TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 8. September 2010

Oh my God! They killed tolerance! South Park


von Tim Sommer


Ein Blick auf Amerikas kontroverseste Kleinstadt innerhalb der Fernsehwelt.
Das Scenario ist dem Zuschauer, welches sich vor ihm präsentiert, nur allzu bekannt. Ein Klassenraum gefüllt mit Schulkindern, die etwas teilnahmslos nach vorne an die Tafel blicken. An dieser steht ein genau so bekannter, in grün gekleideter Lehrer mit einer zylinderförmigen Puppe auf der Hand. Das Thema des Tages ist die Fernsehshow „Terrance and Phillip“, welche durch ihren obszönen Humor und ihre vulgäre Sprache, in der Kleinstadt South Park, für Empörung gesorgt hat. „Shows like Terrance and Phillip are what we call ‚toilet humor‘. They don’t expand your minds. These kinds of shows are senseless vile trash. You should be spending your time enlightening your mind with more intelligent entertainment,” erklärt Klassenlehrer Mr. Garrison.

Dieser Kommentar ist sowohl plakativ für die (zum Großteil) erwachsenen Menschen, welche sich wenig mit popkulturellen Phänomenen wie South Park auseinandersetzen, als auch für die Show um Kyle, Stan, Kenny und Cartman selber. Denn hier zeigt sich, wie die Sendung sich gegen die Kritik von Erziehungsautoritäten wehrt. Es stellt diese offen dar, um sie dann in einem Mix aus Selbstironie und pädagogischer Belehrung verstummen zu lassen. Und genau dies ist wohl eine der interessantesten Fassaden von South Park. Die bewusst selbstreflektierende Art, sich innerhalb der Show, durch eine Karikatur ihrer Selbst, auch bekannt als „The Terrance and Phillip Show“, in der amerikanischen Gesellschaft und Populärkultur zu positionieren. Genau dies kann in der Folge „Death“, aus der ersten Staffel, welche hier zu Beginn zitiert wurde, beobachtet werden. Die Folge ist ein direkter Kommentar auf Petitionen und Bemühungen von elterlicher und kirchlich-institutioneller Seite, die Sendung aus dem Fernsehprogramm zu verbannen. Innerhalb der Episode eskaliert die Debatte um kindergerechtes Fernsehen, weil die Eltern den Fernsehsender „Cartoon Central“, für das unmoralische Handeln ihrer Kinder verantwortlich machen. Für South Park ist dies nur ein simpler Verteidigungsmechanismus der Erziehungsberechtigten, die erzieherische Verantwortung von sich zu weisen. „I think that parents only get so offended by television, because they rely on it as a babysitter and the sole educator of their kids“. Mit diesem Statement adressiert Kyle den Zuschauer vor dem Fernsehr direkt. Kein Wunder, dass South Park an anderer Stelle auch auf den Amoklauf an der Columbine High School in Littleton, Colorado verweist, wo ähnliche Schuldzuweisungen, dem Fernsehen und der Unterhaltungsindustrie gegenüber, zu beobachten waren.
Was für eine soziale und gesellschaftliche Rolle die seit 1997 bei Comedy Central und seit 1999 auch in Deutschland ausgestrahlte Show nun wirklich hat, ist etwas schwieriger und gewiss nicht vollkommen eindeutig, auszumachen. Sicherlich konzentriert sie sich in vielen Folgen darauf, andere popkulturelle und populärkulturelle Erscheinungen ironisch, sarkastisch oder kritisch zu begutachten. Ob es nun Computerspiele, Starkulte oder Hollywoodkonventionen sind. Die Themen innerhalb einer Episode fokussieren sich hauptsächlich auf Dinge aus der Unterhaltungsindustrie, welche der Zuschauerzielgruppe nicht nur bekannt sind, sondern an denen sie auch grundlegend teilhaben. Dies ist die eine Seite von South Park, welche auf kreative, ironische und häufig auch vulgäre Weise abgehandelt wird. Dabei ist die Sendung jedoch nie zu kritisch, oder gar pädagogisch mit dem Finger zeigend, weil ihr bewusst ist, dass sie selbst zu diesem Teil der amerikanischen Kultur gehört und ohne ihn auch nicht existieren könnte.
