TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 12. September 2017

Rick and Morty: Kein ganz normaler Cartoon

von Ingo Schermer
 


2010 wurde mit dem Start der Cartoon Serie Adventure Time, eine neue Welle von Cartoon Serien in Gang gesetzt, die sich sowohl bei Zuschauern als auch Kritikern großer Beliebtheit erfreuen. Sie dient vielen als starke Inspiration und einige haben sogar schon direkt an Adventure Time mitgearbeitet und dann ihre eigene Serie entworfen. Dieses Muster findet man, bei scheinbaren Kinderserien, die aber auch bei Erwachsenen beliebt sind, wie Stevens Universe, Over the Garden Wall und Gravity Falls. Es gibt aber auch eine Serie, die sich eher an Erwachsene richtet und von dieser Schiene kommt, Rick and Morty.



Rick and Morty wird seit 2013 von Cartoon-Network für den Adult Swim-Programmblock produziert und befindet sich zurzeit in der Erstausstrahlung der dritten Staffel, womit die Serie am Ende der Staffel 31 Folgen a 22 min umfassen wird. Grob geht es um den Wissenschaftler und Alkoholiker Rick Sanchez, der nach jahrelanger Abwesenheit ins Haus seiner seiner Tochter Beth und ihres Mannes Jerry, sowie deren Kindern Morty und Summer einzieht und nun mit Morty und später ebenfalls mit Summer Abenteuer in anderen Dimensionen erlebt oder das Familienleben thematisiert wird.

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Was Rick and Morty auszeichnet und von anderen Cartoons unterscheidet, ist in erster Linie Rick selbst. Eine Figur wie er wäre in den meisten anderen Cartoon-Serien, besonders in denen für ein jüngeres Publikum, der klassische böse Antagonist: übermäßig intelligent, in der Lage wirklich alles zu erschaffen und egoistisch bis zum Äußersten. In Serien wie Kim Possible oder Phineas und Ferb, versuchen die bösen Genies durch ihre Intelligenz oder Fähigkeiten irgendwie an Macht zu gelangen, was die Protagonisten verhindern müssen. Es besteht also eine indirekte Handlungspflicht für die Protagonisten, da (scheinbar) nur sie die Bösen aufhalten können und so ein komplettes gut gegen böse Szenario vorliegt. Rick dagegen tut alles, was er tut, einfach weil er dazu Lust hat und weil er es kann. Er ist (zumindest am Anfang) ein klarer Nihilist, und da alles sinnlos ist, macht er einfach was er möchte, egal wie sehr das gegen jegliche Normen und Gesetze verstößt. Er benutzt auch häufiger andere für seine Zwecke am meisten wohl Morty, der immer wieder als Versuchskaninchen herhalten muss. 

Wie dreist Rick teilweise ist, sieht man in der Folge 17. Dort nutzt er als Akku für sein Raumschiff die Energie, die durch Bewegung von in dem Akku eingeschlossenen Minilebewesen betrieben wird, die aber denken sie wären frei und Rick ein Held, da er ihnen die Möglichkeit gezeigt hat, wie man Strom erzeugt und sie unwissend darüber sind, dass er sich den Großteil des von ihnen erzeugten Stroms abzweigt. Die Folge stellt auch die stark philosophische Seite der Serie gut dar, da er keinen Strom mehr bekommt, weil die Bevölkerung eine profitablere Methode gefunden hat, um Strom zu erzeugen, nämlich genau die gleiche Methode wie Rick, mit noch kleineren Lebewesen. Dies wiederholt sich dann noch zweimal bis sich die letzte Person der Kette selbst umbringt, aus Verzweiflung erkannt zu haben, dass sein einziger Lebenssinn darin bestand, für den aufgeladenen Akku eines elektrischen Fahrzeugs verantwortlich zu sein. Rick and Morty thematisiert viel Philosophie und konfrontiert den Zuschauer mit verschiedenen Ansichten von Rick und anderen Figuren, die sich vor allem um den Sinn des Lebens und den Wert des einzelnen Individuums drehen. Der Nihilismus und der Existenzialismus werden in der Serie ausgiebig thematisiert. Egal ob ein nur zu dem Zweck geschaffener Roboter dessen einzige Aufgabe darin besteht, Butter zu reichen oder ob Lebewesen verzweifeln, weil ihr einmaliger Zweck für den sie leben nicht erfüllt wird, da sie das Leben an sich für eine Qual halten. Für Rick sind auch Gut und Böse nur: „künstliche Konstrukte“.

