von Martin Jukic
Über Geschmack und Humor lässt sich bekanntlich nicht streiten. Da es hier aber nicht um die neueste Folge des Perfekten Promi-Dinners gehen soll, lassen wir den Geschmack außen vor und werfen einen Blick auf die vielfältige Welt des Humors im deutschen Fernsehen. Täglich werden die verschiedensten Arten von Sendungen ausgestrahlt, die unsere Lachmuskeln strapazieren sollen. Von Sketchsendungen, ob brandneu oder Klassiker in zigfacher Wiederholung über lustige Trickserien, manche hauptsächlich konzipiert für Kinder, andere ausdrücklich für Ältere gedacht, bis zu Sitcoms und Clipshows, deren Wurzeln in Amerika liegen, sollte für jeden Gusto etwas zu finden sein. Mancher Zuschauer steht solch „flacher“ Unterhaltung eher kritisch gegenüber und lässt sich ausschließlich auf Kabarett ein, da er einen Nutzen des Humors für die Verbesserung der Gesellschaft sucht, den er nur hierbei erkennt. Die Tradition des Kabaretts im deutschsprachigen Raum ist sicher besonders groß. Berühmte Vertreter der Vergangenheit wie Karl Valentin, Heinz Erhardt und Wolfgang Neuss, sowie lebende Künstler wie Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder und Georg Schramm sind weithin bekannt. Daher werden im deutschen Fernsehen auch zur Zeit viele, meist wöchentlich ausgestrahlte, Kabarettsendungen angeboten.
Einige beleuchten ausschließlich politische Aspekte, während andere sich thematisch mit Comedysendungen vermischen. Wobei selbst viele Kabarettisten und Komödianten den Unterschied nicht recht festzumachen vermögen. Die Grenzen sind hier sicher fließend. Als Beispiel sei hier Mathias Richling erwähnt, der in seiner Sendung Satiregipfel seit 2009 zwischen komplexen satirischen Gedankengängen, Parodien und teilweise weniger politischen Auftritten verschiedener Gäste wechselt.
Eine weitere Sendung, die bezüglich ihrer Konzeption aus dem Rahmen fällt, ist die im Juli und August im WDR ausgestrahlte Sendung Der dritte Bildungsweg des Kölner Kabarettisten Jürgen Becker. Das als Universitätsvorlesung gestaltete Programm verbindet die Elemente des politischen Kabaretts mit wissenschaftlichen Fragen und historischen Hintergründen und wird von „Professor“ Becker und seinen „Mitarbeitern“ Beate Bohr, Vince Ebert und Martin Stankowski im Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn präsentiert. Dazu gesellt sich in jeder Folge ein Prominenter Gast, der zum jeweiligen „Vorlesungsthema“ als passender Gesprächspartner erscheint. Zum Thema Religion am 25. Juli 2010 erschien beispielsweise der Religionskritiker und Erbauer provokanter Karnevalswagen, Jacques Tilly. Die Sendung ist abwechslungsreich gestaltet. Die Monologe Beckers, die auf humorvolle Weise wissenschaftliche Themen zu erklären versuchen, teilweise mit verblüffenden Wahrheiten, teilweise mit intelligent konstruierten Assoziationen, bilden den Kern des Programms. Die hauptsächlich auf die Regionalgeschichte Nordrhein-Westfalens bezogenen Reportagebeiträge Martin Stankowskis, der sich als vermitteln auf kreativ-investigative Weise einen etwas anderen Einblick in die historischen Umstände des Landes. Dieser ist als Germanist und bekannter Buchautor auf dem selben Gebiet auch bestens dafür geeignet und bringt sein Fachwissen auf amüsante Art und Weise zurr Geltung. Auch die Auftritte des studierten Physikers Vince Ebert, der ebenso wie Becker bereits durch Soloprogramme und Auftritte in anderen Kabarettsendungen bekannt ist, fügen sich harmonisch in das Ambiente ein: Wissenschaft zum schmunzeln und weiterdenken, bildungsfördernd und intelligent. Als Kritikpunkt könnte man höchstens anmerken, dass manche Probleme, wie der heilige Krieg radikaler Islamisten, etwas zu harmlos dargestellt werden. Hier besteht jedoch die Schwierigkeit, sich wieder in bitterernstes Terrain zu begeben, indem einem das Lachen im Halse stecken bleiben könnte. Beispielsweise wohnt einigen Nummern Georg Schramms dieses Gefühl inne, hier wäre es aber möglicherweise fehl am Platz.
Auch die starke Beschränkung auf Themen aus dem niederrheinischen Raum könnte man als negativen Aspekt nennen. Allerdings dient dies teilweise auch dazu, einen konkreten geschichtlichen Bezug herzustellen und Themen klar zu fokussieren. Außerdem handelt es sich schließlich um eine Sendung des WDR, dem man, wie jedem Dritten Programm, sicher eine Portion Lokalkolorit zugestehen sollte. Auch die teilweise obligatorisch erscheinenden Seitenhiebe auf den 1.FC Köln und die teilweise recht kalauerhaften Pointen hierzu kann man der Sendung sicher verzeihen, denn diese sind einerseits Auflockerung des teils sehr anspruchsvollen Humors, andererseits verstärken sie meiner Meinung nach ebenfalls die Bindung zum Studiopublikum, welches zum Großteil aus NRW stammt.
