TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 24. Februar 2015

American Horror Story - #WirsindalleFreaks



von Wladimir Fuhrmann

Ein (Rück-)Blick auf die Serie zum Start der vierten Staffel

Willkommen zu Fräulein Elsas Cabinet of Curiosities. Am 26.11.2014 ging American Horror Story im deutschen PayTV in die vierte Staffel und nun betritt der Zuschauer (wie Sarah Paulson in der Einleitungssequenz beschreibt) „das Tor der Hölle“. Die Staffel vier der Anthologie-Serie handelt von einer der letzten Freak Shows in den fünfziger Jahren, geleitet von der Vorzeigeschauspielerin der Serie Jessica Lange alias Elsa Mars. 




Anthologie - das heißt staffelweise wechselnde Themenkomplexe mit größtenteils gleichbleibendem Cast, während die Geschichten staffelintern forlaufend sind. So betrat der Zuschauer das "Haunted House", die Psychatrie Briacliff in den sechziger Jahren, den Hexenzirkel von New Orleans und nun eben Fräulein Elsas Kabinett der Kuriositäten.
Jedoch lässt sich trotz Anthologie und wechselnder Szenerien feststellen, dass die Serie in Ästhetik, Figurenkonstellation und Grundthematik gleich bleibt. Einzuordnen ist die Serie in das Genre des psychosexuellen Thrillers/Horrors. So ist in jeder Staffel der Aspekt der Sexualität vertreten und nimmt für den „Horror“ der Serie eine dominante Rolle ein. Mögen es gewaltvolle sexuelle Akte oder ungewöhnlich inszenierte Fetische sein - zum Ziel wird die Kreation verstörender Bilder. Das bestätigt auch Ryan Murphy, der zweite Executive Producer neben Brad Falchuk: die Serie wolle durch sexuelle  Aspekte eine für das Horror-Genre untypische emotionale Tiefe entwickeln. 
Bei den Schauspielern lässt sich feststellen, dass diese zwar mit neuen Namen und Konstümen ausgestattet werden, ihre Figuren jedoch immer die gleiche Persönlichkeit behalten. Möge Jessica Lange nun als Elsa, Constance oder Sister Jude heißen, sie bleibt immer der dominant-herrschende Charakter, welcher sich im Verlauf der Staffeln immer mehr seiner emotionalen Verwerflichkeit bewusst wird und an der eigenen Vergangenheit scheitert. 
Nahezu allen Charakteren wird, auch untypisch für das Horror Genre, eine emotionale Hintergrundgeschichte verliehen, sodass diese an Tiefe gewinnen und der Zuschauer ein Verständnis für die emotionalen (Ab-)Gründe ihres Handelns entwickelt. Dies hat zwei Effekte: zum einen verschwimmen auf diese Weise die Grenzen zwischen Gut und Böse beziehungsweise Held und Anti-Held, zum anderen wird eine emotional-affektive Beziehung zur Figur aufgebaut, welche den Zuschauer an die Geschichte und ihren Fortlauf bindet.
Auch thematische Grundzüge bleiben kontant: missverstandene und ausgestoßene Individuen am Rande der Gesellschaft, mögen es psychisch Kranke, Hexen oder eben "Freaks" sein. Dabei nehmen gesellschaftliche Konventionen einen ernüchternd negativen Standpunkt ein, sodass die Charaktere ihrem Unheil nur aus eigener Kraft entfliehen können, wenn überhaupt. Der Blick des Zuschauers wird so gelenkt, dass dieser seine Einstellungen gegenüber akzeptierten Stereotypen gezwungenermaßen überdenken muss.
So interessant und unkonventionell die Handlungsstränge von American Horror Story auch verlaufen sollen, so häufig verrennen sich die Autoren auch in abtruse Storylines, welche auf einen schier offensichtlich-erzwungen wirkenden Verlauf der Geschichte hindrängen. So sterben Charaktere in Staffel 3 genauso häufig wie sie wieder auferstehen, sodass der Zuschauer an einer gewissen Konstanz und Logik des Handlungsverlaufs zweifeln mag. Auch problematisch ist die häufig auftretende Überladung mit unterschiedlichsten Themenkomplexen. So beschäftigt sich Staffel 2 mit Science Fiction, fiktionaler Aufarbeitung des Nationalsozialismus, Rassismus, der Korruption der katholischen Kirche und Exorzismen - um nur einige der Themenkomplexe anzusprechen. 
