TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 23. Februar 2015

The Code - Hacker-Thrill unter der gleißenden Sonne Australiens

von Tim Ende

Die Krimiserie The Code besticht durch rasante Spannung, eine hochaktuelle Thematik und spektakuläre Naturbilder vom fünften Kontinent 

Wie einflussreich und wichtig Serien für die deutsche Fernseh-Kultur geworden sind, wurde nicht zuletzt auf der 65. Berlinale, die dieses Jahr vom 5.-15. Februar stattfand, deutlich. Denn erstmals wurde auf dem internationalen Film-Festival ein eigenes Programm für Dramaserien kreiert, welches unter anderem deutsche, skandinavische und amerikanische Formate beinhaltete. Serien haben sich längst zu einer lukrativen Einnahmequelle entwickelt und dementsprechend steigen die Budgets der Produktionen unaufhörlich. In manch neuer US-Serie steckt mehr Geld als in einer klassischen Hollywood-Produktion. So soll Marco Polo,  eine Eigenproduktion des US-Streaming-Dienstes Netflix, über 90 Millionen US-Dollar gekostet haben.

Diese Entwicklung scheint beim Publikum anzukommen. Serien werden auch in Deutschland immer beliebter und die Zuschauer sind mit fortschreitender Serien-Erfahrung auch anspruchsvoller gegenüber den neuen Formaten geworden. Zwanzig-minütige Einzel-Episoden, die mit einem konstruierten Cliffhanger enden, sind in Neuproduktionen kaum noch zu finden. Prägend für die Serienlandschaft und mit ein Grund für die zunehmende Beliebtheit von episodischen Erzählformaten mögen die US-amerikanischen Vorbilder wie Breaking Bad, Game of Thrones (GOT) oder Walking Dead sein, die sich eines riesigen Fan-Publikums erfreuen. Die USA sind auch hier mal wieder Trendsetter und die deutschen Fernsehsender wollen vom Erfolgsformat etwas abhaben. So zeigt RTL2 zum Beispiel die Fantasy-Serie GOT Staffel für Staffel stets am Stück, um so den neuen Konsumgewohnheiten der Zuschauer gerecht zu werden, die ganze Staffeln oft in kurzen Zeitabständen hintereinander anschauen. 
Aber auch die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender springen auf die Erfolgswelle auf und merken, dass sie mit der Erzählkunst Serie eine neue, jüngere Zielgruppe erreichen können. Der deutsch-französische Sender ARTE startete am 19. Februar die Ausstrahlung von The Code, einer australischen sechsteiligen Krimiserie, deren Episoden immer donnerstags in Doppelfolgen zu sehen sind. Die Serie ist schon allein deshalb erwähnenswert und lohnend anzuschauen, weil das glühende Panorama Australiens eine angenehme Abwechslung zu den urbanen Handlungsschauplätzen der meisten Krimi-Serien darstellt. 
Bei der Serie geht es um den jungen Journalisten Ned Banks (Dan Spielmann), der für ein Online-Magazin tätig ist und mit Hilfe seines autistischen Bruders Jesse (Ashley Zukerman) einen politischen Skandal ins Rollen bringt, an dem die oberste Machtelite des Landes beteiligt zu sein scheint. Die Serie, die unter anderem vom US-amerikanischen TV-Sender ABC mitproduziert wurde, beginnt mit einem Autounfall unter mysteriösen Umständen, bei dem zwei Teenager im australischen Outback verunglücken und einer von ihnen ums Leben kommt. Im Laufe der ersten Folge bekommt Ned von seiner Ex-Freundin (Chelsie Preston Crayford), die inzwischen als Pressesprecherin im Außenministerium tätig ist, eine Reihe von Fotos zugespielt, die den Energieminister bei einer äußert peinlichen Situation zeigen. Banks veröffentlicht die Bilder und bringt den Energieminister gehörig ins Wanken; damit ist die Grundlage für einen politischen Skandal geschaffen. 
Die Komplexität und die verschiedenen, dunklen Charakterzüge der Figuren offenbaren sich dem Zuschauer innerhalb der ersten beiden Folgen nur Stück für Stück. Aus welchem Interesse und mit welchem Hintergedanken die einzelnen Akteure handeln, wird an ihrem doppelten Spiel nicht deutlich und erhöht somit die Spannung beim Zuschauer. So scheint die Freundin des autistischen Jesse, die ebenfalls wie er zu einer Bewährungsstrafe wegen Cyberkriminalität verurteilt wurde, dem Jungen seine einzige Bezugsperson zu sein. Im Laufe der zweiten Folge verbündet sie sich jedoch mit einem Agenten der Behörde für Cyberkriminalität, die Jesse zuvor entführt hat, um Informationen zurückzugewinnen, die Jesse bei einem seiner Internet-Streifzüge illegal erbeutet hat.
Mittelpunkt des Skandals in The Code ist eine ominöse Videodatei, die den Autounfall der Teenager zeigt und mögliche Mittäter entlarven könnte. Unter all diesen Aktivitäten scheint der übermächtige australische Staat zu stecken, der irgendwie in den Autounfall verwickelt ist. Die Thematik der Serie ist deswegen auch sehr spannend und nachvollziehbar, weil sie durch Skandale wie der NSA-Affäre eine erschreckende Aktualität bekommt. 
Die Figuren nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Kommunikationsmedien und auch aus diesem Grund wirkt die Serie wie ein Zeugnis unserer Zeit, die von ständigem Bildschirmflimmern und Signaltönen erfüllt ist. Die Serie spielt ganz bewusst mit den verschiedenen Medien und verleiht dem Zuschauer durch transparente Einblendungen der Bildschirmanwendungen das Gefühl, die Recherche im Internet oder durch Computerdateien nachvollziehen zu können. 
Die Bildsprache der gezeigten Naturlandschaften drückt die düstere Atmosphäre der Serie gut aus. So wird selbst das sonnige australische Outback zu einem Ort von Misstrauen und Verzweiflung, was durch erdrückende Totale und krude Lichtverhältnisse deutlich wird. Hinzukommen die Hitze und eine Armada von Fliegen, die den im Outback lebenden Menschen das Leben schwer machen und ihre Opfer zermürben. Eine Chiffre zum Verschwörungskreis der Machtelite, die durch ständige Überwachung jeden Schritt der handelnden Charaktere kennt. Diese Überwachungspolitik scheint auch den Charakteren bewusst zu sein, die stets in die eingeblendeten Überwachungskameraaufnahmen blicken und hilflos die Augenbrauen verziehen. 
Drehbuch-Autorin Shelley Birse ist mit The Code ein hochspannender Thriller gelungen, der von Regisseur Shawn Seet in ein aktuelles Design gesteckt wurde. Diese Serie stellt für den deutschen Fernsehzuschauer somit eine angenehme neue Qualitätserfahrung dar.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen