von Susanne Haspel
Hannibal. Der Titel der Serie. Das ist alles, was der Zuschauer zum Verständnis des Konzepts benötigt.
Egal, ob durch die wohl bekannteste
Inkarnation von Anthony Hopkins in Das
Schweigen der Lämmer, Brian Cox in Blutmond,
die ursprünglichen Romane von Thomas Harris oder einfach nur durch
‚Allgemeinwissen‘: Der Name Hannibal Lecter wird bei jedem unverzüglich zu
Assoziationen führen. Und mit genau diesen Assoziationen weiß diese Serie so
gekonnt zu spielen.
Auf den ersten Blick scheint es sich
nämlich nur um eine weitere Krimiserie zu handeln, bei der in jeder Folge ein
neuer Fall behandelt wird. Jedoch wird dieses Ermittlerteam um die Verstärkung
des zu dieser Zeit noch als Psychiater tätigen Dr. Lecters bereichert. Das
Konzept ist aus ähnlichen Serien wie z. B. The
Blacklist bekannt. Ein eigentlich nicht zur Polizei – in diesem Fall zum
FBI – gehöriger Berater soll da zur Hilfe eilen, wo die dafür Ausgebildeten zu
versagen scheinen. Wer könnte denn schon besser einem Serienkiller auf die
Schliche kommen als ein Serienkiller? Wer jedoch auch nur ein gewisses
Verständnis von Hannibals Charakter hat, kann sich wohl oder übel ausmalen, wer
bei diesen Ermittlungen tatsächlich die Zügel in der Hand hält. Doch die Serie
reizt es noch weiter aus.
Ein Fokus liegt auf dem Thema Essen.
Selbstverständlich. Zahlreiche Szenen werden in jeder Folge dem Zuschauer präsentiert,
die Hannibal bei der Zubereitung von Speisen zeigen, die man ansonsten nur in
Gourmetrestaurants vorgesetzt bekommt. Kein blutiges Zerstückeln, keine mit
Schuld befleckte Kleidung. Stattdessen steht er in blütenreinen Hemden in
seiner Luxusküche und bereitet von klassischer Musik untermalt die
vorzüglichsten Köstlichkeiten für seine Besucher zu, die diese anschließend
genüsslich verspeisen.
Mehr wird dem Zuschauer nicht gezeigt.
Aber mehr muss man auch nicht zeigen. Diese Bilder allein reichen vollkommen
aus, um einem jeden Zuschauer trotzdem den Appetit vergehen zu lassen.
Auch die kriminellen Tätigkeiten von
Hannibal an sich werden meist nur angedeutet. Eine vollkommen in Rot gekleidete
Journalistin mit recht blasser Haut versucht sich als Patientin auszugeben und
dadurch Hannibal als Psychiater Informationen zu entlocken. Sie wird augenblicklich
durchschaut. Ein angespanntes Blickaustauschen zwischen ihr und Hannibal ist
das letzte, was man von ihr in der Szene zu sehen bekommt. Ohne großen Übergang
wird dem Zuschauer als nächstes das Bild von fein geschnittenem weißem Fleisch
auf hochwertigem Geschirr vorgesetzt, das gerade mit einer tiefroten Soße
übergossen wird. Alle Schlussfolgerungen werden der Vorstellungskraft des
Zuschauers überlassen.
In diesem Fall übernimmt dabei Mads
Mikkelsen die ikonische Rolle des Hannibal Lecters. Doch auch wenn ein
Vergleich mit der Oscar-prämierten Performance von Anthony Hopkins nahezu
unumgänglich ist, muss sich Mikkelsen sicher nicht verstecken. Genau wie Hopkins
muss er nicht viel screen time für sich beanspruchen, um in seiner Rolle zu
glänzen. Vom ersten Moment an braucht er nur kurz die Szene betreten, um alle
Aufmerksamkeit augenblicklich auf sich ziehen zu können. Grund dafür ist eine
elegante, zu gleich aber jedoch immer auch bedrohliche Ausstrahlung, die für
Hannibal einfach unumgänglich und kennzeichnend ist. Wie auch Hopkins meistert
Mikkelsen dies durchweg tadellos. Man ist sich durch seinen Gesichtsausdruck
allein ständig bewusst, mit was für einem Monster man es hier eigentlich zu tun
hat. Jedoch verkörpert er gleichzeitig einen geradezu vornehmen Charme, dem
weder der Zuschauer noch die anderen Charaktere der Serie leicht entkommen
können. Und findet man sich erst einmal in den Fängen von Hannibal, wird man
diesen auch nicht mehr entkommen können.
Nun könnte man meinen, dass dieses
Wissen um die Identität von einem der Hauptantagonisten der Serie die Spannung
und das Mitfiebern erheblich einschränken müssten. Dem ist jedoch keineswegs
so. Hier ist klar der Weg das Ziel und viel interessanter als das unausweichliche
Ende, das dem Zuschauer vom ersten Moment an bewusst ist und ständig wie ein
Damoklesschwert über der Serie schwebt.
Aber nicht nur in Hannibals Fall wird
weniger darauf Wert gelegt, es dem Zuschauer durch unmögliche und umständliche
Wege zu verheimlichen zu versuchen, bei wem es sich um den Mörder handelt, wie
es z. B. in vielen der CSI-Serien ständig der Fall war und ist. Der Täter wird
meist bereits zu Beginn der Folge voll gezeigt und seine Tat unverzüglich und
schnell auf ihn zurückgeführt. Grund dafür ist, dass die Morde nicht wirklich
im Mittelpunkt der Handlung stehen. Sie werden lediglich als Vehikel zur
Charakterentwicklung der Hauptfiguren benutzt.
Dabei lernt man meist weniger Hannibal
als vor allem den eigentlichen Protagonisten Will Graham (Hugh Dancy) besser
kennen. Unterstützt von zitternden Einstellungen und herzklopfartiger
Hintergrundmusik wird man sich schnell in die Lage des extrem introvertierten,
dabei aber zu enormer Empathie fähigen FBI Profilers versetzen können. Auch bei
ihm handelt es sich - genau wie bei Lecter - um eine Unterstützung für das FBI,
da er zuerst noch als Lehrer arbeitet. Weil er sich jedoch durch das Aufklären
aller vorgelegter Fälle in seiner eigenen einzigartigen Weise mehr als beweisen
kann, zieht er nicht nur die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich.
Wills Psyche ist ein weiteres
Hauptthema zusammen mit deren Erforschung und möglicherweise auch Beeinflussung.
So begibt er sich erst zögernd in die „Behandlung“ Lecters, da sich Will selbst
nicht für psychisch auffällig, geschweige denn krank, hält. Ihre Sitzungen
werden deshalb von Lecter als eine Art Unterhaltung zwischen zwei Freunden
dargestellt. Hier findet man einen anderen Geniestreich und Schwerpunkt der
Serie. Denn was hier als intelligente und entspannte Gespräche beginnt, wird zum
Kern der Serie werden und alle existierenden drei Staffeln grundlegend prägen.
Denn dem Zuschauer wird eines mit jeder Folge immer klarer werden: Eine Freundschaft
mit Hannibal kann nur aus einem Berg aus Leichen aufgebaut werden. Die Frage
ist jetzt nur, bei wem es sich in diesen Leichen handeln wird.
Abschließend sei noch darauf hinzuweisen,
dass diese Serie nicht notfalls für jeden 0815-Krimiserienfan geeignet ist.
Auch wenn sie leicht durch ihre wunderschöne Cinematographie, die subtile aber
effektive Musik und die ausgezeichneten Performances des Main-Cast verlockend
wirkt, darf man nicht vergessen, dass es sich um eine sehr Gore-lastige Serie handelt.
Wer damit nicht klar kommt, sollte Hannibal vielleicht dennoch lieber meiden.
Ein Horrorfan dagegen kann sich an den unglaublich einfallsreichen Morden
erfreuen und darf jedes Mal aufs Neue eine Leiche bewundern, die man fast als
eine Art morbides Kunstwerk bezeichnen könnte.
Aber was hätte man auch sonst von Hannibal erwartet?
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