TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 21. Juli 2020

M.O.M. – Milf oder Missy

von Laura Käfer
Nun ist also auch Joyn auf den Datingshow-Zug aufgesprungen. Die Prämisse von M.O.M. klingt schon mal ganz vielversprechend: Das erste eigenproduzierte Realityformat des neuen Streamingdienstes von ProSiebenSat.1 möchte laut Pressestatement (wissenschaftlich?) herausfinden, inwiefern das Alter beim Dating eine Rolle spielt. Das ist in der Tat bemerkenswert - in allen anderen gängigen Datingformaten von Der Bachelor (RTL) bis Dinner Date (ZDF) dürfen fast ausschließlich Mittzwanziger bis Mittdreißiger die große Liebe suchen. Dass hier die Kandidatinnen zwischen 24 und 46 alt sind und auf die beiden Kandidaten mit 28 und 57 Jahren treffen, ist auf jeden Fall erfrischend anders und weckt die Hoffnung, dass man aus der Klischeekiste ausbrechen wird. Doch ein erster Blick auf die Folgen zeigt, dass diese Erwartung aber weit gefehlt ist!
Das Feuilleton hat bereits vor dem Start kein gutes Haar an M.O.M. gelassen, auch Social-Media-Nutzer*innen zeigen sich entsetzt, und schon nach wenigen Minuten weiß man auch warum. Die Frauen werden direkt zu Beginn des Formats anhand ihres Alters in die Gruppe ‚Missy‘ oder ‚Milf‘ ("Mom I’d like to fuck") aufgeteilt. Schlussendlich passiert mit den beiden Gruppen aber nichts: Sie treten in keinen Challenges gegeneinander an. Diese zwei herabwürdigenden und abschätzenden Begriffe für Frauen weist die Kandidatinnen also den Kategorien nur aufgrund des Alters zu, ohne dass es einen Sinn oder ein Ziel hat. Es stellt nur ein besorgniserregendes Maß an Sexismus und Altersdiskriminierung dar. Zudem sind die meisten MILFs gar keine Mütter, obwohl das eigentlich zur Definition gehört, was die ganze Kategorisierung noch sinnloser macht. Die Männer hingegen werden ganz neutral nur ‚Junior‘ oder ‚Senior‘ genannt, und nicht etwa ‚Bubi‘ und ‚Dilf‘ (Wortneuschöpfung für "Dad I’d like to fuck"). Und der offensichtliche Sexismus und die Objektivierung der Frauen hört nicht bei der Namensgebung auf: Im Verlauf der Sendung werden die Frauen durchweg nur als passive Mäuschen dargestellt, und in der zweiten Folge dann in der Mehrheit als Gold-Digger ‚entlarvt‘. Für Ärger hat überdies die zugehörige Werbekampagne des Senders gesorgt. Vor allem die Werbe-Sprüche wie „Was Altes? Was Junges? Was Neues!“ oder „Freitags ist MILF Time.“ wurden negativ aufgenommen. Politikerinnen forderten die sofortige Einstellung der Werbung. Unterstützung bekamen sie aus den Sozialen Medien. Zwar haben die Verantwortlichen Anfang Juni angekündigt, die Plakatwerbung abzuhängen, den Untertitel ‚Milf oder Missy‘ zu streichen und die entsprechenden Passagen in den Folgen neu zu vertonen. Das könnte aber egaler nicht sein, da auch schon die ersten beiden Folgen keine Lust aufs Weitergucken machten.
Der Rest der ersten beiden Folgen ist genauso banal: das Kennenlernen findet statt in der üblichen Traumvilla in Südafrika/Mexiko/auf Ibiza in einem schummrigen Keller in München statt. Was man noch verschmerzen könnte, wenn die Handelnden ein bisschen Glamour in die Sache bringen würden. Die Hauptdarsteller*innen bestechen aber nicht gerade mit der Eloquenz oder dem Charme eines Prince Charming (VOX), einem wichtigen Faktor für die Zuschauer*innen - schließlich sollten sie sich mit eine*r der Protagonist*innen identifizieren. Statt in einem großartigen neuen Dating-Experiment findet man sich in einer lieblos schnell zusammen-gezimmerten und über weniger Budget verfügenden Nachtmittagsprogramm-Version des Bachelors oder ähnlichen Formaten wieder. Jegliche im Ansatz interessante Alters- oder Status-Differenzen werden im Keim erstickt. Daher die klare Empfehlung: abschalten und hoffen, dass dieses Format keine zweite Staffel bekommt!
Diese Kritik basiert auf der Sichtung der ersten beiden Folgen von M.O.M. Die Folgen sind auf der Website joyn.de abrufbar.

1 Kommentar:

  1. Sehr ausführliche Kritik, die an wichtigen und den richtigen Stellen berechtigte Fragen aufwirft und Feststellungen anbringt. Diese führen schlussendlich zu Gedanken über den Sinn dieser Trash-TV Produktion und stellen dessen Existenz in Frage. Sehr gute und unterhaltsame Kritik����

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