TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 12. September 2017

Royal Pains: Ein Feel-Good Rezept

von Katharina Harbach
 
Warum sehen sich Leute gerne Ärzte im Fernsehen an? Ich weiß es nicht, zähle mich aber auch nicht zu dieser Spezies. Den Kleinmädchentraum Tierärztin zu werden habe ich früh wieder verworfen und auch ansonsten sehe ich mir lieber anderes an, als Leute, die an anderen herumschnippeln. Doch eine dieser sogenannten Arztserien hat es tatsächlich geschafft, auch mich vor den Fernseher zu fesseln, auch wenn auf eklige Operationen nicht völlig verzichtet wird. Die Rede ist von der Dramedy-Serie Royal Pains, die beim Zuschauer Urlaubssehnsüchte weckt


Da wird die protzige Luxus-Villa zum OP-Saal, wenn Hank und Kollegin Dyvia zu Hilfe eilen…natürlich im gepflegten Freizeitoutfit.


Die Hauptfigur, Doctor Henry, genannt Hank Lawson, ist nämlich Hausarzt in den wunderschönen Hamptons. Wie es ihn aus dem sterilen New Yorker Krankenhaus, in dem er vorher tätig war, in dieses Paradies verschlagen haben, erfahren wir in der Pilotfolge: Um einen Straßenjungen zu retten, ließ er den reichen Sponsor des Krankenhauses versehentlich sterben… und sorgte dadurch für seine Kündigung. Zur Ablenkung des in Selbstmitleid und Binge-Watching versunkenen Hank schleppte ihn sein Bruder Evan in die Hamptons. Dort rettete der arbeitslose Arzt auf einer Party einer Frau das Leben … und wurde somit über Nacht zum Privatarzt der Reichen und Schönen. Gemeinsam mit Evan und der Inderin Divya Katdare gründet er den Hausarzt-Service HankMed und behandelt Patienten entweder in ihren protzigen Villen oder im Gästehaus des adligen Milliardärs mit dem wahrhaft exotischem Namen Boris Kuester von Jurgens-Ratenicz, der Hank und Evan bei sich wohnen lässt.



Ich finde, allein schon für eine bei Arztserien eigentlich ungewohnte Ästhetik lohnt sich die Serie. In jeder Folge gibt es immer wieder eingeschobene Clips in denen die Kamera in Vogelperspektive den Strand, das Meer, die kompletten Hamptons und natürlich Boris riesigem luxuriösen Anwesen entlang gleitet. Bei diesen schönen Sequenzen kommt man ins Schwärmen und Träumen und schaltet daher immer wieder gerne ein - vor allem wenn man wie ich nicht vordergründig Fan von Arztserien ist. Diese Wirkung der Ästhetik haben auch die Macher erkannt und zu ihrem Nutzen gemacht. So ist mir aufgefallen, dass ab den späteren Staffeln die Sättigung hochgeschraubt wurde, um das Wasser noch blauer und klarer, die Kleider farbenfroher und die Haut gebräunter wirken zu lassen.



Doch auch wenn der Titel der Sendung Royal Pains, also königliche Schmerzen lautet, geht es dort nicht nur um die Elite der Hamptons. Schon in der Anfangs beschriebenen Pilotfolge wird deutlich, dass Hank nicht der klischeehafte Hausarzt ist, der einfach seinen Scheck abholt und wieder fährt. In nahezu jeder Folge gibt es neben einem vermögenden Klienten, der Hank und Co wegen größerer und kleinerer Wehwechen zu sich bestellt, auch einen Patienten, dessen Erkrankung dem Team zufällig im privaten Umfeld auffällt und der daraufhin unentgeltlich von HankMed behandelt wird. Die Probleme dieser unterschiedlichen Gesellschaftsschichten werden dabei in vielfältiger Weise beleuchtet, da sie sich oft ähneln aber genauso häufig unterscheiden. Die einen bekommen im örtlichen Krankenhaus nur die unzureichende Standardbehandlung während die anderen es nicht riskieren wollen, dass die Presse von jeglichen Krankheiten Wind bekommt, was ja dem Prestige schaden würde. Da wird schon mal ein MRT-Röntgengerät extra aus dem Krankenhaus eingeflogen und das Wohnzimmer wird zum OP. Daraus folgt dass „die Reichen- und auch die nicht ganz so Reichen einen Typen brauchen der Hausbesuche macht”, wie Hank in der ersten Staffel jede Recap beendete.



