TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 3. März 2020

Frauen als Zielgruppe einer Bikerserie – unvorstellbar. Oder? (Sons of Anarchy)

von Sophie Irl

„Eine Bikerserie? Das soll mir gefallen?“ ist der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt als mein Freund mir einen Vorschlag unterbreitet, um unsere Suche nach einer neuen Serie zu beenden. „Sons of Anarchy“ soll der Nachfolger meiner heiß geliebten Stranger Things - Reihe werden. Ich bin skeptisch, aber lasse mich darauf ein, da es mir an Alternativen mangelt.
Die erste Folge beginnt. Der Motorradclub „Sons of Anarchy“ sitzt in der Kleinstadt Charming, die in der Wüste Kaliforniens liegt. Jax Teller, gespielt von Charlie Hunnam und Clay Morrow (Ron Perlman) ziehen sofort die Aufmerksamkeit auf sich, als das Waffenlager des Clubs von einem rivalisierenden Motorradclub, den Mayans, ausgeraubt wird. Schnell wird klar, Teller und Morrow stellen die Hauptfiguren der Serie dar, die im Jahr 2008 in den USA erstausgestrahlt wurde und inzwischen über 92 Folgen in 7 Staffeln verfügt. Die Produktion von Kurt Sutter wurde im amerikanischen Pay-TV ausgestrahlt und ist heute auf Streamingportalen wie Netflix zu finden.
Clay Morrow hat die Position des Clubpräsidenten inne und führt diesen mit einer harten und bestimmten Hand. Jax Teller, mit dessen Mutter Gemma Clay liiert ist, ist der Vizepräsident und Liebling der anderen Clubmitglieder. Die Bande besteht aus zahlreichen Mitgliedern, von denen aber nur 8 Leute tragende Rollen einnehmen und bei wichtigen Entscheidungen an einem runden Holztisch abstimmen dürfen. SAMCRO, wie die Gang auch genannt wird, tritt einerseits als der Beschützer der Gemeinde in Charming auf und betreibt andererseits Waffenhandel im großen Stil sowie andere illegale Geschäfte. Natürlich spielen auch Frauen und Affären, wie sollte es anders sein, eine große Rolle im Leben der Biker. Als Tarnung der Geschäfte betreibt der Club eine Werkstatt, die unter anderem dazu dient, das Waffengeld zu waschen. Auf mich wirkt die Serie in ihren ersten 15 Minuten sehr klischeebehaftet, jedoch entscheide ich mich, den „Sons“, wie sie oft liebevoll genannt werden, eine Chance zu geben.
Die Folge geht weiter. Offensichtlich können die Sons es nicht auf sich sitzen lassen, dass ihr Waffenlager ausgeraubt und abgebrannt wurde und wollen sich die Waffen zurückholen. Währenddessen gibt es für Jax weitere Komplikationen, als er von seiner Exfrau ins Krankenhaus gerufen wird, da diese ihren gemeinsamen Sohn zur Welt gebracht hat. Wendy, Jaxs Ex-Ehefrau, leidet an Drogensucht und hat sich auch während der Schwangerschaft Crystal Meth und andere Rauschmittel injiziert. Aufgrund dessen hat das Baby, ein Junge namens Abel, einen Herzfehler und muss operiert werden. Sein Überleben hängt an einem seidenen Faden, Teller sowie seine Mutter Gemma sind sehr aufgebracht und besorgt. Es scheint mir, als hätte die Serie doch mehr zu bieten, als Schießereien, Morde und Drogen. Ich bin gespannt auf Folge 2.
In der nächsten Episode dreht sich zunächst alles um die Probleme, die sich aus den gestohlenen Waffen ergeben. Die Kunden des Clubs können nicht beliefert werden und reagieren dementsprechend verärgert. Außerdem ergeben sich natürlich finanzielle Schwierigkeiten, da die Haupteinnahmequelle der Sons behindert wird. Als wäre das nicht Problem genug, wird ein neuer Polizist nach Charming versetzt. Dieser steht den Machenschaften von SAMCRO skeptisch gegenüber und möchte die illegalen Geschäfte aufdecken. Der Polizeihauptmeister Wayne Unser dagegen wird von den Sons of Anarchy bestochen und blickt über so manche Straftat hinweg. Jax hingegen ist oftmals im Krankenhaus anzutreffen, wo er um das Leben seines Sohns bangt und der diensthabenden Ärztin Dr. Tara Knowles, mit der er in seiner Jugend bereits eine Beziehung führte, immer näher kommt. Als Vizepräsident des Clubs sollte Teller die Vorgehensweise des Clubs zu 100% unterstützen, jedoch gerät er nach der Geburt seines Sohns zunehmend in einen Zwiespalt und zweifelt die gewalttätigen Methoden und den Drogenhandel der Sons immer stärker an.
Mein Freund fragt mich nach Folge 2 nach meinem Eindruck der Serie. Meine Antwort? „Naja, ziemlich brutal und eigentlich nicht so mein Ding. Die Geschichte um Jax könnte jedoch noch interessant werden.“
