TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 6. September 2017

Die Bachelorette – eine Reise für die Liebe, oder doch die Karriere?

von Madeleine Bissinger 

Es ist wieder soweit. Nachdem im Winter bereits die siebte Staffel der TV-Flirtshow Der Bachelor ausgestrahlt wurde, ist Jessica Paszka seit letztem Mittwoch im weiblichen Pendant Die Bachelorette – zumindest offiziell – auf der Suche nach ihrem Traumprinzen. Auch in der vierten Staffel bleibt RTL seinem Prinzip treu. Zwanzig flirtwillige Männer kämpfen Woche für Woche um die letzte Rose oder jedenfalls darum, möglichst viel Werbefläche für sich zu gewinnen.
Um die Glaubhaftigkeit des Formats auch in der vierten Staffel aufrecht zu erhalten, verdeutlicht Jessica bereits in der ersten Szene der Sendung, dass sie hier ihre große Liebe finden will, die für immer hält. Ein großes Vorhaben, nachdem die Beziehung ihrer drei Vorgängerinnen sowie auch ihrer Vorgänger mit nur einer Ausnahme durchgehend gescheitert sind. Man mag der 27-jährigen vielleicht nicht unterstellen, dass sie nicht auf der Suche nach ihrem Traummann ist, der vermutlich wahre Grund ihrer Teilnahme wird jedoch bereits innerhalb der ersten fünf Minuten der Sendung preisgegeben. Seit ihrer Teilnahme als Kandidatin beim Bachelor steht Jessica nach eigener Angabe nur noch vor der Kamera. Tatsächlich war Jessica seither unter anderem bei Das perfekte Promi-Dinner, mieten, kaufen, wohnen, taff, und um ihren Wunsch nach Aufmerksamkeit erneut zu verdeutlichen, letztes Jahr auch bei Promi Big Brother zu sehen. Ihr Erfolg dabei blieb jedoch gering, was auch dadurch bestätigt wird, dass sie gerade von einem der zwanzig Kandidaten erkannt wird. Auch ein Plattenvertrag hat nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Ihre Single Hemmungslos, die im Juli 2014 erschienen ist, blieb ohne Charterfolg. 

Die Szene, in welcher die Kandidaten mit dem Bus in ihre Unterkunft in Marbella gefahren werden, erweckt eher den Eindruck, eines Männerausfluges einer Kreisliga-Fußballmannschaft. Und auch in ihrer luxuriösen Villa angekommen, scheint die Bachelorette völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Auffällig ist auch, dass einige Kandidaten, als sie der Bachelorette vorgestellt werden, diese nicht einmal nach ihrem Namen fragen. Bemerkenswert bleibt, wie offen RTL mit den eigentlichen Absichten sämtlicher Kandidaten umgeht, indem diese in der Sendung sogar als „potentielle Herzensbrecher“ betitelt werden. 

Um zu verhindern, dass der Zuschauer trotz gelegentlicher grammatikalischer Probleme sowie übermäßigem Einsatzes von Anglizismen wie „Der View, ey!“ auf Seiten der Kandidaten nicht ausschaltet, setzt RTL bei der Vorstellung der Kandidaten auf viel nackte Haut. So werden sowohl bei Sportler Sebastian als auch bei Model Michi die Muskeln in Großaufnahme in Szene gesetzt. Oberkörperfrei versteht sich. Szenen, in denen beim Bachelor Dekolletee gezeigt wird, werden hier scheinbar durch Muskeln und Tattoos ausgeglichen. Die Darstellung der Kandidaten durch RTL stimmt nahezu komplett mit deren Eigenwahrnehmung überein. An Selbstbewusstsein und Selbstüberzeugung mangelt es jedenfalls nicht. Dementsprechend hoch sind natürlich auch deren Erwartungen an die Bachelorette. Die Oberflächlichkeit innerhalb der Sendung hätte man nicht besser verdeutlichen können, als Marco mit der Beschreibung seiner Traumfrau mit den Worten „Optisch wie ‘n Model, Charakter von ‘ner Dicken“. Ein weiteres Beispiel für die keinesfalls materialistisch geprägte Wahrnehmung der Kandidaten bietet Kandidat Julian mit seiner Aussage „Meine Villa, mein Haus, meine Frau“. 

Dies sollen jedoch längst nicht die letzten Aussagen des Abends bleiben, bei denen man sich zwischen Belustigung und Fremdscham entscheiden muss. Während Julian im Gespräch mit Manuel mehrfach erwähnt, dass Manuel ihn bezüglich seines Charakters kenne, was innerhalb der bis zu diesem Zeitpunkt vergangenen Drehzeit unmöglich ist, erklärt Kandidat Martin, mit den leider ernst gemeinten Worten „Ich arbeite als Kundenberater. Ich berate Kunden“, wie er seinen Lebensunterhalt bisher finanziert. Auch Basti, der als Gästebetreuer auf dem Kreuzfahrtschiff, wer hätte es gedacht, die Gäste betreut, überzeugt mit seiner Wortgewandtheit. Vielleicht kann die beiden ja die Aufmerksamkeit durch das Format von ihrem faden Berufsleben befreien. Aufmerksamkeit dürfte Alexander auch durch seine plumpen Komplimente erregt haben. Spürbar angetrunken spricht er Jessicas Kurven an, um dann im selben Atemzug zu erwähnen, dass „der moderne Begriff von Kurven eigentlich fett [ist]“. Dass er Jessica „aber einfach nur geil“ findet, kann ihn auch nicht mehr aus der Situation retten. 

Nachdem die Bachelorette die Kandidaten mehr oder weniger kennenlernen durfte, muss sie sich zurückziehen, um sich gegen die Kandidaten entscheiden, die für sie, oder vielleicht auch RTL, am wenigsten infrage kommen. Und somit mussten bereits in der ersten Folge drei Kandidaten ohne Rose nach Hause gehen. 

Während man eigentlich meinen könnte, dass das Format ein Zeichen der Gleichberechtigung der Geschlechter darstellen könnte, schaffen es die Kandidaten stets, diese Vermutung binnen weniger Minuten zu Nichte zu machen. Durch ihr machohaftes Auftreten und der zum Teil oben schon genannten plumpen Sprüche einzelner Kandidaten werden Werte vermittelt, welche die Frau eher auf ein Objekt reduzieren. Und bevor sich Muttersöhnchen Arnold, dessen größte Sorge das selbstständige Kochen und Wäsche waschen sind, auf die Suche nach der großen Liebe oder Karriere macht, sollte er vielleicht lieber erst einmal die grundlegenden Dinge im Leben lernen. Diese sollte ja der moderne Mann von heute ebenso beherrschen, wie es von der Frau seit jeher erwartet wird. 

Aber vermutlich sind genau jene Szenen zwischen Fremdscham und Belustigung einer der Gründe, warum bereits die dritte Staffel der Flirtshow ausgestrahlt wird. Denn dass das Format eher weniger zur Bildung beiträgt, dürfte jedem Zuschauer bewusst sein. Zudem hat RTL natürlich bewusst optisch vielfältige Männer ausgewählt, damit für fast jeden Geschmack etwas dabei ist. Damit auch potentielle männliche Zuschauer angesprochen werden, wird Jessica stets in mehr oder weniger engen und knappen Klamotten gezeigt. Zudem versprechen erste Szenen aus dem Vorspann schon bald Konflikte zwischen den Kandidaten, welche zur allgemeinen Unterhaltung beitragen könnten. Andererseits bietet das Format auch romantische Dates in traumhaften Locations, welche die Gefühlsmenschen unter den Zuschauern ansprechen sollen. Somit bedient das Format ein breites Spektrum an Zuschauern, was auch die diesjährige Staffel wieder erfolgreich werden lassen kann.

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