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Und das es ein reines Gut oder Böse nicht gibt, beweist er in Folge 25 in der eine Reihe von Superhelden nach klassischem Marvel Muster von Rick durch ein Saw ähnliches Spiel geführt werden und er durch verschiedene Aufgaben zu beweisen versucht und es auch schafft, dass auch Superhelden moralisch keine weiße Weste tragen, wenn sie einen ganzen Planeten in die Luft jagen, nur weil dort der Hauptstützpunkt des Feindes liegt. Dass man in dieser Serie nicht schwarz/weiß malt, erkennt man in späteren Folgen, auch an Rick selbst, da er immer mal wieder zeigt, dass ihm seine Familie vielleicht doch etwas bedeutet. Er riskiert sogar sein Leben, um Morty zu retten, doch ist die Gefahr dann gebannt, redet er sich immer mit anderen Argumenten raus, was seine wirkliche Motivation ist, das herauszufinden und zu diskutieren ist einer der entscheidenden Aspekte, die die Serie so interessant machen. 


Rick ist unbestreitbar die wichtigste Person der Serie, mit seiner Portal-gun, mit der er per Knopfdruck überall ein Portal erscheinen lassen kann, um dann in eine andere Dimension zu wechseln, eröffnet er immer wieder den Einstieg verschiedene Welten und Episoden. Ohne ihn würde die Serie nicht funktionieren. Das machen auch die Produzenten deutlich, da der der offizielle Twitter Account Rick (((and Morty))) heißt und im Profilbild nur Rick zu sehen ist. Außerdem sind viele Episodentitel auf ihn ausgelegt und gleichzeitig Referenzen, z. B. Total Rickall (von Total Recall) und Close Rick-counters of the Rick Kind (von Close Encounters of the Third Kind).


Doch natürlich haben die anderen Figuren auch Funktionen, die wichtigsten sind wohl Morty und Jerry. Morty ist nicht nur sein Begleiter, sondern auch der mit dem meistens philosophisch diskutiert wird, gerade weil er mit vielen Handlungen Ricks überhaupt nicht einverstanden ist. Er aber auch keinesfalls das Gute in Person, da ihm, wenn er die Chance hat, sich bei einem hübschen Mädchen gut zu präsentieren, scheinbar auch alles andere egal ist. Jerry dagegen ist das genaue Gegenstück von Rick. Er bekommt nichts alleine hin, macht viel falsch, hat keinen Job und würde sogar selber lieber, in einer Hologramm-Welt leben, in der jeder nur „Ja“ sagen kann, als in der Realität.     

Ein weiterer großer Unterschied zwischen der Serie und anderen Cartoons liegt darin, dass die aufkommenden Probleme fast alle erst von den Beteiligten selbst auf unterschiedlichste Art und Weise geschaffen werden, statt dass sie den Protagonisten von außen unausweichlich in den Weg gelegt werden. In dieser Serie entstehen meist gerade erst dadurch, dass sie es sich eigentlich einfacher machen wollen oder anderen Problemen aus dem Weg gehen wollen, die Probleme selbst. So will sich Rick nur vor einer Familienveranstaltung drücken und verwandelt sich deshalb vor dem Termin in eine Gurke, kann sich dann aber nicht so schnell wie geplant zurückverwandeln und muss Katzen entkommen und unterirdisch gegen Ratten um sein Überleben kämpfen. Diese Probleme werden dann je nach Folge entweder für einzelne Figuren oder für die ganze Gesellschaft essenziell, es gibt Chaos, Hysterie und teils auch Anarchie. Somit gibt es fast in jeder Folge rohe Gewalt unter den Beteiligten.


Abseits der Philosophie und der Figuren lohnt es sich auch die Erzählstruktur genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Haupt-Schöpfer der Serie Dan Harmon hat selbst ein 62-seitiges Werk Story structure” über Erzählstruktur geschrieben. In diesem schreibt er: „Television swaps out any meaningful and therefore potentially television subverting-truth with the basic, „eternal truth” that change is unnecessary”, aber „Stories are about change. Subversion of order” und außerdem sei „Good structure [is] the best weapon we can use in the fight against corporate garbage because good structure costs nothing, is instinctive to the individual and important to the audience.” Diesen eigenen Ansprüchen wird er gerecht, die Erzählstruktur ist ungewöhnlich und wechselt. Während in der ersten Staffel scheinbar episodisch erzählt wird, merkt man in der zweiten Staffel, dass es sich um verschiedene Parraleluniversen bzw. Zeitlinien handelt, die dann Ende der zweiten Staffel in einem Universum zusammengeführt werden und die Erzählstruktur auf ein übergreifendes Erzählen wechselt, das so weit geht, dass die zweite Staffel mit einem reinen Cliffhanger endet. Die dritte Staffel hat bisher mit Ausnahme der ersten Folge, die anders betrachtet werden muss, das moderne episodische Sitcom-Erzählen, es gibt eine Fortsetzung was die Personenkonstellation und die Beziehung zueinander angeht, doch man kann in jede Episode gut einsteigen.