Irgendwie hat mich die Serie doch gepackt, also bleiben wir dran.
Die erste Staffel dreht sich hauptsächlich um die Feindschaft der Sons of Anarchy zu den Mayans, mit denen sie seit der Plünderung des Waffenlagers auf Kriegsfuß stehen. Immer wieder kommt es zu Schießereien und Hinrichtungen (es wird großen Wert auf Vergeltung gelegt). Diese Szenen sind tatsächlich sehr brutal und machen die Altersfreigabe ab 18 sehr verständlich. Diese Gewalttaten mögen zwar nicht für jeden Zuschauer das Richtige sein, jedoch unterstützen sie den Charakter der Serie, die ansonsten oftmals eine eher flache Handlung beinhaltet. Gespickt wird der Alltag des Motorradclubs durch das Privatleben von Jax. Man sieht ihn oft am Krankenbett seines Sohns, immer mit Tara, zu der er langsam eine komplizierte Liebesgeschichte aufbaut. Das Leben der Clubmitglieder wird durch viele Faktoren, wie Expartner, Polizei, verfeindete Motorradclubs oder zwischenmenschliche Probleme zusätzlich beeinträchtigt, was für eine Serie als typisch angesehen werden kann.
Ohne es zu merken rutschen wir in Staffel 2. Der Konflikt zwischen Cluboberhaupt Clay und seinem Adoptivsohn Jax spitzt sich weiter zu. Jax hat die Tagebücher seines verstorben Vaters gefunden, der den Club gegründet hat und sich gegen den Waffen- und vor allem Drogenhandel ausgesprochen hat, den die Sons of Anarchy inzwischen in großem Stil betreiben. Diese Seiten, die er versteckt hält, bringen ihn immer mehr dazu, Clays Entscheidungen in Frage zu stellen, was auch den anderen Clubmitgliedern nicht verborgen bleibt. Doch es ergeben sich neue Probleme auch außerhalb des Clubs. Eine neue Gruppierung, namens Die Liga amerikanischer Nationalisten (eine Neonazipartei) macht dem Club Ärger und sabotiert deren Waffenhandel. Im Rahmen dieses Konflikts wird Gemma entführt und von 4 Mitgliedern der Liga vergewaltigt, was sie aber vor ihrem Mann und Sohn geheim hält. Durch viele weitere Konflikte entstehen viele Intrigen, Geschäfte und Schießereien, über die man schnell den Überblick verlieren kann. Jax ist bereit den Club zu wechseln, da er mit Clays Führungsstil nicht mehr leben kann und zu viele Dinge passiert sind, die er ihm nicht verzeihen kann. Über die Vielzahl an Geschehnisse, verschiedene Personen, Clubs und Intrigen kann man schnell den Überblick verlieren. Ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit ist hier auf jeden Fall notwendig, um die Zusammenhänge zu verstehen.
In der dritten Staffel gibt es, wie könnte es anders sein, einen erneuten Konflikt, der die Handlung beherrscht. Es gibt Komplikationen mit dem irischen Waffenlieferanten der Sons, der schlussendlich Jaxs Sohn Abel entführt. Der Club, inklusive Gemma, nach der aufgrund Mordes gefahndet wird, macht sich auf den Weg nach Belfast, um Abel zu finden. Die Suche zieht sich und wird, wer kann es sich denken, durch Anschläge und Intrigen erschwert. Gespickt durch das tägliche Abendprogramm des Clubs mit Alkohol und Frauen.
Ich bin inzwischen in der Mitte der vierten Staffel angekommen und schaue die Serie immer noch mit Begeisterung. Im Gegensatz zu meinem Freund. Ich weiß, man hätte Gegenteiliges erwartet. Ihm war die Serie schnell zu langweilig und eintönig, dadurch, dass sich Handlungen oft in verschiedenen Formen wiederholen und die Abläufe oft sehr ähnlich sind. Die Clubgeschichte und – geschehnisse haben mich weniger gepackt, als die persönliche Geschichte von Jax. Nur deswegen bin ich dran geblieben und nach wie vor interessiert in der Serie. Die Entwicklung, die die Figur durchgemacht hat und zukünftig noch erleben wird, wertet den typischen Gangalltag ziemlich auf. Diese Nebengeschichte erzeugt eine emotionale Bindung des Zuschauers zur Serie und lässt über die oft brutale und eintönige Handlung hinwegsehen.
Für mich ist die Serie eine gute Unterhaltungsquelle, die ich in Anspruch nehme, wenn ich nach der Arbeit auf der Couch entspannen und den Kopf ausschalten will. Sons of Anarchy ist in keinem Fall eine anspruchsvolle Serie mit hohem akademischen Anspruch, die für viele Überraschungen sorgt, was eine Serie für mich aber nicht zwingen sein muss. Alles in allem kann ich die Sons der Gruppe Serienjunkies empfehlen, die nach einer leichten, unterhaltsamen Serie suchen, die sie den Alltagsstress vergessen lässt und das Entspannen auf der Couch untermalt.

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