TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 8. September 2017

Der Lehrer, den keiner von uns in der Realität hatte, sich vermutlich aber fast jeder gewünscht hätte

von Leonie Schnith 

Die Schulglocke klingelt, Hefte und Bücher werden geschlossen, Schulranzen gepackt, Türen aufgerissen und ungeduldige und genervte Schüler strömen in die Gänge, um sich ins Getümmel zu stürzen und den Schulalltag hinter sich zu lassen.


Meistens sieht so der Alltag in Schulen aus, genauso wie in der deutschen Dramedy-Fernsehserie Der Lehrer, die seit 2009 auf RTL ausgestrahlt wird. In dieser Fernsehserie, von der 2018 die sechste Staffel erscheint und von der jede Folge ca. 45 Minuten dauert, geht es um den Lehrer Stefan Vollmer, gespielt von Hendrik Duryn, der sich den Herausforderungen des Lehrer-Seins stellt. Denn er kehrt nach zehn Jahren Pause wieder als Lehrer zurück in den Schulalltag an die fiktive Gesamtschule Georg Schwerthoff, diese entpuppt sich jedoch regelrecht als Problemzone. Vollmer erhält gleich zu Beginn die chaotischste Klasse der ganzen Schule, jedoch schafft er es mit unkonventionellen Methoden, wie beispielsweise einer lauten Gashupe, die Aufmerksamkeit seiner Schüler zu erhalten. Durch seine etwas andere Umgangsweise mit ihnen bekommt er die Schüler in den Griff  und schafft es ihre Einstellung zur Schule zu ändern.

Beispielsweise muss Vollmer wieder seine ganzen pädagogischen Fähigkeiten in der fünften Folge von Staffel vier „Die Flatter, Horror, Hose voll!“ beweisen, da sich seine Klasse zurzeit in der Prüfungsphase befindet und Sprüche wie „Mein Kopf ist so voll vom Lernen, ich hab sogar meine eigene Telefonnummer vergessen“ auf der Tagesordnung stehen. Jedoch verhaut ein Schüler aus seiner Klasse die erste Prüfung absichtlich, was Vollmer dazu zwingt, ein ernstes Wörtchen mit ihm zu sprechen. Denn der Schüler gibt zu, dass er Zukunftsängste hat, weil er nicht weiß, wie es nach der Schule mit ihm weitergehen soll und meint: "Da draußen will mich doch eh keiner, Mann!". Wie gewohnt versucht Vollmer ihm daraufhin unter die Arme zu greifen und ihm zu helfen.


Aber was wäre eine Fernsehserie ohne Beziehungsdrama und den Höhen und Tiefen der Liebe? Nichts natürlich! RTL liefert dieses kleine Extra in weiblicher Form von Karin Noske, gespielt von Jessica Ginkel. Diese hübsche und etwas spießige Lehrerin kommt anfangs so gar nicht mit den unkonventionellen Methoden von Stefan Vollmer zurecht und die beiden geraten das ein oder andere mal aufgrund ihrer Unstimmigkeiten heftig aneinander. Doch wie heißt es so schön? Was sich liebt, das neckt sich. Nach mehreren Staffeln des Zankens und Anschmachtens der beiden, schaffen sie es Ende der 3. Staffel endlich eine Beziehung miteinander einzugehen, was nicht weniger spannende Aufs und Abs mit sich bringt.



Diese Rahmenhandlung mag wohl dem einen oder anderen Leser ziemlich bekannt vorkommen - und er liegt richtig: Unkonventioneller, gut aussehender Lehrer trifft auf chaotische Klasse und verliebt sich in seine ebenfalls gut aussehende, spießige Kollegin. Genau das sind die Zutaten zu dem Kinoerfolg Fack ju Göhte, der 2013 die Kinokassen klingeln ließ. Bora Dagtekin schrieb dazu das Drehbuch und führte die Regie, Frauenheld Elyas M'Barek war in der Hauptrolle zu sehen. Besonders durch seine witzigen Sprüche, wie „Chantal, heul leise!“ oder das Abschießen seiner Schüler mithilfe einer Paintballwaffe auf dem Pausenhof, weil sie nicht pünktlich in der Klasse erschienen sind, brachte dem Film schon fast Kultstatus ein. Dieser enorme Erfolg spiegelt sich auch in den Fortsetzungen wieder, der zweite Teil kam 2015 in die deutschen Kinos und der dritte Teil soll Ende 2017 erscheinen. Aufgrund den großen Ähnlichkeiten, die zwischen dem Film Fack ju Göhte und der Serie „Der Lehrer“ bestehen, wurde oft vermutet, dass der Film, welcher nach der Serie erschienen ist, ein Abklatsch von diesem ist und viele Handlungsverläufe nur kopiert worden sind. Jedoch kann zwischen einer Serie und einem Film, wie Fack ju Göhte nicht von Nachmache gesprochen werden, da beide ein grundsätzlich gleiches Thema behandeln, die Serie aber aktuelle Thematiken aufgreifen kann und ein völlig anderes Format hat.