Die Sendung, die vom 18. Juli bis zum 22. August 2010 immer Sonntagabends um 22.15 Uhr zu sehen war, stellt eine informative und innovative Art der Wissensvermittlung mit Hilfe von Humor, beziehungsweise des Lachens mit Hilfe der Wissenschaft dar und wurde vom Publikum positiv aufgenommen.
Möglicherweise nicht zuletzt durch die Tatsache, dass man mit dem guten Gefühl abschaltet, gleichzeitig etwas gelernt und gelacht zu haben. Dem politischen Kabarett und seinem Publikum wird mitunter vorgeworfen, es würde über die Probleme der Benachteiligten lachen und nur der Unterhaltung der Privilegierten dienen. Darüber kann man sicher streiten, aber dem dritten Bildungsweg so etwas vorzuwerfen wäre falsch. Natürlich kann man auch hier darüber nachdenken, ob sich die Zuschauer gegenüber den Konsumenten anderer Sendekonzepte abzugrenzen versuchen, um ihre scheinbare Überlegenheit zu zeigen. Doch vielleicht ist es das fehlende Gefühl der unterschwelligen Wut auf politisches Versagen, der vielen Politkabarettvorstellungen innewohnt, welches im dritten Bildungsweg einer Begeisterung an der Materie weicht.
Diese Begeisterung bietet nicht nur Chancen für ein allgemeineres, nicht ausschließlich politisches Kabarett, sondern auch anderweitige Möglichkeiten für unsere Gesellschaft. Das mag sich auf den ersten Blick großspurig anhören, doch führt man sich das Potenzial des Humors vor Augen, das schon berühmte Dichter und Philosophen erkannten, nicht unbedingt.
Ständig hört man, wir lebten in einer Nation mit einem Bildungsproblem. Daher böte sich ein Konzept wie dieses förmlich an, um Menschen für Schule und Wissenschaft zu begeistern. Es entzieht sich allerdings meiner Kenntnis, inwieweit sich zum Beispiel Schüler für derartige Programme interessieren. Einerseits endete die Sendung Sonntags erst um 23.15 Uhr, andererseits wurde sie während der Ferien ausgestrahlt. Auf jeden Fall aber kann Der dritte Bildungsweg einen kleinen Denkanstoß darstellen für diejenigen, deren Aufgabe es ist, Anderen Wissen zu vermitteln. Natürlich sollte keine Schule in einen Zirkus oder eine Comedybühne verwandelt werden, aber zumindest sollte sie die Schüler wenn möglich ebenso kreativ zum denken anregen, wie Becker und seine Kollegen es vermochten. Nicht nur blankes Faktenwissen, sondern auch kritisches Denken wird hierdurch unterstützt, so wie es die Aufgabe des Kabaretts und jeder Erziehung sein sollte. Wenn Ebert beispielsweise aufklärt, dass der so in der Politik oft zitierte „Quantensprung“ rein physikalisch eine kleinstmögliche Veränderung beschreibt, kann man schon besser durch die Landschaft der Phrasendrescher blicken und hört vielleicht in Zukunft etwas genauer hin. Und wenn Becker,
Oft genug wird von Kritikern bemerkt, das moderne Fernsehen verdumme unsere Jugend. Zu einem Teil mag das zutreffen. Sicher ist auch, dass den öffentlich rechtlichen Sender hier einen besonderen, auch vertraglich festgehaltenen, Bildungsauftrag obliegt. Im Fall von Der dritte Bildungsweg wird dieser meiner Meinung nach voll erfüllt. Wie bereits erwähnt können die wenigen Kritikpunkte das Fernseherlebnis nicht wirklich trüben. Sie regte auch mich zum Denken an, wie gesagt: Darüber, wie man für solches Fernsehen ein größeres Publikum gewinnt und möglichst alle Gesellschaftsschichten in der Zuschauerschaft abdeckt. Ein „massenkompatibler“ Termin, vielleicht. Auf jeden Fall aber erst einmal eine Fortsetzung des Programms.
Auch gezielte Programmwerbung am Nachmittag oder hinweise von Erwachsenen könnten das Interesse ankurbeln. Dies gelänge allerdings nur, wenn sich die Erwachsenen selbst für diese Art Unterhaltung begeisterten. Man sollte allerdings auch respektieren, wenn manche Zuschauer nur unterhalten und nicht belehrt werden wollen, auch wenn hier eine ansprechende Kombination angeboten würde.
Ich lege mich persönlich nicht auf eine bestimmte Art der Fernsehunterhaltung fest. Wie bei Vielen hängt die Art des Humors, die mich anspricht, vom Gemütszustand ab. Geht es mir weniger gut, bin ich schadenfroh, möchte ich eine Geschichte erzählt bekommen, sehe ich mir eine Filmkomödie an. Für Jürgen Becker und seine Kollegen sollte man sicher hellwach und aufmerksam sowie neugierig sein. Dann kann man in vollem Umfang davon profitieren.
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