TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 13. November 2017

Anne will diskutieren

von Anna-Leandra Fischer

Talkshows gibt es in der heutigen deutschen Fernsehkultur wie Sand am Meer: Hart aber Fair, Maybrit Illner, Maischberger, Markus Lanz. Die Liste könnte schier endlos fortgeführt werden. Zu diesen Formaten zählt auch Anne Will. Die Debattenshow, die jeden Sonntag um 21:45 Uhr eine Stunde Sendezeit – direkt nach dem Tatort – in Beschlag nimmt. In Anbetracht dessen, dass Talkshows eigentlich nie zur Primetime laufen – das Format im Allgemeinen ist dann doch meistens zu seriös und informativ für die breite Zuschauermasse – hat Anne Will eine besonders gute Ausgangslage. Markus Lanz muss sich beispielsweise hingegen mit einem Sendeplatz um 23:15 Uhr begnügen. Was hat die Will was der Lanz nicht hat, könnte man sich nun fragen. Die Frage bleibt offen, die Entscheidungen der großen Medienkonzerne werden hinter verschlossenen Türen ausgetragen. Damit hat sich der Zuschauer schon längst abgefunden.

Das Problem der zeitlichen Peripherie der durchaus bildenden und diskursfördernden Shows sollte aber dennoch im Allgemeinen beklagt werden. ARD und ZDF als öffentlich-rechtliche Fernsehsender sollten doch eigentlich verpflichtet sein ihr Programm hauptsächlich der Information zu verschreiben. Für die Unterhaltung sind die Privaten zuständig, damit sie so die Quoten abgreifen und ordentlich Umsatz generieren können – durch Werbezeiten, die gefühlt länger dauern als das Programm selbst. Ich bin der Meinung, dass eine Talkshow auch mal um 20:15 gezeigt werden darf und soll, vielleicht können die Öffentlich-Rechtlichen so auch ihren Bildungsauftrag endlich erfüllen. Eine Zuschauerin würden sie so definitiv gewinnen, denn dann würde ich meinen Fernseher nicht erst um 22 oder 23 Uhr einschalten, um Gehaltvoll(eres) als irgendeinen melodramatischen Romantikschinken anschauen zu können.
Zurück zum eigentlichen Thema. Das Talkshowformat in der Debattenrunde mit einem Moderator oder einer Moderatorin und einigen mehr oder weniger bewanderten „Experten“ und wahlkampfbetreibenden Politikern ist altbekannt und doch kommt jede aktuelle Sendung durchaus speziell daher. Die Themen der Shows passen sich an das aktuelle Tagesgeschehen an. Wenn Erdogan wieder besonders menschenfeindlich war und ausgerechnet einen Deutschen eingebuchtet hat, geht es um die türkische Politik. Wenn Trump aus unerfindlichen Gründen den Klimawandel nicht versteht oder verstehen will, geht es um die Umweltpolitik. Und wenn die Krawalle des G20-Gipfels in Hamburg ausgeartet sind, geht es eben um das Fatale an den Extremisten, aber auch um den Sinn des Gipfels. So geschehen letzten Sonntag.  

Zu Gast durfte Anne Will Peter Altmaier (CDU), Olaf Scholz (SPD), Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), John Kornblum (ehemaliger US-Botschafter in Deutschland) und Georg Restle (Redaktionsleiter und Moderator von "Monitor") begrüßen, ein durchaus prominentes Gespann. Das bunt gemischte Politiker-Journalisten-„Experten“-Bouquet diskutierte über G20, den Sinn hinter einem solchen Treffen, die inhaltlichen Perspektiven und Einigungen des Gipfels, aber auch die Ausschreitungen im Schanzenviertel. Dem Hamburger Stadtteil, in dem mehrere Stunden Ausnahmezustand und „kriegsähnliche Zustände“ herrschten. Für mich sind das zwei verschiedene Paar Schuhe und das konnte man – oder zumindest ich – auch an der Gesprächsführung merken. Anne Will fiel es sichtlich schwer, diese zwei Themenfelder des Inhalts einerseits und der Ausschreitungen andererseits sinnvoll miteinander zu verbinden. Vielleicht wären die inhaltlichen Aspekte des Gipfels in einer eigenen Show besser aufgehoben. So war es schwierig das Springen zwischen den einzelnen, sehr breiten Themenfeldern nachzuvollziehen. Ganz zu schweigen ist von der inhaltlichen Leere, die damit in weiten Teilen verbunden war. 

Anne wollte diskutieren, sie hat es versucht. Aber den Informationsgehalt hätte ich auch durch die Nachrichten in der Tagesschau erfassen können und dabei wesentlich weniger Zeit aufgewendet. Aber etwas explizit Neues konnte die Talkrunde nicht zustande bringen. Und das wäre schließlich auch zu viel verlangt, oder? Haben Sie schon mal eine Talkshow gesehen, in der zum Schluss Eingeständnisse oder gar Konsens zum Vorschein kamen? Wieso sollte das dann eine Folge unter tausenden nun ändern.

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