TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 13. November 2017

Heimatidylle im Abendprogramm: Dahoam is dahoam

Von Laura Moll

„Du mia warn letzte Woch in der Therme und die ganzen Frauen im Solebecken ham über Dahoam is Dahoam geratscht.“, erzählt mir meine Oma freudestrahlend. Die Serie scheint ein bayernweites Phänomen zu sein, jeder kennt sie, jeder redet darüber. Seit 2007 wird die halbstündige Soap Montag bis Donnerstag im BR ausgestrahlt und wird bald die 2000. Folge erreichen. Die anscheinend größtenteils weibliche Fangemeinde zieht sich durch alle Altersgruppen. Aber auch so mancher Mann ist fasziniert, selbst wenn er es nicht offen zugibt und die Serie nur „seiner Frau zuliebe“ mitschaut. 

Im fiktiven Dorf Lansing passiert immer etwas, ob im Brunnerwirt, in der Apotheke, oder bei den Dorfbewohnern zuhause. Dabei ist die Serie bei weitem nicht so überdramatisch und unrealistisch gestaltet, wie man es von einem solchen Format erwarten würde. Bisher ist in den 10 Jahren Sendezeit noch nie ein vermeintlich Toter wieder auferstanden und nur dreimal stellte sich heraus, dass doch jemand anderes als gedacht der Vater war. Jede Folge besteht aus drei Handlungssträngen. Diese reichen von lustigen Missverständnissen bis hin zu sehr ernsten Themen wie Drogenmissbrauch und der Umgang mit Demenz. Obwohl zeitweise manche Geschichten, um noch einmal meine Oma zu zitieren, „a rechter Schmarrn“ sind, ist die generelle Handlung der Serie doch sehr unterhaltsam und regt aber auch zeitweise zum Nachdenken an. Oft werden aktuelle Themen wie die Flüchtlingskrise, aber auch zum Beispiel die Fußball WM aufgegriffen. Die Charaktere sind größtenteils sehr liebenswert und werden authentisch gespielt. Der Eindruck vom typisch bayerischen Dorfleben, oder zumindest vom Leben der innersten Dorfgemeinschaft, wird gut vermittelt. Die Ratscherei, das Vereinsleben und natürlich die innige Feindschaft mit dem Nachbardorf Wangen dürfte so manchen an sein eigenes „dahoam“ erinnern. Wäre dies eine amerikanische Serie, würde man wohl die fehlende Repräsentation von Minderheiten in den Hauptrollen kritisieren, aber für das bayerische Verständnis deckt der fränkische Apotheker Bamberger diese recht zufriedenstellend ab. 

Für die Empörung vieler Zuschauer sorgte 2016 der neue Fernsehdirektor des BR. Dass dieser die Sendezeit von 19:45 auf 19:30 änderte konnte noch toleriert werden. Doch dass die Wiederholung der Vortagesfolge in der Mittagszeit abgeschafft wurde ging nun doch zu weit. Nur noch mitten in der Nacht läuft die Wiederholung und um 6:00 Uhr morgens, was dann auch für meine Frühaufsteher-Oma etwas grenzwertig ist. So eignete sich mein Opa ihr zuliebe die Bedienung des Festplattenrekorders an und ihre Entrüstung über den neuen Fernsehdirektor legte sich wieder. Was vor allem viele der älteren Zuschauer nicht wissen ist, dass der Sender einen Service bietet, den sich ein privater Sender nie erlauben könnte: donnerstags um 20:00 Uhr, nach dem Ende der letzten Folge der Woche, hat man bereits die Möglichkeit, in der Online-Mediathek auf alle Folgen für die kommende Woche zuzugreifen. 

Alles in allem ist Dahoam is Dahoam für mich die beste Daily Soap im deutschen Fernsehen und überzeugt mit ihrem realistischeren Ansatz und bayerischer Gemütlichkeit. Auch wenn ich die Sendung nicht mehr so begeistert verfolge wie vor einigen Jahren, finde ich sie, wenn ich sie sehe, immer noch sehr unterhaltsam. Entkommen kann ich der Serie sowieso nie ganz, solange ich in Bayern wohne.

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