TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 8. September 2017

The Night of - Kompakter Krimi mit Tiefgang

von Denis Tambic 

Nazir Khan (Riz Ahemd) wollte eigentlich nur auf eine Party von seinen Mitstudenten. Aus der Not „leiht“ er sich das Taxi seines Vaters, doch da er keine Ahnung von Taxis hat, weiß er nicht wie er den Wagen auf  „off duty“ stellt. Prompt steigt eine junge Frau (Sofia Black-D'Elia) ein und fordert eine Fahrt zum Hudson River. Völlig vereinnahmt von der attraktiven Mitfahrerin willigt er ein und am Ende des Abends landen beide in ihrer Wohnung. Als Nazir aus seinem postkoitalen Rausch erwacht findet er sie brutal erstochen in ihrem Bett und ergreift panisch die Flucht. So beginnt die achtteilige HBO Miniserie The Night Of und markiert damit die detailgenaue Aufarbeitung eines Mordes.




Ob in der noch in derselben Nacht stattfindenden Spurensicherung, den regelmäßigen Verhören, den Besprechungen mit der Staatsanwältin oder den Verhandlungen im Gerichtssaal: die Serienmacher Richard Price und Steven Zaillian legen vor allem auf eines Wert: Realismus. Was noch nicht einmal so verwunderlich ist, da Price damals als einer der Autoren für die Krimiserie The Wire fungierte, die für ihre realistische Darstellung Baltimores bekannt ist. Das soll allerdings nicht heißen, dass die Serie durch ihren starken Realitätsbezug Spannung einbüßt. Im Gegenteil. The Night Of ist binge-watch Material vom Feinsten und versteht es, den Zuschauer mit eben genau diesen realistischen Details und Charakteren konstant bei Laune zu halten.


Meine Theorie, warum die Serie diesen auf den ersten Blick schwierigen Spagat so gelungen meistert: The Night Of arbeitet mit den Gegebenheiten des Szenarios, nicht dagegen und findet dort ihre Konflikte und Themen. Viele police procedure Shows zeichnen sich durch ihre Archetypen und Klischees aus. CSI Miami zum Beispiel ist bekannt für ihre sehr unwissenschaftlichen digitalen Zooms auf Details, um neuen Hinweise auf die Spur zu kommen. Auch der Charakter des Horatio Kaine besticht mehr durch seine unverwechselbare Coolness, als durch nachvollziehbare Charaktereigenschaften.

Kontrastieren wir das mit The Night Of und wir erhalten vollkommen überarbeitete Streifenpolizisten, die früh morgens einen Tatort sichern müssen und Dennis Box, einen Ermittler, der kurz vor dem Ruhestand noch einen Mord klären soll und sich Nazirs Schuld sofort bewusst ist. Auch entscheidend ist, dass The Night Of nicht nur den Mord und dessen Ablauf thematisiert, sondern alle Aspekte, die ein solcher Fall mit sich zieht. Ein klares Highlight der Serie, das uns durch diese Herangehensweise gewährt wird, ist Naz Familie und deren Kampf mit den Behörden, unmöglich hohen Anwaltskosten und dem Hass und Misstrauen ihrer Gemeinde, die unter dem Medientumult leidet.


Ein weiterer Aspekt der The Night Of zugute kommt ist seine Länge. Mit nur 8 Folgen gelingt es der Serie, ihre Geschichte ohne unnötige Filler zu erzählen und hält damit ein gutes Tempo. Außerdem ist es generell ein erfrischendes Gefühl, eine TV Serie zu genießen, ohne dass daraus eine langjährige Verpflichtung wird. True Detective und zu einem gewissen Grad auch Fargo folgen der gleichen Idee und erzählen jede Staffel eine neue Geschichte mit minimaler oder gar keiner Bindung zur vorhergegangenen. Trotzdem bleibt mit dieser Anzahl an Folgen immer noch genug Raum für Geschichten mit einer erzählerischen Tiefe, die nur schwer im Film möglich sind. Eine gute Balance, wie ich finde, was natürlich vielen Zuschauern zu kurzweilig erscheinen könnte, eben genau weil sie den Charakteren weiter folgen wollen und ich wäre nicht sonderlich fair, wenn ich dem Leser vorenthalten würde, dass der ursprüngliche Pitch an HBO für eine für weitere Staffeln offene Serie war. Leider hat zum Zeitpunkt dieser Kritik The Night Of noch keine Ausstrahlung im Free Tv genießen können, ist aber schon auf DVD und Bluray erhältlich .

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