TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 8. Juli 2020

"Noch nie in meinem Leben"-eine etwas andere Serie

von Malena Ortiz
"Never have I ever" oder in Deutsch: "Noch nie in meinem Leben". Ein Spiel welches wir in unserer Generation wohl eher als ein Trinkspiel kennen, in meiner Kritik aber eine neue Netflix Serie, welche bisher nur eine Staffel umfasst.
"Das letzte Jahr war insgesamt ziemlich beschissen, da sind wir uns doch einig, aber ich hätte ein paar Ideen wie ihr das ändern könntet."
Devi ein unbeliebtes 15-jähriges indisch-amerikanisches Mädchen, betet zu ihren Göttern, dass ihr Leben jetzt doch bitte besser werde. Sie wünscht sich beliebt zu sein, auf Partys eingeladen zu werden und dass sie endlich einen “super heißen Freund” bekommt.
Die Serie beginnt kurz darauf mit einem Flashback, in welchem erläutert wird, dass Devi ihren Vater verloren hat und ihr dadurch verursachtes Trauma paralysierte sie für 3 Monate, welche sie im Rollstuhl verbringen musste. Daraufhin werden ihre Freunde, ihre Familie, ihre Psychologin, ihr persönlicher "Erzfeind" und natürlich auch ganz typisch ihr Schwarm vorgestellt.
Dies waren zu Beginn ziemlich viele Informationen auf einmal und der Tod ihres Vaters wurde auch nur nebenbei erwähnt, was die Ernsthaftigkeit dieses Themas deutlich abmindert. Außerdem erinnert der einführende Plot ziemlich schnell an jegliche 0815 Teenie-Filme, wie sie ja jeder doch schon gewohnt ist und die Lust sich diese Serie anzuschauen hält sich für viele in Grenzen, ganz besonders die männliche Generation kann mit diesem Plot höchstwahrscheinlich nicht angesprochen werden. Da ich persönlich aber so Filme oder Serien sehr gerne schaue und nach einer neuen Serie gesucht habe, dachte ich mir, dass es ein Versuch wert ist.
Die ersten zwei oder drei Folgen verursachten bei mir fast nur fremdschämen und ich habe mich ernsthaft gefragt, warum ich mir diese Serie anschaue. Es ging für die Hauptprotagonisten zu Beginn nur darum Sex zu haben und beliebt zu sein, dabei blamierte sie sich aber sehr und machte sich meiner Meinung nach ziemlich lächerlich, ganz besonders dann, als sie ihren Schwarm, welcher vorher noch nie mit ihr geredet hatte fragt, ob er denn mit ihr schlafen würde.
Trotz dessen habe ich mich dazu entschieden weiterzuschauen, denn irgendwie wollte ich wissen wie es weiter geht. Ich wollte wissen, wie sich Devi entwickelt und ob sie ihre Ziele erreicht. Ich wollte den Sinn der Serie nachvollziehen können. Zu meinem Glück habe ich diesen dann auch gefunden.
Man merkte im Laufe der Serie ziemlich schnell, dass diese Serie keine typische Serie ist, wie wir es von anderen High School Serien, wie Elite oder Gossip Girl gewohnt sind. Es ging nicht um Sex, Party und Drogen auch wenn sich dies vielleicht auf eine ziemlich harmlose Weise von der Hauptprotagonistin gewünscht wurde. Es gibt kein großes Drama, keine Verschwörung oder einen Mord.
Die Serie knüpft viel mehr an die Realität an. Es geht um Selbstfindung, Rassismus, Freundschaft, Familie und darum ein Trauma zu verarbeiten, welches man vielleicht selbst nicht direkt einsieht. Devi beschäftigt sich zu Beginn nicht wirklich mit dem Tod von ihrem Vater und versucht diesen zu verdrängen, auch die Psychologin hat keinen Erfolg, wenn sie versucht Devi dazu zu bringen über ihn zu reden. Doch im Laufe der ersten Staffel, ganz besonders zum Ende hin fängt Devi unbewusst an, den Tod ihres Vaters zu verarbeiten, träumt von ihm, stellt sich vor er wäre in der Gestalt eines Kojoten zu ihr gekommen und am Ende der ersten Staffel ohne zu viel vorwegzunehmen, verarbeitet sie den Tod ihres Vaters mit ihrer Familie.
Doch auch hier passiert nebenbei ziemlich viel, sie muss sich zwischen ihrem Schwarm und ihren Freunden entscheiden, woraufhin ihr nur noch ihr "Erzfeind" bleibt, welcher dann doch gar nicht so schlimm ist, wie sie immer dachte.
Ein großer Pluspunkt für mich ist, dass die 15-jährige Einser-Schülerin Devi, nicht wie in allen amerikanischen Serien eigentlich doch super gut aussieht und einfach nur eine Brille trägt, sondern dass sie wirklich den normalen Durschnittsschüler verkörpert und sich teilweise mit banalen aber doch relevanten Themen beschäftigt, mit welchen sich viele Mädchen in ihrem Alter beschäftigten müssen.
Eine Serie, welche man auf den ersten Blick vielleicht nicht direkt ernst nehmen kann, aber auf der anderen Seite doch so tiefgründig ist, dass man fast schockiert sein könnte. Eine Serie die es geschafft hat, dass ich obwohl ich immer noch kein großer Fan bin, trotzdem so viel über sie nachgedacht habe und mitgefühlt habe, dass es fast erschreckend ist.
Eine Serie bei der ich mir nicht mal sicher bin, ob ich sie weiter empfehlen würde oder anderen davon lieber abraten würde. Noch nie in meinem Leben habe ich so eine banale und komische Serie geschaut, welche mich trotzdem am Ende so zum Weinen gebracht hat.

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