TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 12. September 2017

Naked Attraction: "Bettina, zieh dir bitte etwas an!"

von Patrick Farkas

Therapeuten empfehlen, oft über Dinge zu schreiben, die man schwer verarbeiten kann. Insofern bot sich eine Fernsehkritik zu Naked Attraction geradezu an. Denn im Vergleich wirkt selbst das Dschungelcamp wie ein 5 Sterne Urlaub. RTL 2 bewarb ihre Sendung als „mutiges, soziales Experiment“. In Wahrheit ist es eine Kuppelshow a la Herzblatt, nur auf das Simpelste heruntergebrochen: Auf die Geschlechtsteile! Die Show möchte so beginnen, wie erfolgreiche Dates in der Regel enden: Nackt. Aber mal ganz ehrlich gesagt. Welches Date endet auf einer Bühne, dessen Menschen in billigen Plastiktelefonzellen gesteckt werden, in dem nackige Männlein/Fräulein stehen und inständig hoffen, auserwählt zu werden.

Die Person, die den großen Schwanz, äh die große Liebe sucht, hat dabei jeweils sechs Kandidaten zur Auswahl, die mit jeder Runde mehr von ihrem Körper enthüllen, angefangen mit den Geschlechtsteilen und erst am Ende bekommt man dann das Gesicht zu sehen. Die ganze Sendezeit wird leidenschaftlich über Brüste, Penisse und Pos philosophiert und bis zu 1,45 Millionen Menschen sahen das immer montags um 22:15 im Fernsehen an, so dass eine 2 Staffel bereits in Auftrag gegeben worden ist. Zu verurteilen ist das Ganze jedoch nur bedingt. Die Faszination, ein solches Programm im Fernsehen zu sehen, die Mischung aus Neugierde und Fremdscham, der Reiz fürs Obszöne oder eine Alternative für 13-Jährige, die noch eine Kindersicherung im Internet besitzen, haben an diesen durchaus hohen Einschaltquoten bestimmt einen Anteil daran. Ähnlich wie bei einem Autounfall möchte man wegsehen, schafft es aber nicht. 

Es wäre zu einfach, nur RTL 2 für diesen Schund zu kritisieren. Letztendlich hat der Zuschauer die Fernbedienung in der Hand und entscheidet, was er konsumiert. Und zusammen mit Freunden und/oder ein bisschen Alkohol kann man ziemlich viel Spaß mit Naked Attraction haben, auch wenn man es nur ungern zugibt. Das zeigt sich schon an den Gesprächen zwischen den Moderatoren und den Teilnehmern, die selbst einen Porno dagegen den Oscar im besten Drehbuch gewinnen lassen. Da sind dann so Sätze dabei wie: „Haben wir schöne Penisse für dich ausgesucht?“ „Ui, der steht ja schon….“ "Also der ist ja wirklich...ganz symmetrisch hängt der da... wie gemeißelt!" - Achtung es geht weiter: „Also meine Hand reicht da wahrscheinlich nicht, hihi “ oder „Schau mal! Der zittert ein bisschen. Süß“. Ein Möchtegern-Plasberg wiederum: „Der ist hart, aber fair“. Gezeigt werden diese Geschlechtsteile dann in Großaufnahme, perfekt von der Kamera eingefangen. Das Problem an der Sache: Hier geht es wirklich nur um die Oberflächlichkeit. Das Bild, welches den Zuschauern vermittelt wird, ist vollkommen falsch. Die Message, die uns RTL2 mit diesem Format verklickern will besagt: Hauptsache, dass der Penis des Zukünftigen schön gebogen ist, den Charakter eines Menschen kann man bei der Partnerwahl jedoch ruhig außen vorlassen. 

Ein Beispiel dafür: In einer Folge suchte eine Frau einen Mann, der wirklich kinderlieb ist. Sie entscheidet sich am Ende für einen Möchtegern Schwarzenegger. Er hatte den größten Penis, den besten Sixpack und Muskeln an Stellen, da haben manche noch nicht mal Stellen. Ganz klar – er musste einfach kinderlieb sein. Spätestens dann knallt man mit dem Kopf so lange auf den Wohnzimmertisch, dass ein Neukauf eines Tisches bei Ikea am nächsten Tag unvermeidlich ist. 

Ich hatte von vornherein nicht hohe Erwartungen an Naked Attraction, aber wenn man 60 Minuten lang ein intellektuelles Niveau eines abgebrannten Streichholzes präsentiert bekommt, findet man Burkas plötzlich gar nicht mehr so schlecht. Die billigen Dialoge, eine nervige C-Promi Moderatorin, die Oberflächlichkeit, der Anspruch möglichst anspruchslos zu sein, sind Faktoren, die höchstens für den Gewinn der goldenen Himbeere ausreichen. Dieses 1, 2, oder 3 Konzept: „Ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn der Schwanz aufsteht“ ist kein „spannendes Experiment“, sondern ein gescheiterter Versuch.

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