TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Donnerstag, 7. September 2017

Sense8 – eine Geschichte globaler Empathie

von Sophia Lattermann 

Die Serienproduktion von Sense8 nimmt in der Top Ten der teuersten Produktionen von Netflix mit 100 Millionen Dollar pro Staffel den ersten Platz ein. Marco Polo folgt mit 90 Millionen Dollar und schließlich setzt sich House of Cards mit 60 Millionen Dollar pro Staffel auf Platz 3. Umso überraschender war die Ankündigung, die Serie nach zwei Staffeln Investition zu streichen. Genauso groß war jedoch der Protest: Mit Unterschriften und Petitionen der Fans erreichten die Unterstützer der Serie eine weiterführendes Finale der Serie.
Hinter der Serie Sense8 steckt eine globale Geschichte, die 8 Personen aus unterschiedlichsten Kulturen und Regionen miteinander verknüpft. Die Wahrnehmung der Charaktere wird so verändert, dass sie sich gegenseitig besuchen, miteinander kommunizieren und sogar für kurze Zeiträume das Handeln von den mit ihnen verbundenen Personen übernehmen können. Mit gegenseitiger Unterstützung und dem Austausch von Fähigkeiten helfen sie sich stetig gegenseitig, retten sich aus gefährlichen Situationen und sind füreinander da.

Der Zuschauer reist dabei in die unterschiedlichsten Kulturen und Lebenssituationen. So folgt man Capheus nach Nairobi in Kenia und lernt das Leben im Slum Nairobis mit einer an Aids erkrankten Mutter kennen und den Kampf um die Medikamente. Man lernt Kala kennen, eine Pharmazeutin in Mumbai, Indien, die zu Beginn der Serie kurz vor der Ehe mit dem erfolgreichen Sohn des Firmenbesitzers steht, den sie jedoch nicht liebt. Man lernt Lito kennen, einen homosexuellen Schauspieler, der sich aus Angst um seine Karriere nicht outet, jedoch heimlich mit seinem Freund zusammenlebt. Man tritt ein in die asiatische Kultur in Seoul Südkorea und lernt das Leben von Sun kennen, eine heimliche Tochter eines reichen Firmenbesitzers mit unglaublichen Fähigkeiten der Kampfkunst. Die führt einen Kampf mit ihrem Bruder, für den sie ins Gefängnis ging, um ihn und die Firma zu schützen. Dazu kommt Riley, eine D-Jane aus Island, die momentan in London lebt und ihre Heimat aus persönlichen Gründen verlassen hat. Zu den acht Personen gehören außerdem Will, ein Polizist aus Chicago, Wolfgang aus Berlin, der auf die schiefe Bahn geraten ist und zu Beginn einen Diamantendiebstahl begeht und letztlich Nomi aus San Francisco, die transgender ist und mit einer Frau zusammenlebt. 

Nach und nach erfährt man den Hintergrund und die Geschichte der Charaktere und taucht ein in die unterschiedlichen Handlungsstränge, die sich mit der Zeit immer mehr miteinander verknüpfen. Der Einstieg in die Serie fällt nicht unbedingt leicht, sondern setzt eine gewisse Geduld voraus. Umso spannender wird die Serie im Verlauf, da sich die Charaktere immer besser kennen lernen. Im Verlauf lernen die Personen, dass sie aufgrund einer Mutation eine eigene Spezies sind: Die Sensates, die einen erweiterten Verstand besitzen. Jeder Sensate ist mit sieben anderen Sensates verbunden, die gemeinsam eine geschlossene Gruppe, ein Cluster darstellen. Untereinander gibt es eine grenzenlose Empathie. Über jede Distanz hinweg können sie am Leben der anderen teilnehmen, mitfühlen und die Kontrolle über die Fähigkeiten und den Körper übernehmen. Die Sensates sind ein globales Netzwerk, die sich jedoch versteckt halten. Vor allem aus Angst vor einer Organisation, die die Sensates jagt. Der Gegenspieler des Clusters im Zentrum ist Mr. Whispers, der zu besagter Organisation gehört. Er jagt speziell dieses Cluster erbittert um die Sensates für eigene Zwecke zu missbrauchen und die Gruppe auszulöschen. 

