst zu entdecken. Ohne davor in irgendeiner Weise gespoilert zu werden. 
Legt diese Kritik weg. 
Schaut euch die Serie an. 
Es lohnt sich. 

Immer noch hier? Nun gut… Die westliche Fernseh-Welt hat den Wert von Zeichentrickserien nie wirklich erkannt. Anders als die Animes in Asien, werden Cartoons hier fast ausschließlich als Kinderunterhaltung gesehen. Was in den meisten Fällen gar nicht falsch ist. Zwar gibt es Ausnahmen, wie Rick und Morty, die sich an Erwachsene richten, oder wie Die Simpsons, die ein Generationen übergreifendes Publikum bedienen. Die meisten Trickserien jedoch werden für Kinder produziert und von ihnen angesehen. 

Oft folgen sie dabei dem gleichen Schema: Die Folgen sind kurz (bis zu 20 Minuten), die Handlung recht flach und das wichtigste ist, den Zuschauer zum Lachen zu bringen, ob nun mit einem anthropomorphen Schwamm oder einem Roadrunner, der von einem Amboss erschlagen wird. Die Folgen haben untereinander keine Verbindung, sieht man mal von den Charakteren und ihrer Umgebung ab, und können in beliebiger Reihenfolge angesehen werden. Ein Rezept mit dem sich viel Geld verdienen lässt, wie Die Simpsons mit inzwischen achtundzwanzig Staffeln oder Spongebob Schwammkopf mit elf deutlich beweisen. Nur selten sieht man eine Zeichentrickserie, die gegen dieses Schema verstößt, eine zusammenhängende Handlung erzählt, in der Humor nicht die Hauptrolle übernimmt. 

Zumindest wenn man sich westliche Produktionen ansieht. In Japan hat man bereits erkannt welche Geschichten man erzählen, welche Welten man erbauen kann, nur mit animierten Bildern. Und hier liegt die große Stärke des Zeichentricks. Zwar kann man in Realfilmen mit modernster Technik Drachen zum Leben erwecken und fremde Planeten erschaffen, doch der Preis dafür ist sehr hoch. Jeder Filmemacher kann seine Träume wahr werden lassen, aber nur, wenn er genug Geld hat. Dazu kommen noch die Kosten für Schauspieler, Locations, Kostüme und noch so viel mehr. Serien und Filme die keinen kommerziellen Erfolg versprechen, werden erst gar nicht oder, was fast noch viel schlimmer ist, schlecht produziert und letztendlich sieht man immer wieder dasselbe, ob nun auf der Kino-Leinwand oder daheim im Fernsehen. 

Zeichentrick-Serien und Filme können bei weitem günstiger produziert werden und geben damit jenen Geschichten und Konzepten eine Chance die vielleicht nicht sofort die Massen begeistern und die ein wenig Veränderung und Abwechslung in das stagnierende Geschäft des Fernsehens und Kinos zu bringen. Avatar ist ein gutes Beispiel hierfür: Ein amerikanischer Cartoon, der so kaum etwas Amerikanisches an sich hat. 

Zuallererst: Die 2015 erschienen Serie ist ein Cartoon kein Anime. Avatar sieht zwar aus wie einer und fühlt sich manchmal auch an wie einer, doch er wurde vollständig in den Vereinigten Staaten konzipiert und entwickelt. Hinter der Idee stecken Bryan Konietzko und Michael Dante DiMartino und die Produktion wurde von Nickelodeon übernommen. 

Der Zuschauer wird hier in einer fernöstlich angehauchten Welt, voller seltsamer Tiere, Naturgeister und seltsamer Völker entführt. Sie wirkt sehr fremdartig da es kaum westliche Einflüsse gibt, wie es sonst meist in Fantasy-Welten ist. Diese Welt wird von den vier Elementen (Wasser, Erde, Feuer, Luft) in vier große Nationen geteilt. Eine jede mit eigener Kultur, eigenen Kleidungsstielen, einer eigenen Philosophie und sogar eigenen historischen Vorbildern: Die Wasserstämme, welche den Inuit nachempfunden sind, das Erdkönigreich, das sich am chinesischen Kaiserreich orientiert, die Feuernation, ein Spiegelbild des Imperialen Japan im 19. und 20. Jahrhundert und Luftnomanden, welche an buddhistische Mönche erinnern. In diesen Nationen gibt es Bändiger, Menschen, welche das jeweilige Element manipulieren können. Fähigkeiten, die sowohl im Kampf als auch bei anderen Tätigkeiten nützlich sind. 