Die andere Seite von South Park, ist ihre Funktion als „political commentator“. In der Folge „Death“ artikuliert sich diese Rolle durch die Problematisierung von Themen wie Euthanasie und Zensur. Nicht nur auf „Fan Bases“, sondern auch auf akademischer Ebene, wurde viel über die politische Haltung von South Park diskutiert. Dabei wird die Sendung häufig als tief Konservativ abgestempelt. Der Grund für diese Kategorisierung liegt relativ klar auf der Hand, denn eine Sendung wie South Park, welche eines der Zugpferde des TV-Senders Comedy Central ist, dessen präferiertes Publikum sich politisch links orientiert, evoziert mit anti-liberaler Satire mehr Kontroversität, als anders herum. Oder, um es in den Worten von Matt Stone, einem der Erfinder von South Park, zu formulieren: „ […] we are the only show that rips on Rob Reiner and antismoking laws and hippies, so we get the label conservative.”[1] In Wahrheit bezieht die Sendung auch eindeutige linkspolitische und progressive Standpunkte, wie beispielsweise zu Homosexualität, Euthanasie, Abtreibung und religiösem Übereifer, um nur einen keinen Teil der Bandbreite zu nennen. South Parks Ethik orientiert sich scheinbar nicht an der amerikanisch typischen, politischen Zweiteilung von Konservativismus und Liberalismus. Dennoch hatte das Produzentenduo um Matt Stone und Tray Parker lange Zeit damit zu kämpfen, dass sich immer mehr Republikaner mit der Sendung identifizierten. Um ein klares Statement abzugeben, dass sich South Park kein politisch parteiliches Label anhängen lässt, wurde in der Folge „Best Friends for Ever“ endgültig mit der republikanischen Partei, sowie mit Karl Rowe, George Bush und Dick Cheney abgerechnet. In typisch überstrapazierter South Park-Manier, werden sie als Stellvertreter der Hölle auf Erden dargestellt. Die Sendung wehrt sich damit auch gegen die Annahme, dass man im Land des Zweiparteiensystems nur politisch Stellung beziehen kann, wenn man sich entweder für Team Esel, oder für Team Elefant entschieden hat. Für South Park ist letzten Endes alles zum Abschuss frei gegeben und niemand vor den sarkastischen Kommentaren sicher. Oder wie es South Park, in der Doppelfolge „Cartoon Wars“, aus der zehnten Staffel, selbst formuliert: „If you censor something, you make a distingtion between what is okay to poke fun at and what isn’t. Ether it is all okay, or none of it is.“ Diese „all or nothing“ Philosophie, auch wenn sie historische und ethnische Problematiken vollkommen ausblendet, gibt der Sendung den nötigen Rückhalt sich gegen Vorwürfe, wie die Show sei politisch rechts, zu wehren. Außerdem ist dies der Grund, wieso es einem als Zuschauer möglich ist, über den „politisch- inkorrekten“ Humor, wenn er denn so genannt werden darf, zu lachen.
Bei South Park geht es also auch immer um die Problematik der berechtigten und unberechtigten Zensur. Seit der Erstausstrahlung der Show, ging jede Debatte um die Vulgarität und Obszönität der Sendung, einher mit der Thematik ihrer angeblichen „politischen Unkorrektheit“. Zwar generiert dieses Label nicht nur Abneigung, sondern auch viel Sympathie, dennoch sträubten sich selbst Matt Stone und Tray Parker davor, dieses populärkulturelle Konstrukt als vollkommen zutreffend für die Sendung zu sehen.