Die Serie entstammt der Feder der Wachowski-Geschwister, die berühmt sind für ihre Schöpfung The Matrix Ende der 90er Jahre. Interessant ist dabei, dass die Autoren bereits mit ihrem Werk „Cloud Atlas“ auf ein ähnliches Konzept anspielte: die Verknüpfung zwischen allen Menschen. Auch in dem Werk „Cloud Atlas“ ließen die Autoren verschiedene Handlungsstränge der Welt in unterschiedlichsten Zeiten miteinander verschwimmen. Sense8 bedient sich zwar einem ähnlichen Schema, bleibt jedoch in ein und derselben Zeitspanne. 

Sense8 ist eine Serie, die hohen Unterhaltungswert hat, jedoch noch mehr Potenzial entfalten könnte. Die ersten Folgen der ersten Staffel zeigen sich als sehr spannend, jedoch zieht sich das Kennenlernen unter den Charakter und die immer wiederkehrenden Fragen zu Beginn (Wer bist du? Wer bin ich? Wo bin ich?) ein wenig in die Länge und fordern den Zuschauer die Geduld ab, dabei zu bleiben. Trotzdem werden die eigenen Plots der einzelnen Charaktere sehr abwechslungsreich und spannend erzählt. Die gemeinsame Story der Charaktere kommt jedoch zu Beginn nur schleppend voran. Der große Handlungsstrang der Sensates und die Verknüpfung ihrer Leben dauert. Die anfängliche Geduld, die das Publikum aufbringen muss, lohnt sich jedoch. Die Serie nimmt sich Zeit auf die Figuren einzugehen, erzählt realitätsnah langsam die inneren Konflikte und Probleme, die die Charaktere treibt. Das Verhalten der Charaktere in ihrem Umfeld lassen sich dabei einfach nachvollziehen und bieten viel Grundlage zum Sympathisieren und Identifizieren, da sie in ihrem Handeln sehr menschlich und nachvollziehbar bleiben. 

Die Einzelgeschichten der Protagonisten handeln von Kämpfen und Protest gegen gesellschaftliche oder familiäre Zwänge und Konventionen. Sie fallen aus dem Raster des Bekannten und greifen alle gesellschaftlichen modernen Debatten auf. Die Serie funktioniert vor allem durch die starke zwischenmenschliche Empathie, die kraftvolle und sinnliche Szenen schafft. Die Serie schafft es eine eigene Idee zu entwickeln, die von dem Konzept erzählt, dass das Einfühlen und die Empathie, die Menschen füreinander entwickeln können und sollen, alles überwindet. Mit ihrer Gruppendynamik und ihrem gegenseitigen Verständnis überwindet das Cluster Herausforderungen, Konflikte und Vorurteile. 

Sense8 schafft meiner Meinung nach ein eigenes Universum. Der Serie gelingt es 8 facettenreiche Protagonisten zu erschaffen mit Geschichten, über die man gerne mehr erfahren möchte und die einen zum Dranbleiben reizen. Die Serie schafft ein Bild aus gegenseitiger Empathie ohne zu übertreiben und spielt in diesem Kontext ihre Stärken aus. 

Dazu kommen bildreiche und überzeugende Sequenzen aus verschiedenen Kulturen der Welt. Dem Zuschauer eröffnen sich neue Lebenswelten und Bildmaterial, das das Publikum oft genug verzaubern kann. Der Sprung zwischen den Ländern und Kontinenten unserer Welt begeistert. Die Grundidee einer Verknüpfung über Distanzen und Kulturen hinweg ist interessant und bietet noch viel mehr Potenzial, um das Publikum zu reizen. 

Zusammenfassend ist Sense8 eine Serie mit viel Potenzial, die dieses zum Teil besser ausspielen müsste. Durch Bildreichtum, interessante Charaktere und auch actionreiche Kampf- und Gewaltszenen bietet die Serie eine interessante Abwechslung in der Serienwelt. Abzuwarten ist das weiterführende Serienfinale, das Netflix nun noch finanziert. Wenn Sense8 eingestellt werden sollte, wäre es, trotz einiger Schwächen der Serie, schade um die Idee und die Charaktere, die im Universum Sense8 entwickelt wurden: Grenzenlose Empathie und interkultureller Austausch über den ganzen Globus über Konventionen und Zwänge hinweg. Die Serie steht für ein tolerantes und unterstützendes Miteinander, das die Welt miteinander verbindet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen