TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 8. September 2017

Eine Sendung für Fußballromantiker - Stammtischfeeling beim "Doppelpass"

von Verena Meier 

Von Freitag bis Montag Bundesliga, Dienstag und Mittwoch Champions-League oder DFB-Pokal, donnerstags Europa-League – und dann geht es wieder von vorne los. Der Kalender vieler Fußballfans ist ab August wieder gut gefüllt. Und auch im Deutschen Fernsehen nimmt unser Volkssport Nummer 1 erneut viel Sendezeit ein. Seien es die Sportschau in der ARD, das aktuelle Sportstudio im ZDF, die 24 Live-Berichterstattung auf Sky oder die unzähligen anderen Spielzusammenfassungen und Analysen. Aber dennoch gibt es seit mittlerweile knapp 22 Jahren ein Format des Senders Sport 1, das sich doch von den vielen anderen unterscheidet – den Doppelpass




Jeden Sonntag bittet der Ex-Fußballer, Europameister von 1996 und Talkshow-Gastgeber Thomas Helmer pünktlich um 11 Uhr zur Gesprächsrunde im Hilton-Hotel am Münchner Flughafen. Seine Gäste sind meist Spieler, Manager oder Funktionäre von Bundesliga-Clubs, Sportredakteure bekannter Zeitungen oder gelegentlich andere Prominente. Dabei wirkt die Talkshow jedoch keineswegs wie eine Ansammlung von Personen, die sich vom normalen Fußballfan abheben, sondern mehr wie eine Gesprächsrunde am Fußballstammtisch. 

In einem lockeren Halbkreis wird über das aktuelle Fußballgeschehen der letzten Woche sowie über Entwicklungen verschiedener Vereine oder Spieler diskutiert. Mit dabei ist auch immer die „Frage der Woche“, die ein aktuell brisantes Thema behandelt und über die die Zuschauer abstimmen oder wozu sie sich am „Dopafon“ äußern können. Ein Muss für alle Fans, die gerne Mal zum Experten werden möchten. 

In der Sendung vom 27. August lautete die Frage der Woche beispielsweise, was Borussia Dortmund mit dem jüngst durch einen Transfer eingenommenen unvorstellbaren Betrag von 147 Millionen Euro machen soll. Durch das Einbeziehen der Zuschauer unterscheidet sich das Format am meisten von anderen Sportformaten, die lediglich berichten und informieren. Beispielsweise können Zuschauer beim Doppelpass neben der Beteiligung an der Frage der Woche auch mit Kommentaren in sozialen Netzwerken oder Nachrichten am Telefon die Sendung mitgestalten. Eine Auswahl der Kommentare und Anrufe wird vom Moderator vorgelesen oder abgespielt, so dass diese als Ausgangspunkt für neue Diskussionen dienen. Und auch die Zuschauer im Hotel selbst wirken nicht abgeschottet von den Talkshow-Gästen. Sie werden nicht in festen Reihen am Rande des TV-Bildschirms platziert, sondern sitzen locker verteilt in ihren Trikots um das niedrigen Podest der Sprechenden herum – das Bier griffbereit auf dem Tisch daneben stehend. Es gibt keine Absperrungen, keine offensichtlichen Sicherheitskräfte an jeder Ecke, wie es im Stadion der Fall ist. Dadurch entsteht das Bild einer Show zum Anfassen – Stammtisch-Feeling eben. 

Und nicht nur die Nähe, sondern auch die Akustik bestärkt das Bild einer Gesprächsrunde, die nicht perfekt und inszeniert wirkt, wie so vieles in der heutigen Fußballzeit. Es hallt durch den großen, offenen Raum im Flughafen; es sind zum Teil Hintergrundgeräusche zu hören. Fester Bestandteil ist außerdem eine Live-Band, von der vor und nach jeder Werbepause kurze Einspieler zu hören sind. Wichtigstes Mitglied des Doppelpass‘ ist jedoch ein anderer Stammgast, der jeder Woche in der Mitte des Halbkreises Platz nehmen darf – das Phrasenschwein. Verwendet einer der Anwesenden Redewendungen oder typische Fußballphrasen, muss er einen kleinen Betrag in eine Spardose in Form eines sitzenden Schweines mit blauem Trikot, einen Fußball unter dem Arm haltend, einzahlen. So wurden zum Beispiel am vergangenen Sonntag Journalist Jörg Althoff für seine Aussage „Tatsache ist, dass Menschen Fehler machen“ im Bezug auf die Diskussion über den Nutzen des Videobeweises oder Thomas Helmer für seine Phrase „ein Spiel dauert bekanntlich 90 Minuten“ um ein paar Euro erleichtert. 

Am Ende einer Saison wird dann der gesamte Betrag einem guten Zweck gespendet. In einer Zeit, in der nicht nur Freistoßvarianten, sondern auch sämtliche Antworten in Interviews oder auf Pressekonferenzen einstudiert wirken, illusioniert der Doppelpass ein Stück Normalität für Fußballromantiker. Die ein oder andere unangenehme Frage, die die Gäste in Erklärungsnot bringt, oder auch amüsante Fragen erfrischen die Sendung. So erkundigte sich beispielsweise Thomas Helmer bei Hans Meyer, Präsidiumsmitglied bei Borussia Mönchengladbach, ob er denn am vergangenen Samstag, als seine Mannschaft bereits 35 Sekunden nach Anpfiff in Rückstand geriet, überhaupt schon an seinem Platz gesessen, oder noch seine Bratwurst zu Ende gegessen habe. Dieser antwortet etwas verlegen lächelnd, er habe tatsächlich „noch Würstchen“ gegessen. 

Zum Ende jeder Sendung stoßen die Talkshow-Teilnehmer dann noch mit einem Bier an – so wie es sich am Stammtisch eben gehört.

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