[2] South Parks Humor ist aufgebaut durch eine symbolische Welt, die nie genau das ist, was sie repräsentiert, jedoch so offensichtlich konstruiert ist, dass sie jeder Zuschauer innerhalb weniger Minuten verstehen kann. Dem Publikum wird dabei jedoch abverlangt, dass es sich mit den zeitgeistlichen Themen und aktuellen Ereignissen auskennt, welche innerhalb einer Episode angesprochen werden. Stereotype werden in dieser symbolischen Welt bis aufs äußerste bestätigt, um jedoch gerade in ihrer Lächerlichkeit dekonstruiert zu werden. Homosexualität wird somit eigentlich schon durch Charaktere wie Big Gay Al, Mr. Slave und Mr. Garrison diffamiert. Dennoch wirkt South Park nicht wie eine homophobe Sendung. Im Gegenteil. Sie versucht ein Gleichgewicht zu schaffen, welches sich einerseits für Toleranz ausspricht, andererseits aber auch intolerant gegenüber zu viel Toleranz ist. Infolgedessen wird darauf hingewiesen, dass nicht die Existenz von Vorurteilen das große Problem ist, sondern der Glaube des Individuums, dass diese repräsentativ für eine bestimmte Gruppe von Menschen sei. Ob man sich dieser Meinung anschließt, oder ein sensibleres Verständnis für die sozialen Problematiken hat, die durch Stereotypisierung auftreten, ist dabei eines der zentralen Punkte, die darüber entscheiden, wie sehr man den Humor der Show tolerieren kann, oder nicht. Eines ist jedoch ganz gewiss. Minderheiten, die in der amerikanischen Kultur, auf Grundlage der Vergangenheit, in eine patronisierte Position gerückt werden, werden in South Park nicht mit Samthandschuhen angefasst. Man muss sich jedoch nicht jeder Meinung anschließen, welche die Sendung vertritt, um ein Fan zu sein. Im Fall von South Park ist es vielleicht auch nötig, ihr ab und an grundlegend zu wiedersprechen.
Trotz vieler Kritiker, welche teilweise zu Recht und teilweise zu Unrecht, auf die offensichtlichen Problematiken dieser kontroversen Darstellung von Randgruppen hinweisen, bleibt sich South Park in seiner Linie treu. Die Paradox klingende Herangehensweise, Vorurteile und Stereotype anzuprangern, indem man sie immer wieder bestätigt, setzt beim Zuschauer das Wissen voraus, dass diese grundsätzlich falsch sind. Folglich kann die Sendung, auch wenn sie Intoleranz propagiert, nur von aufgeklärten und vorurteilsfreien Zuschauern verstanden werden. Die Marke der „political incorrectness“ artikuliert sich also vor allem in der Redefreiheit, oder, wie es bei South Park besser heißen sollte, in der „Belustigungsfreiheit“ innerhalb der Sendung. Soziale und politische Kontroversen verlieren dabei zunehmend ihr heiliges Totem. Der Einfluss der Sendung auf das politische Denken des Zuschauers, sollte jedoch nicht überschätzt werden, denn der Zynismus, welcher sich in Satire und Ironie erkenntlich macht, fördert noch keine politische Aktivität. Es ist sogar eher Gegenteiliges zu beobachten. South Park nimmt sich selbst das politische Potenzial dadurch, dass es sich direkt gegen Progressivismus und Aktivismus ausspricht. Das Argument, man dürfe intoleranten und ignoranten Institutionen nicht die Toleranz auf erzwingen, tritt dabei öfters als nur in einer Folge auf. Denn die wirklichen Gegner von South Park, sind die Menschen und Institutionen, die Anderen vorschreiben, wie sie ihr Leben zu führen haben. South Park hat jedoch schon längst seine eigenen Grenzen gefunden. Denn trotz der „all or nothing“ Philosophie der Show, gibt es immer noch Comedy Central, welches einen Riegel vor die uneingeschränkte „Belustigungsfreiheit“ schieben kann. Die Problematik der Zensur holt South Park zu einer Thematik letztendlich doch noch ein. In der zweihundertsten und zweihundertersten Folge, wird sowohl die Darstellung des islamischen Propheten Mohammed zensiert, als auch ein Großteil der South Park typischen „You know I’ve learned something“ Rede, am Ende der Episode. Somit ist die Unterscheidung zwischen dem, was zum Spott freigegeben ist und was nicht, doch noch geschehen. Es wird also interessant sein zu beobachten, wie sich die Sendung von diesem Einschnitt rehabilitiert. Momentan befindet sich die Show in der Sommerpause und bringt keine aktuellen Episoden hervor. Es ist jedoch sicher, dass Comedy Central die Show, welche in ihrem 13 jährigen Bestehen, von ihrer Beliebtheit nichts verloren hat, vorerst nicht absetzen wird.

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