Doch nun stellt sich die Frage, warum solche Schulserien beziehungsweise Filme so ein Renner im Fernsehen und auf der Leinwand sind? Wovon diese Filme wohl leben, sind ihre witzigen Sprüche und teilweise ziemlich schrägen Dialoge. Viele Unterhaltungen sind nicht die anspruchsvollsten und schwierigsten, jedoch bringen sie durch ihren Witz und Charme ein gewisses Leben in die Serie, was diese auszeichnet und der Zuschauer auch zu schätzen lernt. Diese witzigen Dialoge finden nicht nur zwischen den Hauptdarstellern statt, sondern auch zwischen einigen Nebendarstellern, die die Serie um einiges bereichern. Wo wir schon beim nächsten Punkt wären, die Charaktere, vor allem die männlichen Hauptdarsteller erfüllen fast durchweg ein bestimmtes Bild: jung, gut aussehend und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, wobei sie ihr Leben nie zu ernst nehmen und uns mit ihren relativ kleinen und unordentlichen Wohnungen und dem stets griffbereiten Bier im Kühlschrank ein wenig an die vielen Studentenbuden erinnern. 


Hendrik Duryn scheint wie geschaffen zu sein für diese Rolle des charmanten und aneckenden Lehrers, aber natürlich darf auch der weibliche Gegenpart nicht fehlen. Ein bisschen unscheinbar, spießig und doch genug Dickkopf, dass Karin Noske ihrem Gegenüber immer die Stirn bieten kann, sich beide voneinander angezogen fühlen und sich daraus eine Liebesgeschichte entwickelt, bei der der Zuschauer im heimischen Wohnzimmer nur so mitfiebert. Auch der Direktor der Schule spielt eine tragende Rolle, weil sich andere Charaktere (und die Zuschauer) über ihn lustig machen. Denn dieser erledigt mit einer ziemlichen Null-Bock Einstellung seinen Job und besitzt die ein oder anderen lustigen Macken.


Was ein weiterer wichtiger Punkt ist, sind die verschiedenen Themen, die in der Serie „Der Lehrer“ behandelt werden, sei es die Angst des Ungewissen nach dem Schulabschluss oder der erste Liebeskummer. Die Angst, in den Prüfungen nicht bestehen zu können, der Druck und die Erwartungen der Eltern oder Themen wie Essstörungen, Depressionen oder andere Krankheiten. All diese Themen werden mit dem nötigen Respekt, aber auch einer ordentlichen Prise Humor angegangen, sodass es angenehm ist, diese zu verfolgen, aber man trotzdem indirekt etwas mitnehmen kann aus den verschiedenen Folgen.

Diese schmale aber gelungene Gratwanderung zwischen dem Ansprechen ernster Themen und der nötigen Portion Witz, bringt dem Format auch einige Auszeichnungen ein. Die Serie „Der Lehrer“ wurde zum Beispiel 2009 mit dem deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Beste Serie ausgezeichnet, sowie 2014 mit dem deutschen Comedypreis für die beste Comedyserie.



Und zuletzt: Was wäre die Schule ohne ihre Schüler? Wie mit Chantal in "Fack ju Göhte", die mit Sprüchen, wie „Ganz ehrlich, Herr Müller, sind Sie geborderlined, sie Geisterkranker?!“ immer einen zum Lachen bringt, gibt es auch in "Der Lehrer" die etwas dümmliche, überschminkte aber doch sehr witzige und liebenswerte Schülerin, die mit ihren Sprüchen immer einen Lacher garantiert. Desweiteren gibt es noch einige Schüler mehr: von den typischen Strebern und Nerds, hin zu den Türkenprolls, die in diesen Formaten meist als die etwas dümmlicheren dargestellt werden.


Wie zu erkennen, ist alles recht stark mit Vorurteilen belastet, aber genau diese Tatsache sorgt auch für die nötigen Lacher und Witze, welche die Serie ausmachen. Schließlich will sich die Serie auch ein stückweit über das deutsche Bildungssystem und seine Fehler lustig machen. 

Jedoch muss angemerkt werden, dass manche Vorurteile doch sehr stark auf die Spitze getrieben werden und dadurch der ein oder andere Witz beziehungsweise Teile der Handlung langweilig oder schlicht zu übertrieben dargestellt werden. Aber vor allem die verschiedenen und witzigen Schüler machen dieses Format besonders. Die jungen Zuschauer können sich selbst und auch die eigenen ehemaligen oder aktuellen Mitschüler mit den Charakteren der Serie identifizieren und die etwas älteren Zuschauer werden ab und an auch mal wieder an ihre eigene Schulzeit erinnert. Denn Schulserien haben auch viel mit Selbstidentifikation zutun, jeder war wohl mehr oder weniger gerne in der Schule und hatte mal einen ganz netten Lehrer, aber auch mal einen Lehrer, mit welchem man nicht ganz so gut zurecht gekommen ist. Jedoch erinnert sich doch fast jeder gerne an die Schulzeit

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