von Johanna Brandl
…oder: Die große FIFA-Story
(auch Planet FIFA vom französischen Originaltitel La Planète FIFA). Regisseur
Jean-Louis Perez versucht mit seiner Dokumentation aus dem Jahr 2016, die von
arte und netflix erstausgestrahlt wurde, Klarheit über die Machenschaften des
umstrittenen Weltfußballverbands zu schaffen.
Die Doku beginnt mit einem
einschneidenden Ereignis: Am 27. Mai 2015 werden sechs FIFA-Funktionäre in
Zürich durch das FBI festgenommen. Der Grund: ihnen wird Korruption im
Zusammenhang mit der Vergabe von Austragungsorten der Weltmeisterschaften –
darunter auch die WM 2006 in Deutschland - sowie bei der Wahl von Funktionären
vorgeworfen. Diese Festnahme ist die
erste in der langen Geschichte der FIFA. Eigentlich ein Wunder.
Denn nach der kurzen Sequenz
mit aktuellen Inhalten wird nun ausführlich die Historie der FIFA,
ausgeschrieben Fédération Internationale de Football Association,
nacherzählt. In über 100 Jahren - seit der Gründung im Mai 1904 - ist viel passiert.
Und schnell wird klar: Korruption gehört zur FIFA wie Lionel Messi zum FC
Barcelona. Mit dem Niederlegen des Amtes als FIFA-Präsident von Jules Rimet,
der als (Mit-)Begründer der Fußballweltmeisterschaft gilt, gehen im Jahre 1954
auch jegliche Werte wie Gerechtigkeit und Einheit verloren, für die die FIFA
ursprünglich stehen sollte und wollte.
Mit Sir Stanley Rous, der
von 1961 bis 1974 als sechster Präsident des Weltfußballverbands amtierte,
werden die ersten Aktivitäten zur Generierung von Wählerstimmen klar: denn
jedes Land verfügt über eine Stimme, die gerade auf dem afrikanischen Kontinent
leicht erkauft werden kann. Auch der Sportartikelhersteller Adidas – verkörpert
durch den Sohn des Gründers Adolf Dassler, Horst Dassler – rückt in kein gutes
Licht.
Danach wird der – zunächst
Widersacher und dann Nachfolger – João Havelange porträtiert, der sage und
schreibe 24 Jahre im Amt war. Ein richtiger Familienvater also. Er hat die FIFA zu dem
gemacht, was sie heute ist: eine Mafia. Und dies wird in der Dokumentation zum
Glück auch deutlich. Unterstützt werden die Thesen durch glaubwürdige „Zeugen“:
hauptsächlich ehemalige FIFA-Mitarbeiter, Anwälte, Politiker, Journalisten und
viele mehr. So viele, dass zum einen deutlich wird, wie viele in die Geschäfte
involviert waren. Zum anderen verliert man schnell den Überblick und ist
überfordert, die Menschen zu- und einzuordnen. Besser und prägnanter wären
weniger, aber dafür wiederkehrende Sprecher.
Im Jahr 1975 angekommen,
tritt endlich einer der bekanntesten Fußballfunktionäre auf: der Schweizer Joseph
„Sepp“ Blatter. Auch in das Dunkel seiner Person wird viel Licht gebracht. Mit dem Aufstieg des
ehemaligen französischen Fußballprofis Michel Platini zum persönlichen Berater
Blatters im Jahre 1999 bis 2002 sind wir nach 47 Minuten dann endlich im 21.
Jahrhundert angelangt. Somit stellt die Hälfte der Dokumentation einen
historischen Rückblick von „vor 1900 irgendwas“ dar. Langeweile
vorprogrammiert, zumal bisher wenig große Überraschungen präsentiert wurden,
sondern mit ein wenig Vorwissen bereits vorhandene Erkenntnisse wiedergegeben
werden.
2002: Generalsekretär Michel
Zen-Ruffinen begeht Hochverrat, indem er auf einer Pressekonferenz öffentlich
Familiengeheimnisse ausplaudert und Anschuldigungen in Richtung Präsident Sepp
Blatter formuliert. Dennoch wird Blatter wiedergewählt und Zen-Ruffinen muss
gehen: dies zeugt wieder einmal von den funktionierenden Mechanismen innerhalb
der FIFA. Von Fair Play kann hier nicht die Rede sein.
Eine Klage vor einem
Schweizer Gericht wird nie bearbeitet, das Verfahren eingestellt.
Für weitere Diskussionen
sorgte die Vergabe der WM 2010 nach Afrika, 2014 nach Brasilien sowie 2022 nach
Katar: spätestens jetzt sollte jedem klar geworden sein, dass es hier nicht mit
rechten Dingen zugehen kann. Denn zum einen muss das Turnier aufgrund der
extrem hohen Temperaturen in die Wintermonate November und Dezember verlegt
werden und kann nicht wie gewohnt in den Monaten Juni und Juli stattfinden. Außerdem
ist eine Fußballtradition in Katar quasi nicht existent und auch die
Menschenrechte werden im arabischen Emirat Katar nicht so ernst genommen…
Die Dokumentation ist
durchaus sehr informativ, der unterhaltsame Charakter bleibt aber vollends auf
der Strecke. Die kurzen Sequenzen, in denen man fußballspielende Kinder oder
Männer (ein Mal sogar Frauen, wow!) sieht, wirken wahllos eingefügt. Leider
stellt die Dokumentation hauptsächlich einen historischen Rückblick dar, in dem
wenig überraschende Enthüllungen präsentiert werden können. Offensichtliche Sachverhalte
werden zum Teil behandelt wie die Entdeckung Amerikas. Ein einziges offizielles
Dokument, auf dem illegaler Geldverkehr ersichtlich ist, wird gezeigt. Dennoch halte ich diese
Dokumentation für sehr wichtig, denn der beliebteste Sport unserer Gesellschaft
darf nicht noch mehr durch eine solche Organisation kaputt gemacht werden und
es muss zu einer Veränderung kommen. Denn auch der neue FIFA-Präsident Infantini
ist momentan dabei, die alten Strukturen aufrechtzuerhalten, statt sie
aufzubrechen. Muss in der Familie liegen…
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