Trotz seiner genreuntypischen Erzählstrategien ist die Serie trotzdem als postmoderner Mix unterschiedlicher Referenzen und Horror-Stereotypen zu begreifen. Beispielhaft als eine der vielen Pastichen ist hier die Performance des Bowie Songs "Life on Mars" von Elsa Mars in der Pilotfolge vom 26.11.2014 zu nennen. Die Sängerin wird präsentiert im blauen Lidschatten mit blauem Anzug; ein Hommage an Bowies Musikvideo? Solche Anspielungen und Verweise auf andere mediale Formate treffen sich an vielen Stellen wieder. Für das Verständnis der Narration selbst sind diese zwar nicht von Relevanz, jedoch geben sie dem medial gebildeten Zuschauer einen gewissen Mehrwert. Auch vereint die Serie unterschiedlichste Horrorstereotypen wie Geister, Besessene oder Verrückte auf eine selbstreferentielle und ästhetisch interessante Weise und schafft es so sich von seinen für das Horror-Genre relativ stereotypen Inhalten zu lösen. 
Ob 360° Kameraschwenks, ungewöhnliche Kameraperspektiven/Kamerafahrten oder Split-Screening - die Mise en Scene der Serie ist von hoher Qualität und Unkonventionalität geprägt. Sprünge in Raum und Zeit schaffen ein weitläufiges Geflecht aus Haupt- und Nebensträngen und bieten erzähltechnisch gesehen ein hohes Maß an Möglichkeiten, welches von den Machern sowohl inhaltlich, als auch ästhetisch ausgenutzt wird: seien es inszenierte Aufnahmen im Found-Footage-Stil oder Darstellungen der Gesellschaft in anderen Jahrzehnten. Erwähnenswert sind in diesem Zuge auch die vor der Ausstrahlung veröffentlichten 7-20 Sekunden langen Teaser, die mit schnellen Schnitten und irritierenden Bildern nicht nur ihre eigene Ästhetik präsentieren, sondern die Thematik vorstellen und so für die neue Staffel werben. Diese haben jedoch, wie für Teaser und Trailer ungewöhnlich, mit der späteren Narration nichts zu tun und dienen so nur der Erweckung von Neugier.
 Jeder der vier bisherigen Staffeln ist auch der Versuch gemein, Horror-Ikonen zu kreiren, möge es der Latexmann aus Staffel 1, Bloody Face aus Staffel 2, der Minotaurus in Staffel 3, oder der bereits in der Pilotfolge von Staffel 4 vorgestellte Clown Twisty sein.  Dies bestätigt auch Brad Falchuk, der kreative Kopf neben Ryan Murphy: „man will im Horrorfilm ikonische Bilder schaffen, die die Leute nicht vergessen“. Jedoch lässt sich in der Pilot-Folge von Staffel 4 bereits eine Abgrenzung zu den anderen Staffeln beobachten: musikalische Einlagen der Schauspieler sollen nun zu einem festen Bestandteil von nahezu jeder Folge werden. Hier zeigt sich besonders, dass sich Ryan Murphy hinter der Schreibfeder verbirgt, da dieser bereits die Serie Glee (bekannt für seine musical-artigen Sequenzen) produziert hat. Sei es also eine Serie über eine High School oder Horror-Geschichten - in diesem Aspekt scheint Murphy seiner Linie nun treu zu bleiben. 
Für Fox zumindest hat sich das Format als Volltreffer herausgestellt: die Pilotfolge von American Horror Story: Freak Show erreichte einen Rekordwert von 6 Millionen Zuschauern, weshalb Fox bereits eine fünfte Staffel anforderte. Auch mit 136 Nominierungen für Awards (davon jeweils 2012, 2013 und 2014 allein 17 für den Emmy, mehr Nominierungen, als je eine andere Serie zuvor), von welchen 39 gewonnen wurden, kann erstmals an das Fortbestehen der Serie geglaubt werden.

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