Neben der Erzählstruktur ist auch die Veröffentlichung erwähnenswert. Am Ende der ersten Staffel friert Rick wortwörtlich die Zeit ein, so das gleichzeitig wenn der Zuschauer weg ist, wirklich nichts Großes passiert. Er selbst schaut dann direkt den Zuschauer an und beendet die erste Staffel mit den Worten „Thats season 1 boom. Season 1 in your face motherfucker jea“. Auch zwischen zweiter und dritter Staffel ist es so, das scheinbar nichts Sehenswertes passiert, hier 


(SPOILER ALERT

sitzt Rick im Gefängnis, weswegen aus seiner Sicht nichts Sehenswertes passiert und auch Morty sagt, dass das Leben ohne Rick langweilig sei.

(SPOILER beendet)

Doch nicht nur das, nachdem die Serie nach der zweiten Staffel international beliebt wurde, fragten Fans auf Twitter und anderen Plattformen immer wieder nach dem Termin für die dritte Staffel. Die Produzenten spielten hier schon dreist mit der Erwartung der Zuschauer, in dem sie den Starttermin für die dritte Staffel am 1. April 2017 auf Twitter für den damaligen Abend ankündigten, da aber bis dahin alle Informationen geheim gehalten worden waren und es wegen des Datums fast jeder für einen Scherz hielt, sah die Folge am ersten Abend kaum jemand. Deswegen hat sich die Folge als „April-Fools-Episode“ einen Namen gemacht. Auch dies steht komplett im Zeichen der Serie frei nach Ricks Motto: „I dont give a fuuuuuck“, in Bezug auf Quoten und die wartenden Fans, nur weil man Lust dazu hat und dazu in der Lage ist.


Neben Dan Harmon ist noch die Rolle von Justin Roiland, der auch schon bei Adventure Time dabei war hervorzuheben. Er ist gleichzeitig Co-Schöpfer, ausführender Produzent und der Synchronsprecher der beiden Haupt-Protagonisten Rick und Morty sowie vieler kleiner Rollen, die er alle spricht ohne das es sich bemerkbar macht. Deswegen und weil im deutschen einige Wortspiele verloren gehen, sollte man die Serie auf englisch anschauen.
Neben diesen ganzen positiven Aspekten gibt es nur zwei negative. Erstens die Portal-gun, die von Rick benutzt wird, um zwischen den Dimensionen hin und her zu reisen, wird manchmal auch dazu genutzt ins Weltall und wahrscheinlich auch durch die Zeit zu reisen, womit es sich bei einigen Lösungen etwas einfach gemacht  wird.  Der Zweite ist die Gefahr, dass man sich zu sehr auf Wortspiele und vulgären Humor konzentriert und deshalb zu viele andere Aspekte vernachlässigt  werden, was aber bisher auch nur in ein oder zwei Episoden der Fall war.




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Meiner Meinung nach ist Rick and Morty eine sehr gute Serie, Ricks Charakter, der Aufbau der Serie und    das ewige Spiel mit dem Zuschauer, das alles gefällt mir. Bei Rick and Morty weiß man wirklich nie, was in der nächsten Folge passiert und wie diese aufgebaut ist. Die Philosophie aber setzt dem Ganzen die Krone auf. Es hat eine gewisse Paradoxie, dass es die Serie gerade durch die extremen absurden Fantasy-Elemente schafft, auf essenzielle realistische Fragen einzugehen. Diese Serie ist ohne Zweifel ein Cartoon und bedient sich an Vorgängern reichlich, bringt aber trotzdem so viel Neues in den Bereich. Ich mag diese Serie sehr, doch gerade deshalb hoffe ich, dass sie die Serie nicht endlos werden lassen, weil sie so gut läuft, sondern dass sie sie mit der 6 Staffel spätestens enden lassen. Anders könnte ich mir nicht vorstellen, wie die Serie dieses Niveau langfristig halten können will.


Doch alles in allem, was will die Serie uns Zuschauern nun eigentlich sagen. Vielleicht bringt es ja dieses Zitat von Morty auf den Punkt:


„Nobody exists on purpose, nobody belongs anywhere, everybody's gonna die. Come watch TV.”







3 Kommentare:

  1. Ich lieb die Serie!!! Super Kritik!!!! Ich hab die Serie wieder vor meinen innerem Auge wenn ich sie sehe!!!

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. + Es kommen stumme hs vor
    - die Bilder sind eine Schande für meine Augen

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