von Talena Burger
Wenn zu
Beginn der ersten Folge die Kamera von einer Luftbildaufnahme zu einem auf der
Landstraße fahrendem Auto schwenkt, könnte man auch meinen, man hat aus Versehen
eine französische Romantikkomödie angeklickt. Doch falsch gedacht, hier dreht
es sich nämlich weder um Romantik, noch um Liebesduselei, hier geht es um klare
Linien, atemberaubende Natur, Zahlen und Details. Kurz gesagt: hier geht es um
Architektur.
Krausig
blondes Haar, immer mit zur Folge passendem Outfit und mit einer Vorliebe für Überschwänglichkeit,
das ist Caroline Quentin. An ihrer Seite Piers Taylor, der ihren ausgleichenden
Ruhepol bildet - funktional gekleidet, schlank und hochgewachsen, sowie mit
lichtem Haar wirkt er sehr bedacht und professionell. Die beiden arbeiten das
erste Mal zusammen, harmonieren aber sehr gut. Gekonnt führen sie den Zuschauer
um den Globus zu den außergewöhnlichsten Häusern der Welt, wie auch der Titel
schon verrät.
Generell
sind die Folgen alle ähnlich aufgebaut: nach einem Netflix-typischem Intro
tritt man visuell und in Gedanken durch drei bis vier Haustüren während der
45-minütigen Folgen. Die
geschickte Strukturierung spricht dabei absolut für die Serie. Während die
erste Staffel in die Themenbereiche Berge, Wald, Küste und Untergrund
aufgeteilt ist, widmet sich die zweite Staffel einzelner Länder der ganzen
Welt. Die Serie wird dadurch nicht nur übersichtlich, es wird dadurch auch
schon vor Beginn Spannung aufgebaut und Neugierde geweckt.
Was man
der Serie auf jeden Fall nicht absprechen kann, ist, dass sie neben außergewöhnlichen
Häusern definitiv die außergewöhnlichsten Landschaften der Welt präsentiert.
Wir werden eingeladen das Moderatoren-Gespann Quentin und Taylor nach Spanien
und Portugal zu begleiten, bis nach Übersee, Israel oder Japan. Dies lässt uns
nicht nur von den Luxusvillen träumen, sondern auch in andere Welten
eintauchen, abdriften, staunen und den Kopf schütteln. Phänomenal!!
Gehen
also die Türen auf, geht man zunächst einmal auf Entdeckungstour durch das
Haus. Neben einer faktischen Beschreibung des Baus, der Materialien und
einzelner innenarchitektonischer Elemente, lernt man die stolzen Eigentümer
kennen. Meist sehr charmant erzählen diese vor allem von ihrer Motivation ein
solch außergewöhnliches Haus zu bauen und von ihren Lieblingsplätzen im Haus.
An dieser Stelle ist schön, dass die sonst wenig emotionale Thematik ein
Gesicht bekommt und sehr persönlich, teilweise sogar berührend wird.
Zusammen
mit dem BBC arbeitet Netflix also die so grundlegende, allgegenwärtige Thematik,
nämlich die des Wohnens, auf. „Die außergewöhnlichsten Häuser der Welt“ ist
dabei jedoch kein gänzlich neues Format. Immobilien - Fans dürfte die Serie „Mieten
- Kaufen - Wohnen“ noch allzu bekannt sein, immerhin erlangte sie zu
Spitzenquoten-Zeiten knapp zwei Millionen Zuschauer. Außerdem beachtlich: ganze
acht Jahre lang jagte eine Reihe von Immobilienmaklern durch das
Vorabendprogramm auf der Suche nach den besten Schnäppchen.
