TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 4. September 2017

Das Fernsehmagazin für den frühen Vogel. Sat 1 Frühstücksfernsehens

von Johanna Lackermeier 

Das Sat. 1 -Frühstücksfernsehen – ein Fernsehmagazin, welches aufgrund seiner zugegeben doch sehr frühen Sendezeit von 5:30 Uhr bis 10:00 Uhr, wohl jedem Langschläfer kein Begriff ist. Doch möchte man einigen Statistiken Glauben schenken, die sich auf die Einschaltquoten berufen, so handelt es sich beim Frühstücksfernsehen, welches seit etwa 30 Jahren wöchentlich von Montag bis Freitag ausgestrahlt wird, um das beliebteste Morgenmagazin vor „Guten Morgen Deutschland“ (RTL) und dem „ZDF-Morgenmagazin“. 




Neben Berichten zu aktuellen Themen, Nachrichten, Interviews von mehr oder weniger berühmten Gästen, Rezept-/Sex- und Lifestyletipps, dem Wetter und einem Horoskop, darf auch ein tägliches Gewinnspiel nicht fehlen, um eine möglichst große Zielgruppe an Frühaufstehern anzusprechen. Dabei gibt das Team, bestehend aus Marlene Lufen, Alina Merkau, Matthias Killing, Karen Heinrichs und Daniel Boschmann, um den Studiohund Lotte ihre Moderation zum Besten. Mit stets guter Laune, perfekt durchgestylt, und immer einen kecken Witz auf Lager widerspricht das jeweilige Moderationsduo jedem Klischee eines missgelaunten Morgenmuffel, wodurch deren Arbeitsenthusiasmus auf den Zuschauer ansteckend wirken kann. 


Unglücklich gewählt wirken jedoch die Übergänge zwischen den einzelnen Berichten einer Sendung, was vermutlich aufgrund des fehlenden inhaltlichen Gesamtkontextes des Magazins zu Trage kommt und daher weniger auf die Inkompetenz der Moderatoren zurückzuführen ist. So folgt auf einen Bericht über die aktuellen Ausschreitungen des Schwarzen Blocks während des G20 Gipfels in Hamburg die neue Internetrubrik „Kennsu?“. Zunächst wird versucht, mich als Zuschauer mittels Kriegszustand ähnlichen Bildern von Feuer, Gewalt usw., die natürlich mit theatralischer Musik untermalt werden, emotional zu ergreifen, um mich dann durch witzige Pannen- oder süßen Tiervideos aus dem World Wide Web wieder auf die intellektuelle Ebene zurückzuführen, die SAT. 1 augenscheinlich von ihren Zuschauern in der Früh erwarten kann. Oder ein zweites Beispiel: Gerade noch ist ein Bericht über die verrücktesten Selfie-Typen im Urlaub zu sehen, dann das Modera-torenteam am Fußboden des Studios liegend und, beim Versuch die beste Selfiepose zu finden, scheiternd. Man möchte glauben ein treffender Zusammenhang zwischen Bericht und Moderation möchte nun bestehen, doch man wird schnell enttäuscht: Alina Merkau und Matthias Killing, immer noch auf den Boden liegend und erfüllt von Heiterkeit (wegen des missglückten Selfies) moderieren einen Bericht über die Depressionen der Sängerin Kesha an. Für mich eine ungeeignete Situation eine solche ernsthafte Thematik einzuführen.


Doch Stopp! Bevor der Zuschauer der Sendung (und auch der Leser dieser Kritik hier) sich überhaupt irgendeiner Thematik der relativ kurzen Berichte annähern kann, wird er, wie will man es auch anders erwarten, durch zahlreiche Werbepausen unterbrochen. Nach kurzer Vorstellung der folgenden Themen nach der Werbung darf das Gewinnspiel nicht fehlen. Doch mir kommt es so vor, als würde sich der Jackpot ins Unendliche mehren und die Gewinnchance bis ins Unendliche durch den Sender gedrückt werden. Zumindest habe ich, obwohl ich doch seit Jahren regelmäßig das Frühstücksfernsehen schaue, noch niemanden den Jackpot gewinnen gesehen. Vielleicht sollte man lieber auf das Horoskop warten, um sich über eine potentielle Glückssträhne zu informieren. Moderiert durch Kirsten Hanser erklärte sie diesen Dienstag Jungfrauen zum Glückspilz des Tages, bevor sie sich wie jedes Mal mit einem mehr oder weniger philosophischen Spruch oder ein Gedicht beim Zuschauer verabschiedet.


Was fehlt jetzt noch neben pseudo-zusammenhängenden Berichten, Gewinnspielen und dem Horoskop? Sicherlich die aktuellen Nachrichten, um über das Weltgeschehen mit den Arbeitskollegen diskutieren zu können. Doch die Nachrichten im Frühstücksfernsehen, die in dieser Sendung wahrscheinlich von der meisten Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit zeugen, sind weitaus weniger für eine kritische Analyse interessant, da sie sich kaum von anderen Nachrichtensendungen unterscheidet. Vielmehr soll hier noch ein Blick auf die „Gesundheits-Rubrik“ mit Charlotte Karlinder geworfen werden. Gerade unsere immer mehr gesundheitsorientierte, chiasamenliebende und fitnessorientierte Gesellschaft könnte hier enormes Potenzial des Frühstücksfernsehens vermuten. Doch leider muss ich auch hier sagen, dass das dieses Potenzial nicht ausgeschöpft wird: Eine Zecke, die durch ihren Biss den Wirten durch plötzliche Fleischallergie zum Vegetarier macht und eine Atemübung, die das hartnäckige Unterbauchfett wegzaubern soll – für mich für den Alltag. Auch Charlotte Karlinder, die vor ihrer SAT. 1 Karriere bei RTL 2 die Live-Moderation von Big Brother übernahm, zeigt sich als Tippgeberin für gesundheitliche Themen wenig glaubhaft.


Zusammenfassend kann man schließlich festhalten, dass die Moderatoren es durch ihre ansteckend gute Laune schaffen den Tag besser zu starten. Zudem bietet das Frühstücksfernsehen durch die Vielfältigkeit der Themen unterschiedlichen Interessen des Zuschauers Raum. Doch legt man Wert auf brandneue Nachrichtenerstattung und ein intellektuell anspruchsvolles Niveau zur Wissensaneignung vor dem Arbeitstag, ist man hier an der falschen Stelle. Trotz Wiederholungen von Berichten, Horoskop und flachen Internetvideos schalte ich immer wieder gern zu Kaffee und Croissant das Frühstücksfernsehen ein, um mich nebenbei nicht in erster Linie auf einen neuen Wissenstand zu bringen, als vielmehr mich unterhalten zu lassen, um besser gelaunt zu sein. Das Sat 1. Frühstücksfernsehen schafft es den Morgenmuffel aus mir zu treiben und vielleicht ist auch gerade dies das vordergründige Ziel der Sendung.

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