TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Dienstag, 24. Februar 2015

Circus HalliGalli - Manege frei für kuriosen Trash


von Wladimir Fuhrmann

„Wenn man Nazis nun ganz offiziell Hooligans nennen darf, dann darf man sagen: Herzlich Willkommen zum Kulturmagazin Circus HalliGalli!“. Mit dieser selbstironischen Aussage hat Klaas Heufer-Umlauf direkt zu Beginn der Sendung (Staffel 4, Folge 8) geklärt, was im Folgenden vom Zuschauer nicht erwartet werden kann, nämlich kulturell Wertvolles. Gemeinsam mit Joachim Claus Winterscheidt alias "Joko" moderiert dieser seit dem 25. Februar 2013 die Sendung Circus HalliGalli auf ProSieben, welche nach den Simpsons und The Big Bang Theory, jedoch vor TV Total im Rahmen des Comedy Dienstags um 22:10 Uhr ausgestrahlt wird.


Das Prinzip der Sendung und ihre Komik baut vor allem auf demjenigen der von 2009 bis 2011 ausgestrahlten Sendung MTV Home auf, welche auch von Joko und Klaas moderiert wurde. Mit einigen kleinen Veränderungen: aus dem Interview in der Kiste wurde das Interview im Keller, die House-Band hinter dem Vorhang wurde zur musikalischen Show-Einlage aus dem Hinterzimmer. Auch Show-Kämpfe zwischen Joko und Klaas und der Auftritt diverser Bands als Interviewgäste blieben als Teil der Sendung bestehen. 
Dass Circus HalliGalli so also eine Ausgeburt des Musikfernsehens ist, bestätigt sich sowohl an Inhalten, als auch an anvisierten Zielgruppen. So steht die Sendung auf den Pfeilern Kuriosität, Provokation und Selbstironie und kombiniert diese mit einer nur subtil angedeuteten Gesellschaftskritik. Spontan gerappte Interviews mit den prominenten Gästen erinnern an eine Art Impro-Theater-Übung und enden so oft in kuriosen Wortgeflechten, deren Komik-Gehalt oft rein auf Nonsens und vulgärer Ausdrucksweise basiert. Durchdachte Wortspiele und sich aufbauende Narrative, wie die traditionelle Komik sie produzierte, werden nun auf eine viel oberflächlichere und aufmerksamkeitserregendere Basis gestellt. Zufälligkeit und Kontextlosigkeit der einzelnen Interviews und Einspieler gehen im Flow des Fernsehens unter und schaffen es so durch Non-Stop-Unterhaltung den Zuschauer am Fernseher zu halten und Gefühle zu kreieren, welche zwischen Neugier, Fremdscham und Schadenfreude liegen. Der Aspekt des körperlichen Leidens, welcher sich auf etlichen Ebenen äußert, sei es der speiende "Evil" Jared Hasselhoff oder der Schmerz, welchen sich Joko und Klaas hämisch gegenseitig zufügen, erfüllen alle drei der eben genannten emotionalen Aspekte und sind so als ein Hauptbestandteil der Sendung anzusehen. Das ganze erinnert dann irgendwie an eine Mischung aus Late-Night Show und dem MTV Format Jackass. Wenn Zeitungen am nächsten Tag über solche Auftritte schreiben „Was sollte das?“ wird dies selbstironisch celebriert und zum Beweis für eine gelungene Provokation. 
Auftritte von bekannten Musikern wie Kasabian und Pharell, jedoch auch Interviews mit international erfolgreichen Schauspielern wie Denzel Washington und Megan Fox werten das Format popkulturell auf und geben ihm so einen informativ wertvollen Aspekt. Die Kameras zeigen die Situationen im Studio größtenteils aus den Zuschauerreihen heraus, sodass die Hinterköpfe einiger anwesender Gäste noch zu sehen sind und so ein dem Studiobesucher gleichkommender Betrachterstandpunkt entsteht. Kameraschwenks um das Moderationspult herum kombiniert mit Zoom-Ins und Zoom-Outs sollen wohl ein Gefühl von Allsichtigkeit geben, wirken auf Dauer jedoch überladen. 
Insgesamt lässt sich Circus HalliGalli als eine Mischung aus Trash, Comedy und Pop-Kultur beschreiben; ein Format inspiriert durch das Musikfernsehen, welches vor allem die jungen Zuschauer ansprechen will. Mit Erfolg: die höchsten Marktanteile wurden bei dem MTV Home Nachkömmling bei den Zuschauern zwischen 14 und 19 Jahren erreicht, die 14. Ausgabe beispielweise lag bei 35,9 %. Auch gewonnene Preise wie der Echo, der Grimme-Preis und der Deutsche Comedypreis lassen erwarten, dass das kuriose Treiben auf ProSieben vorerst weiterhin bestehen bleiben wird.

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