Wie die meisten anderen Geschichten prägt Avatar ein Konflikt und dieser hier ist ein großer – ein weltumspannender Krieg mit der Feuernation. Der absolutistische Staat, an dessen Spitze der Feuerlord steht, möchte seinen Reichtum und seinen Wohlstand mit der restlichen Welt teilen, hat aber einen sehr eigenen Weg, das zu erreichen. Der einzige der diesen Krieg hätte verhindern können ist der Avatar, eine Art spiritueller Führer, mit der Fähigkeit, alle vier Elemente zu bändigen, der in jeder Generation in einer anderen Nation wiedergeboren wird. Er soll das Gleichgewicht zwischen den Völkern der Welt erhalten. Doch am Vorabend des Kriegs verschwand er einfach. Um einer möglichen Konfrontation mit ihm aus dem Weg zu gehen, vernichtete die Feuernation in einem schnellen Schlag sämtliche Luftnomaden, jenes Volk in dem der nächste Avatar geboren werden sollte. Seitdem sind die die restlichen drei Nationen in einen Krieg verwickelt, der zum Anfang der Serie bereits hundert Jahre andauerte.

Und wie in vielen Geschichten die an ein junges Publikum gerichtet sind, hängt das Schicksal der Welt von einer Gruppe Jugendlichen und ihren Entscheidungen ab. Da hätten wir Aang, den letzten Luftbändiger und Avatar, der das letzte Jahrhundert in einem Eisberg eigeschlossen war und nun mit einer völlig anderen Welt konfrontiert ist. Er muss sich nicht nur der Tatsache stellen, dass er der letzte seines Volkes ist und diesen Konflikt eigentliche verhindern hätte sollen, sondern auch noch das Bändigen der anderen drei Elemente erlernen, die Feuernation bekämpfen und den Krieg beenden. Nicht unbedingt die Aufgaben, die einem zwölfjährigem Kind auferlegt werden sollten. Das ungleiche Geschwister-Paar Sokka und Katara vom Südlichen Wasserstamm sind seine ersten Gefährten in diesem Abendteuer. Ihr Leben ist geprägt vom Verlust ihrer Mutter und der Abwesenheit ihres Vaters, welcher fern der Heimat gegen die Feuerbändiger kämpft. Außerdem muss sich Katara damit abfinden, die einzige Wasserbändigerin ihres Stammes zu sein. Die blinde Erdbändigerin Toph schließt sich in der zweiten Staffel der Gruppe an, die trotz ihres Handicaps in keiner Weise hilflos ist. Allerdings isoliert sie ihre mangelnde Sehkraft vom Rest der Welt. Als letztes – Mitte der dritten Staffel – stößt Zuko zu der Gruppe und das obwohl er seit Folge eins eine wichtige Rolle spielt. Er ist sowohl der älteste als auch der tragischste Protagonist der Serie. Einst war er der designierte Thronerbe, aber als er sich in einer Strategie-Besprechung gegen den Plan seines Vaters ausspricht, wird er von diesem entstellt und verbannt. In seine Heimat zurückkehren darf er nur, wenn er den Avatar fängt. Und so ist er anfangs einer der Hauptantagonisten, immer hinter Aang her, um seine Ehre wiederherzustellen. Doch während er durch die vom Krieg zerrissen Welt irrt, ändert sich seine Blickweise auf sein Volk, seine Familie und sein Leben. Für jeden einzelnen Charakter ist die Serie eine Coming-of-Age-Geschichte in der sie aus ihren Fehlern lernen, persönlich stärker werden und letztendlich ihren Platz in der Welt finden müssen.

Neben dem Erwachsenwerden spricht die Serie noch viele andere wichtige Themen an, mit denen alle Menschen irgendwann konfrontiert werden. So spielt der Verlust von Freunden oder Familie, das Vergeben von alten Fehlern und auch Liebe eine wichtige Rolle. Selbst mit den „Eigentlich-nicht-für-Kinder-geeigneten-Themen“, wie Krieg, Folter und Völkermord, wird hervorragend umgegangen und sie werden für Kinder verständlich dargelegt. Natürlich ist keine Serie perfekt und wo so viel Lob ist sollte natürlich auf etwas Kritik sein.

