TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 6. September 2017

Goodbye Deutschland! – Auf (Nimmer-)Wiedersehen?!

von Jule Schmieder

Daniela Katzenberger und Familie Reimann – zwei Beispiele, die ihre „Prominenz“ einer Doku-Soap des Senders VOX zu verdanken haben. Goodbye Deutschland! Die Auswanderer begleitet seit 2006 Menschen, die ihr Leben in Deutschland satt haben und einen Neuanfang in der Fremde wagen. Ob alleine oder mit der Familie zieht es die Reiselustigen in die weite Welt, beziehungsweise geschätzte 90% aller Auswanderer nach Mallorca. 


Natürlich, das beliebteste Reiseziel der Deutschen ist schließlich am besten für einen Neustart geeignet, wenn, wie in den meisten Fällen, Englischkenntnisse eher sporadisch vorhanden sind. Ähnlich steht es meist auch um finanzielle Rücklagen, gründliche Vorbereitungen, sowie Job-Erfahrungen in der zukünftigen Branche. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine Auswanderung - Abenteuer, Drama und Tränen sind vorprogrammiert. Zumindest für eine Doku-Soap klingt dies nach einem echten Erfolgsrezept.

In jeder Sendung werden eine bis vier Familien bei ihrem Auswander-Abenteuer begleitet und der gesamte Ablauf für die Zuschauer dokumentiert. Besonders an dem Auswanderer-Format ist, dass einige Familien über mehrere Jahre hinweg begleitet werden. Wer regelmäßig dienstagabends um 20:15 Uhr einschaltet, bekommt häufig bekannte Gesichter zu sehen. So zum Beispiel die beiden Kult-Auswanderer und Möchtegern-Hippies Kathrin und Thommy Mermi-Schmelz, die bereits vor 10 Jahren die Öffentlichkeit an ihrer Auswanderung nach Brasilien teilhaben ließen. Nun zieht es die beiden in die deutsche Hochburg Peguera auf Mallorca, wo sie als Saisonarbeiter im „Kartoffelhaus“ aushelfen. 

„Raus aus der Komfortzone, den Horizont erweitern“, das war die Devise der Besitzer des Lokals, Katharina und Thorsten, die ebenfalls aus Deutschland auswanderten und kurzerhand das „Kartoffelhaus“ eröffneten. Dass beide absolute Gastronomie-Laien sind und nicht einmal kochen können, hielt sie nicht von ihrer spontanen Aktion ab, denn, wie Katharina betont, „die spontanen Entscheidungen sind meistens die besten“. Warum sollte man auch über ein Vorhaben wie das Auswandern lange nachdenken? Das scheinen sich zumindest einige der Familien, die in der Doku-Soap zu sehen sind, zu denken. Angekommen in der zukünftigen Wahlheimat zeigt sich jedoch schnell, dass eine Auswanderung einige Probleme mit sich bringt. 

Was erwartet den Zuschauer der Auswanderer-Soap? Wer, vom Fernweh geplagt, auf Einblicke in fremde Kulturen und traumhafte Aufnahmen aus dem Paradies hofft, wird bei Goodbye Deutschland! enttäuscht. Häufig landen die Auswanderer in touristischen Gebieten, wo sie, umgeben von anderen Deutschen, in provisorischen Unterkünften wohnen. Das Fernweh ist schnell verflogen. Die Doku-Soap zeigt vor allem die Probleme und Tücken, mit denen die Auswanderer zu kämpfen haben. Durch die vielen Interview-Einspieler, in denen sich die Familien offen zeigen, und ihre Träume, Ängste, Hoffnungen und Enttäuschungen äußern, entwickelt man als Zuschauer eine Mischung aus Mitleid und Scham für die oftmals naiven Auswanderer, die trotz schlechter Voraussetzungen den Schritt ins Ausland wagen. 

Fassungslos sieht man beispielsweise Familie Bauer dabei zu, wie sie absolut blauäugig, ohne dauerhaftes Visum, Job-Garantie und finanzielle Sicherheit, dafür aber mit „einem halben Zoo“, bestehend aus Hunden, Katzen und Kaninchen nach Bonaire in der Karibik aufbricht. Optimismus kann man das nicht mehr nennen. Doch je naiver die Familien und je riskanter die Auswanderung, desto eher hält das Format den Zuschauer vor dem Fernseher. Man möchte dann ja doch wissen, ob der Plan der Auswanderer (sofern man von einem Plan sprechen kann) aufgeht, und sich der Traum von einem neuen Leben erfüllt. Familie Bauer hatte auch bei ihrer dritten Auswanderung kein Glück. Auch nach sechs Monaten ist es dem Ehepaar und ihrer 18-Jährigen Tochter nicht gelungen, mit einem Unternehmen im Kreuzfahrttourismus Fuß zu fassen, und so müssen sie die Mission Auswanderung als gescheitert anerkennen. Trotz aller Naivität der Familie leidet man als Zuschauer schließlich doch ein wenig mit, als Vater, Mutter und Tochter enttäuscht die Rückreise nach Deutschland antreten. 

Dass eine Auswanderung jedoch durchaus auch gelingen kann, zeigen zum Beispiel Erfolgsgeschichten von Daniela Katzenberger oder Familie Reimann. Man muss dem Format lassen, dass es mit sowohl gelungenen als auch gescheiterten Auswanderungsversuchen beide Möglichkeiten des Verlaufs des riskanten Schrittes einer Auswanderung aufzeigt. 

Gerade das Risiko, welches jede Auswanderung mit sich bringt, und das Mitfühlen der Schicksale, ist es, wovon die Doku-Soap lebt. Damit ist sie zu einem echten VOX-Dauerbrenner geworden, der zufriedenstellende Einschaltquoten liefert. Diese beweisen, dass das Format für viele Deutsche einen guten Unterhaltungswert besitzt. Wer eine Auswanderung plant, wird sich dies allerdings nach einigen Folgen Goodbye Deutschland! noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen