von Lea-Jasmin Kienle
Die Serie „Fleabag“, nach dem gleichnamigen
1-Person-Theaterstück der Autorin und Schauspielerin Phoebe Waller-Bridge befasst
sich gnadenlos ehrlich mit der Geschichte einer jungen Frau (auch gespielt von
Waller-Bridge), die trotz Verlusten und unglücklichen Beziehungen versucht,
sich durch das Leben in London zu schlagen.
Obwohl diese erste Beschreibung für viele nur nach einer
weiteren stereotypischen, unoriginellen Serie klingt, bietet „Fleabag“ doch so
viel mehr. Anstatt einer oberflächlichen Storyline, die flache Witze liefert und keine tiefen Einblicke
in die Charaktere zeigt, kann diese Serie durch das Gegenteil punkten.
Auf humorvolle Art und Weise begleiten wir die Protagonistin
bei ihrem Versuch, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen und dabei gleichzeitig
ihre dysfunktionale Familie, ihr spärlich besuchtes Meerschweinchen-Café (richtig
gelesen, - ein Café, das sich ganz um Meerschweinchen dreht) und ihre
kurzlebigen männlichen Beziehungen unter einen Hut zu bringen. Die
Hauptdarstellerin, dessen Name uns vorenthalten wird, mag mit ihrer direkten
und zynischen Art nicht unbedingt der größte Sympathieträger sein. Jedoch
entwickelt man im Laufe der Serie Mitgefühl und Verständnis für sie und ihr
Leben, welches einem großen Durcheinander gleicht. „Fleabag“ behandelt
lebensnahe und ernste Themen unter einem komischen Schleier. Das hilft,
traurige Szenen aufzulockern, versetzt den Zuschauer aber gleichzeitig auch in
einen teilweise irritierenden Zustand zwischen emotionalem Nachempfinden und
lautem Lachen.
Die Dialoge der Serie sind schlagfertig und frech, die
Ereignisse so unvorhersehbar und witzig-kurios, dass sie teilweise überspitzt
wirken und gleichzeitig doch so real.
Vor allem sind die Personen, die uns vorgestellt werden, auf
ihre eigene Art und Weise speziell und außergewöhnlich, wirken aber wiederum
genauso authentisch und natürlich. „Claire“, die Schwester der Hauptperson und der
Vater der beiden beispielsweise, zeichnen sich durch ihre recht kalten
Persönlichkeiten aus, lassen aber hin und wieder Herz und Charisma durchblicken.
Oder der labile Ex, der mit Hilfe eines „verlorenen“ Spielzeugdinosauriers
immer wieder einen Vorwand hat, zurückzukommen, und der Typ aus dem Bus mit
extremen Hasenzähnen und andauerndem Gerede, - es sind recht übertriebene
Charaktere, die dennoch eine Familiarität aufweisen und schlichtweg in die Erzählung
passen.
Was diese Serie besonders macht, ist wie sie ihr Publikum in
den Bann zieht. Die Hauptdarstellerin blickt in den Szenen ab und zu zur Kamera
(also zu uns als Zuschauer) und spricht ihre Gedanken aus, dreht sich daraufhin
wieder zurück und die Szene setzt fort. Sie lässt zum Beispiel kurze,
sarkastische Bemerkungen ab, oder wirft auch einfach nur gewisse Blicke, die
ihre inneren Gefühle widerspiegeln. Durch diese Technik habe ich mich selbst
immer wieder persönlich miteinbezogen gefühlt, als wäre ich ein fester
Bestandteil der Geschichte und gewissermaßen ein „Insider“, der als einziger mit
den Gefühlen der Hauptperson vertraut ist. Kleiner Spoiler Alert: In der
zweiten Staffel wird mit diesem Merkmal bewusst gespielt, indem es in der
Handlung amüsant hervorgehoben und anerkannt wird.
Besonders in einer Zeit, in der man Serien fast wie am
laufenden Band konsumiert (ich spreche hier zumindest von mir), fand ich diese
Art des Storytellings erfrischend und abwechslungsreich.
Das bedeutet jedoch nicht, dass „Fleabag“ mit dieser Art und
Weise der Erzählung etwas Bahnbrechendes oder Einzigartiges bietet, andere
bekannte Serien haben auch schon früher die direkte Ansprache zum Publikum
genutzt. Dennoch ist das ein markantes Merkmal der Serie, das schlichtweg
perfekt hineinpasst und sie ausmacht.
Zudem lassen uns spezifische Rückblicke aus dem Leben der
Protagonistin ihre Lebenssituation gewissermaßen nachvollziehen, sowie ihre teilweise
unsensiblen Bemerkungen und egoistischen Taten entschuldigen.
Dennoch ist anzumerken, dass diese Serie wahrscheinlich
nichts für jedermann ist. Der sehr direkte und ungenierte Einbau unangenehmer
und oft anzüglicher Themen mag vielen dann doch zu viel des Guten sein. Schon
die ersten 3 Minuten der allerersten Folge sind hier beispielhaft. Was meiner
Meinung nach ein amüsanter Einstieg in die Geschichte ist, mag für den Anderen
ein unerwartet obszöner erster Eindruck sein, der das Interesse an der Serie
schwinden lässt.
Und obwohl ich die ungehemmte Darstellung in „Fleabag“ sehr abwechslungsreich
und unterhaltend finde, muss ich doch gestehen, dass auch mir die etwas unangenehmen
Situationen vereinzelt Unbehagen bereitet haben. Szenen, die unangenehme
Momente zeigen, habe ich aufgrund meines Mitgefühls zu der Hauptdarstellerin
intensiver und eindringlicher wahrgenommen, als ich es mir gewünscht hätte.
Diese werden zwar schnell wieder durch Humor aufgelockert, aber trotzdem bin
ich es nicht gewohnt, mir eingestehen zu müssen, dass ich doch emotionaler involviert
bin, als erwartet.
Meiner Meinung nach lohnt es sich, dieser Serie eine Chance
zu geben, denn sie ist trotz einiger unangenehmer Momente umso mehr mit
unzähligen Lachern und rührenden Momenten gefüllt. Die Geschichte fühlt sich
menschlich und echt an, und genau diese Mischung aus Humor, Emotion und auch
ein wenig Fremdscham macht „Fleabag“ aus und setzt sie aus dem Mainstream
gewissermaßen hervor. Sie ist im Vergleich zu Serien wie „Friends“ oder „How I
Met Your Mother“ nicht immer die leichteste Kost, mit vergleichsweise recht
schwarzem Humor und auch unangenehm „rohen“ Momenten.
Die zwei recht kurzen Staffeln der Serie sind auf Amazon
Prime erhältlich, und bieten sich perfekt für eine Ablenkung aus dem eigenen
Chaos im Leben an. Sie lassen sich leider viel zu schnell durchschauen, sodass
man gleich am liebsten von vorne anfangen würde, nur um alles erneut
mitzuerleben.
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