Obwohl wenn es natürlich nur selten vorkommt, dass Dr. Lawson einen Patienten verliert, läuft die Behandlung nie wie am Schnürchen. Mal ignorieren die Patienten aus Geldnot oder Bequemlichkeit jeden guten Rat des Hausarztes, hin und wieder stellt sich eine anfangs harmlose Krankheit als etwas viel größeres mit fatalen Folgen heraus. In letzter Sekunde und mit viel - womöglich nicht immer ganz realistischer - Improvisation wird Hank zum MacGyver der Medizin und schafft es, wie dieser berühmte Agent mit herumliegenden Alltagsgegenständen (eine Flasche Wodka, ein Teppichmesser, ein Kugelschreiber, ein wenig Plastikfolie) medizinische Wunder zu vollbringen. Diese Komplikationen lassen den Zuschauer die ganze Folge über am Bildschirm kleben, da es dadurch hin und wieder zu komischen, oft aber auch brenzligen Situationen kommt. Nicht selten wirken diese Krankheiten anfangs auf den ersten Blick völlig komisch und absurd, wie bei der Dame, die bei jedem Essen in Ohnmacht fällt oder dem Mann, bei dem ein bestimmtes Bild Halluzinationen hervorruft, bis diese anhand eines kleinen Details, welches erst im Laufe der Folge auffällt, plötzlich medizinisch plausibel werden.



Aber auch ansonsten bleibt bei Royal Pains der Humor nicht auf der Strecke. Dies wird vor allem dadurch erzielt, dass die Hauptcharaktere Hank, Evan und Divya unterschiedlicher nicht sein könnten - ein bewährtes Erfolgsrezept vieler Serien. Unter den beiden Brüdern ist Hank der ruhige und schüchterne, während der tollpatschige Evan nie die Klappe halten kann und auch mindestens dreimal pro Folge betont, dass er Finanzchef von HankMed ist. Divya als medizinisch technische Assistentin ist die Dritte im Bunde: Nach außen kompetent, klug, hin und wieder vor allem Evan gegenüber sarkastisch und schlagfertig. Bei diesem Trio gibt es immer wieder lustige Momente und mehr oder weniger starke Streits, wenn Evan seinen kamerascheuen Bruder mitten in die „Today Show“ schleppt oder das Team für Evans aufwendige und animationsgespickte Power Point Präsentationen zu Business Strategien nur ein müdes Gähnen übrig hat. Die Interaktion mit den wiederkehrenden Nebenfiguren eröffnet schließlich noch weitere Themenfelder wie natürlich die ein oder andere Romanze bis hin zur Familienplanung in den späteren Staffeln oder das Wiedersehen mit ihrem Vater, der sie im Kindesalter verlies. Hinzu kommt noch die Storyline um den undurchsichtigen Boris, der sowohl einen Hai in seinem Labor als auch noch ganz andere Geheimnisse verbirgt, wodurch sich Hank vorkommt, „als würde er mit einem James-Bond Schurken zusammenleben“.



Neben dieser bewährten Mischung aus Romantik, Witz und Intrigen hat die Serie noch weitere Elemente, die eher untypisch im TV sind. Denn Hank und Evan sind nicht nur Brüder und zumindest teilweise Ärzte, sondern auch Unternehmer, die sich aus dem Nichts heraus eine Existenz aufgebaut haben. Im Laufe der Serie unterliegen sowohl ihre Firma HankMed, als auch ihre eigenen Pläne über die berufliche Zukunft stets einigen Veränderungen. Da dieses Gründer-Thema und die damit thematisierten Probleme vor allem in Ärzteserien normal keine Rolle spielen, finde ich diesen Aspekt der Serie umso interessanter. Des Weiteren bietet auch Divyas indische Herkunft eine Menge Stoff für Konflikte und auch die Ansichten einer anderen, weniger beachteten Kultur zu den unterschiedlichsten Themen, allen voran Liebe und eigene Entscheidungsfreiheit.



Alles in allem bietet Royal Panik dem Zuschauer sehr viel Vertrautes mit Liebe, Familienproblemen, Geheimnissen und Situationskomik. Der Fan der Arztserie erhält zudem spannende und verblüffende Fälle und für alle anderen ist die Serie auch nicht allzu anspruchsvoll von der Handlung her. Gleichzeitig werden aber auch diese bisher in Fernsehserien eher unbeachteten Themen angesprochen und vor allem durch die Stimmung und das Setting hebt sich die Serie damit deutlich von anderen Arztserien ab. In den USA war Royal Pains bis zur letzten achten Staffel eine der am meisten verfolgten Serien im Kabelfernsehen. Bei uns in Deutschland haben vor RTL, Super RTL und seit neuestem auch sixx die neuen Folgen ausgestrahlt, dies meistens zu einer etwas späteren Uhrzeit um etwa 22 Uhr. Für mich war dies immer ideal, da ich gerne nach einer actiongeladenen, aufreibenden und verlustreichen Folge meiner Lieblings-Sci-Fi Serie zum Tagesabschluss zu Royal Pains eingeschaltet habe, um mit einem gutem Gefühl schlafen zu gehen. Denn in den Hamptons ist die Welt - zumindest meistens- in bester Ordnung.

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