Versucht
Netflix also durch ein Comeback der guten alten Maklerserie eingefleischte Häuser-Begeisterte
wieder in den Bann zu ziehen und in die Welt des Streaming - TVs zu locken,
oder steckt doch mehr dahinter? Reed
Hastings, Chef des Film- und Serien - Streemingdienstes Netflix, prophezeit den
Untergang des Fernsehens: „In einigen Jahren werden wir auf das Fernsehen zurückblicken
wie heute auf das Faxgerät.“
[1]
Er begründet
dies mit dem zunehmenden Wunsch der Flexibilität innerhalb der Gesellschaft und
den festen Ausstrahlzeiten des linearen TV-Programms. Möglicherweise begründet
sich darin auch die Übernahme herkömmlicher TV-Formate in das online Format,
denn dadurch werden diese jederzeit zugänglich gemacht.
Doch mit
einem Umbruch kommt immer auch die Frage der Selbstverortung, des Selbstverständnisses
und der Berechtigung eines Mediums. Wie das Rieplsche Theorem der
Kommunikationsgeschichte besagt, verdrängt kein Medium ein anderes.
[2] Kommunikative Funktionen werden neu geordnet und verordnet, das alte Medium
bleibt, muss jedoch neu definiert werden.
Der wesentlichste Unterschied zur TV - Tradition ist wohl, dass die Häuser in der
2019 erschienenen Netflix- Serie schon in Händen glücklicher Besitzer sind -
keine übereifrigen Makler also. Oder
doch?! Wenn man ehrlich ist, riesengroß ist der Unterschied zwischen werbendem
Makler und Caroline Quentin nicht. Diese steht gänzlich überwältigt und überrascht
das erste Mal in den außergewöhnlichen Häusern. Da kann es schon mal vorkommen,
dass drei Häuser in Folge als „definitiv das schönste Haus der Welt“ in den
Himmel hoch gelobt werden. Die Preise der Häuser werden dann aber doch geheim gehalten, nicht dass noch jemand
auf die Idee kommt eine Kaufanfrage zu stellen. Leider merkt man nichts davon,
dass Quentin, die in der Serie als Moderatorin fungiert, einmal den „Best
Comedy Actress“ - Award gewonnen hat. In „Die außergewöhnlichsten Häuser der
Welt“ ist sie leider wenig lustig und kommt mit flachen Floskeln daher. „Ahhh
und erst die Aussicht, schaut euch die Aussicht an!“ Quentin schaukelt sich in ihren Lobpreisungen
leider völlig umsonst hoch. Es wäre wünschenswert, nicht alle 10 bis 15 Minuten
dieselbe Floskel zu einem neuen Haus zu hören.
Um fair
zu bleiben, muss an dieser Stelle Piers Taylor genannt werden. Er brilliert oft
mit Fachwissen und bewahrt die Serie in der ein oder anderen Situation davor,
in die Unprofessionalität abzudriften. Danke dafür! Man merkt, dass der seriös,
aber sympathisch wirkende Moderator aus der Branche kommt. Nach einem Studium
an der Cambridge University gründet und leitet er ein renommiertes
Architektenprogramm. Immer
wieder schafft er es somit seine überschwängliche Kollegin auf den Boden der
Tatsachen zurück zu holen, um gekonnt die Bauweise der Häuser zu beschreiben
oder Skizzen anzufertigen. Diese sind nicht nur schön anzusehen, sondern tragen
auch zur Orientierung des Zuschauers bei. Nochmals ein herzliches Dankeschön
Piers!
Die
Serie ist alles in allem nicht nur was für Häuserfreaks, auch Landschaftsfans,
Designliebhaber, Weltenbummler, Innenarchitekten oder auch die, die während des
Wohnungsputzes einfach nur etwas Hintergrundunterhaltung suchen, kommen auf
ihre Kosten! Warum kann also neu-aufgemacht statt neu-gedacht nicht auch
einfach mal gut sein? Oder wie es Caroline Quentin ausdrücken würde: „Phänomenal!
ÜBERWÄLTIGEND!“ Wir warten also gespannt auf eine dritte Staffel! Und wenn
Carolins quäkende Stimme uns doch mal zu viel wird, schalten wir zwischendrin
einfach für ein paar Minuten auf stumm, denn allein die Szenerien sind es Wert
Beachtung geschenkt zu bekommen.
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