Zuallererst sind da die meisten Szenen, in denen es um Liebe geht. Sie scheinen mit Hilfe des „Teenager-High-School-Love-Klischee-Buchs“ geschrieben zu sein und bereiten wahrscheinlich jedem beim Ansehen physische Schmerzen. Dann wäre da der Humor, den ich bisher mit nicht einem Wort erwähnt habe, da es schwierig ist, ihn einzuordnen. Die Serie ist, abgesehen von den ersteren Szenen, recht lustig, allerdings nicht auf einem sehr erwachsenen Niveau. Was man ihr allerdings nachsehen muss, da sie hauptsächlich an ein jugendliches Publikum gerichtet ist. Der größte Kritikpunkt jedoch ist, dass die Einzelhandlung mancher Folgen nicht so gut zum Rest der Serie passen. Es ist schwer das zu beschreiben ohne Beispiele zu nennen, aber der Wechsel im emotionalen Ton von einer Folge zur anderen wirkt an einigen Stellen ziemlich abrupt und so kommt es einem doch vor, dass Avatar in das unzusammenhängende Geschichtenerzählen klassischer Cartoons verfällt. Doch all diese Schwächen mindern kaum die Qualität der Serie und selbst bei den schlechtesten Folgen ist der Zuschauer gut unterhalten. 

Nun da mein Fazit schon von Anfang an Bekannt war kann ich mich nur wiederholen. Ich kann diese Serie nur jedem empfehlen und hoffe das es in nicht allzu ferner Zukunft noch andere Werke gibt die solche einen bleibenden Einfluss auf ihre Zuschauer haben. Im positiven Sinne, nicht wie die schreckliche Realverfilmung der ersten Staffel von Avatar.

1 Kommentar:

  1. erstmal vielen Dank für diese Rezeption. Ich bin mit dieser Serie aufgewachsen und ich erinnere mich gerne an die Wochenenden vorm Fernseher mit warmer Fußbodenheizung den Nikelodeon Avatar Marathon zu schauen. Für mich ist diese Serie also nicht mehr objektiv betrachtbar ... dafür sind damit viel zu viele Emotionen verbunden.

    Zu dem Punkt, dass diese Serie wie andere Cartoons manchmal etwas abgehakt wirkt, muss man aber finde ich auch sagen, dass solche Serien nicht für das Durchbingen an einem Wochenende entwickelt wurden. Jede Woche kam eine neue Folge und dazu gehört, dass jede Folge eine ganz eigene Handlung haben musste, weil es eben 7 Tage zur nächsten Folge dauerte. Ich finde, dass die Gesamthandlung in so einem System sehr konsequent erzählt wurde. Über die Witze kann man natürlich streiten, allerdings waren die damaligen Top-Serien Friends und HIMYM ... Heute hat man deutlich höhere Ansprüche, wobei sich auch Rick&Morty teilweise einem sehr einfachen Humor hingibt.

    Meiner Meinung nach fehlen in Ihrer Kritik, dass in dieser Kinderserie nicht nur auch ernstere Themen behandelt wurden, sondern auch Werte vermittelt werden, die für ein Miteinander stehen, gegen das Ausgrenzen von beeinträchtigten Menschen steht. Sie zeigt, dass auch junge Menschen aufstehen können, um Demonstrationen anzuzetteln, sie zeigt, dass man nicht nur von der Umwelt sondern auch mit der Umwelt leben können muss. Diese Serie tut das, was sie als Kinderserie tun soll. Sie unterhält nicht nur, sondern sie verkörpert auch Menschen- und Weltbild, das man vielleicht auch kritisieren kann (seinen eigenen Meinungen entsprechend), aber das die Welt verbessern könnte.

    Die vermittelten Werte stellen für mich den Reiz und die Grandiosität dieser Serie dar. Sie ist nicht nur zur Unterhaltung, sondern sie ist mehr und mich hat sie auf jeden Fall beeinflusst.

    Man muss sich fragen, wer und was einen beeinflusst und wie man dazu steht und ich bin sehr froh und auch stolz darauf, dass ich diese Serie gucken konnte.


    Liebe Grüße

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