TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 3. März 2020

Wie Guido Maria Kretschmer jahrelang meinen Nachmittag rettete

von Julia Reuel 


15:00 Uhr, unter der Woche, deutsche TV-Privatsender. Wer jetzt an Formate wie Familien im Brennpunkt, Verdachtsfälle und „Talk-Zoffereien“ wie Die Trovatos und Zwei bei Kallwass denkt, dem kann ich es nicht mal verübeln. Das gute alte „Assi-TV“ dominiert seit Jahrzenten das Nachmittagsprogramm der deutschen Privatsender-Landschaft.
„Wer hat denn schon auch nachmittags Zeit das Fernsehgerät einzuschalten?!“. So hat zum Beispiel meine Mutter jahrelang über mich geurteilt, denn ich war so ein Jemand (dem deutschen Schulsystem sei dank!), der die Zeit dafür hatte. Für mich war diese eine Stunde (von 15 Uhr bis 16 Uhr) fast schon jahrelang Routine. Mein Teenager-Ich verpasste kaum eine Folge vom Nachmittagsprogramm des Privatsenders VOX. Um 15 Uhr läuft auf besagtem Sender von Montag bis Freitag das Erfolgsformat Shopping Queen und dies hebt sich irgendwie ab vom „Familien im Brennpunkt-Einheitsbrei“ der anderen Privatsender.
Seit 2012 läuft das Format, vom Konzept her fast unverändert. Seit Anfang an auch nahezu unverändert ist Guido Maria Kretschmer. Er ist der eigentliche Star der Sendung, nicht –wie man meinen könnte–die täglich wechselnde Kandidatin. Seit einigen Jahren gibt es den pinken fett gebrandeten Shopping Bus, früher war der noch unauffällig schwarz oder grau. Und auch die Städte in denen Shopping Queen zu Gast ist, werden irgendwie vielfältiger. Während sich früher die Metropolen wie München, Berlin und Hamburg Woche für Woche die Klinke in die Hand gaben, ist jetzt beinahe jede halbwegs große Stadt mindestens einmal mit der Anwesenheit des pinken Busses beglückt worden. Von Recklinghausen bis Regensburg war fast alles schon dabei und kürte nach fünf Tagen die Shopping Queen. Doch sonst ist alles ziemlich gleich wie vor 7 Jahren, als Shopping Queen zum ersten Mal ausgestrahlt wurde.
Kurz zum Konzept: Jede Woche treten fünf Frauen aus derselben Stadt gegeneinander an. Es gibt ein Motto, dass von Guido Maria Kretschmer höchstpersönlich gestellt wird. Vier Stunden Zeit und 500 Euro, um das perfekte Outfit zum Thema zu finden. Die Regeln sind simpel, die Herangehensweisen der Kandidatinnen dafür sehr unterschiedlich. Spannend ist an Shopping Queen aber nicht das Klamotten einkaufen an sich, sondern das ganze Drumherum. Die Kandidatinnen der Woche sind in der Zeit, in der die Tageskandidatin shoppen ist, bei ihr zuhause und stöbern was das Zeug hält, kommentieren alles, probieren den halben Kleiderschrank der Shoppenden an und machen vor so ziemlich keiner Schublade Halt. Guido Maria Kretschmer kommentiert währenddessen mit seiner perfekt erscheinenden Art von Humor, im O-Ton im rechten Bildrand, die mehr oder weniger geglückten Versuche der Shoppingkandidatin ein Outfit zum Motto zu finden und natürlich auch die Tanzeinlagen, Modenschauen oder Gesangskünste der Kandidatinnen in der Wohnung (was man eben so macht, wenn man bei einer mehr oder weniger wildfremden Frau in der Wohnung ist!). Fast schon legendär ist unter treuen Zuschauern der Satz „Das tut einfach nichts für sie!“. Dieser wird zum Beispiel von GMK verwendet wenn Hilde, 57, aus Dresden meint ein knallgrünes Jersey Kleid für 19,99€ von äußerst schlechter Qualität kombiniert mit weißen Kunstleder Ballerinas und Gärtnerinnen-Strohhut wäre der perfekte Look für eine romantische Gartenparty. Aber auch wenn 20 Jährige Möchtegern-Blogger-Girls meinen, sie hätten das Fashion Rad neu erfunden, wenn sie ein Jeans-Latzkleid mit Doc Martens kombinieren und dann im O-Ton sagen, wie verrückt ihr eigener Style doch wäre. GMK kann eigentlich sagen was er will. Er beschönigt nichts und ist immer ehrlich bei seiner Meinung zu den Looks. Aber trotzdem oder gerade deshalb kann man ihm einfach nichts verübeln, weil er seine Kommentare immer mit der ausreichenden Portion Humor verpackt.
Wieso mich Shopping Queen über Jahre hinweg begleitet hat: ich interessiere mich schon recht lang für Mode. Shopping Queen schafft es aber meiner Meinung nach das ganze Mode-Thema mehr als bodenständig rüber zu bringen. Das Format ist so herrlich normal und vermittelt Spaß an Mode ganz ohne den arroganten abgehobenen Glamour-Size-Zero-Faktor, denn man aus gängigen Magazinen kennt. Mode wird hier auf Hausfrauen-Art wohnzimmertauglich.
Das sieht man auch an der Diversität der Kandidatinnen. Von 70-jährigen Omis über spießige Polo-Shirt-Muttis bis hin zu volltätowierten Gothic-Girls war schon wirklich jeder Typ Frau bei Shopping Queen dabei. Auch innerhalb der Wochen wird von der Produktionsfirma penibel drauf geachtet eine möglichst große Bandbreite an Kandidatinnen auszuwählen, so dass die Kontraste mehr als deutlich werden.
Zu Streit oder Konkurrenzkampf innerhalb der Kandidatinnen kommt es aber dennoch nie. Auch wenn die Outfits natürlich nicht immer die Geschmäcker aller Beteiligten treffen, so hört man bei der Bewertung der Kandidatin verdächtig oft den Satz: „zu dir passt der Look einfach!“.
Ich kann mich auf jeden Fall an keinen Streit erinnern. Und ja, ich habe viele Folgen gesehen. Die Frauen machen durchgehend den Anschein, als hätten sie in dieser einen Woche den größten Spaß überhaupt und neue Freundinnen gibt’s auch gleich noch oben drauf. Mir ist realistisch gesehen natürlich klar, dass das nicht immer so sein wird. Aber ein gutes Gefühl gibt’s dem Zuschauer irgendwie trotzdem. Und das ist auch die Hauptmessage, die Shopping Queen vermittelt. Ein gutes Gefühl. Es bringt Frauen zusammen, die hinsichtlich Herkunft, Alter, sozialem Status und Körperformen unterschiedlicher nicht sein könnten. Und das auf ganz ungezwungene Weise. Spaß am Shoppen haben sie irgendwie alle und das reicht anscheinend um sie miteinander zu verbinden. Auch die Gewinnerinnen der Woche könnten unterschiedlicher nicht sein. Mal wird die gertenschlanke 22 Jährige Studentin, die nebenbei modelt, mal die 60-Jährige Hausfrau mit Kleidergröße 50 zur Shopping Queen gekürt. Vorteile aufgrund ihres Aussehens – so scheint es mir zumindest – hat bei Shopping Queen keine Kandidatin.
Ums Gewinnen geht es den meisten aber eh schon lange nicht mehr. Bei diesem Format trifft der Spruch „Dabei sein ist alles“ zu 100% zu. Viel mehr als über das Preisgeld (immerhin 1000€), das die Gewinnerin bekommt,  freuen sich die Teilnehmerinnen über das Finale, bei dem sie endlich ihren Guido persönlich treffen. Eine Umarmung und ein paar liebe Worte gibt’s vom heimlichen Star der Sendung dann auch noch. Spätestens dann ist es wirklich total egal, wer die Siegerin der Woche ist.
So vielseitig Shopping Queen auch ist. Eine Sache fehlt gänzlich und wird auch fast gar nicht berücksichtigt. Das männliche Geschlecht geht bei Shopping Queen vollkommen unter. Die größte Rolle, die Männer in dieser Produktion ergattern können, ist die der Shopping-Begleitung. Und das ist auch gar nicht so selten, dass eine Kandidatin ihren Freund mitnimmt. Viel mehr als Einkaufstüten tragen, machen die Herren der Schöpfung dann oft aber auch nicht. Die Spezialisierung auf ein Geschlecht, liegt vielleicht in der Natur der Sache, dass Shoppen einfach schon immer als „Frauensache“ kommuniziert wird. Dennoch wären männliche Kandidaten nach 7 Jahren der Sendung durchaus angebracht.  Abgesehen davon macht Shopping Queen aber einiges richtig und ist eine der wenigen Sendung, die verschiedenste Frauen miteinander vereint und einfach Spaß macht. Die Zeiten, in der ich Woche für Woche gespannt vor dem Fernseher saß sind zwar vorbei. (Ja Mama! Auch ich habe jetzt nachmittags etwas zu tun!). Trotzdem freue ich mich nach wie vor wenn ich mal wieder Guido Maria Kretschmers witzigen Kommentaren zuhören kann. Und kleiner Tipp am Rande, für alle, denen es so geht wie mir. Am Samstag laufen bei Vox ab 12 Uhr fünf Folgen hintereinander.

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