TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Die Höhle der Löwen: Frischer Wind oder alter Mief im deutschen Fernsehen?


von Marija Durkovic

Castingshows sind im deutschen Fernsehen seit langem nichts Außergewöhnliches mehr. Dennoch konnte Die Höhle der Löwen aufgrund der neuen Thematik punkten, denn hier geht es nicht um Gesang oder anderes künstlerisches Talent: mit Geschäftsideen sollen die Kandidaten fünf erfolgreiche Investoren davon überzeugen deren eigenes Geld in ihr Unternehmen zu investieren. Doch handelt es sich hierbei gleich um ein neues Format oder ist Die Höhle der Löwen nur eine neue Verpackung der gewohnten und oftmals verpönten Castingshows?

„Das sind die Löwen.“ - Die Erfolgsgeschichte von fünf reichen Unternehmern wird mit dramatischer und triumphaler Musik eingeführt. Die Millionäre, unter ihnen Gründer der „Öger-Tours“ Vural Öger, die sog. Homeshopping-Queen Judith Williams, der Internet-Investor Frank Thelen, die Familien-Unternehmerin Lencke Wischhusen und der Ex-Stuntman und Erlebnis-Unternehmer Jochen Schweizer, werfen kalte und prüfende Blicke in die Kamera. Sie verschränken die Arme, stützen die Hände demonstrativ in die Hüften, symbolisieren Geld, zeigen Macht. Und als würde man sich nicht schon klein genug fühlen, werden sie auch noch in Untersicht gezeigt, so dass man als Zuschauer selber immer kleiner vorkommt. Das Intro zeigt: die nachfolgende Sendung ist nichts für schwache Nerven und zarte Gemüter. Hier treten in jeder Folge mehrere Jung-Unternehmer und Gründer auf, die auf ein Investment seitens der fünf “Löwen“ hoffen, die es mit den eigenen Geschäftsideen zu überzeugen gilt. Vor den fünf erfolgreichen Investoren haben die Kandidaten nur wenige Fernsehminuten Zeit sich zu behaupten, bevor entschieden wird, ob ihr Produkt einer Investition wert ist oder von den Löwen zerrissen wird. 
Trotz meiner großen Skepsis gegenüber Castingshows konnte mich anfangs die Frische des ursprünglich aus Japan stammenden Formats, welches sich bereits in 22 Ländern erfolgreich durchsetzen konnte, überraschen. In Amerika läuft unter dem Namen Shark Tank zur Zeit die sechste Staffel, von Großbritanniens Version Dragons Den erscheint bereits die zwölfte Staffel. Dennoch ist das Konzept deutschlandweit einzigartig und kam, eventuell aus eben diesem Grund, auch äußerst gut an. Die Höhle der Löwen überzeugt auf der einen Seite durch Authentizität und Seriosität, die nicht zu vergleichen ist mit der anderer Castingformate, bei denen durch inszenatorische Mittel wie der Einblendung von Comic-Figuren, Sprechblasen und Bildvergleichen die Kandidaten lächerlich gemacht werden. Der einzige Effekt der Show ist die Musik, die die Teilnehmer auf den Weg in die „Höhle“ und wieder heraus begleitet. Auf der anderen Seite werden betriebswirtschaftliche Themen wie Investition auf einfache und publikumsfreundliche Weise präsentiert, sodass man auch als Laie auf diesem Gebiet den Verhandlungen der Unternehmer und Investoren folgen kann. Eventuell wird man als Zuschauer sogar zur Verwirklichung der eigenen Geschäftsidee angeregt. Außerdem verzichtet man auf das in Castingshows sonst so beliebte Rundensystem, durch welches die Kandidaten üblicherweise zu Konkurrenten gemacht werden. Hier erhält jeder Unternehmer gleichermaßen die Chance mit seiner Idee zu überzeugen. Der anfängliche Eindruck der Authentizität wird dadurch begründet, dass die Kandidaten, die für ihr Produkt kämpfen, den Zuschauer nicht nur durch ihre Idee, sondern auch durch Sympathie überzeugen können. Hierfür hat sich VOX den Moderator Amiaz Habtu ins Haus geholt, der die Unternehmer hinter der „Höhle“ begleitet und vorstellt. Mag dieser zwar ein bisschen in den Schatten gestellt sein und mehr Beiprodukt als notwendiger Begleiter, ist es dennoch eine nette Möglichkeit die Kandidaten persönlich vorzustellen. Besonders entspannend fand ich persönlich an dieser Stelle die Tatsache, dass es keine emotionalen Geschichten, ergreifenden Schicksale und „ehrliche“ Tränen gab. Angenehm fand ich außerdem das Klima welches entsteht, wenn nicht vor einem Publikum gedreht wird sondern in einem eigens eingerichteten Set. Der Gründer steht somit mehr im Fokus und nicht das Publikum. Doch auch die Löwen kriegen im Gegenzug viel Rampenlicht und ebenso Werbung für ihre eigenen Unternehmen. Ein Format also, welches auf den ersten Blick beide Seiten zufrieden stellt – und auch mich hat es auf den ersten Blick überzeugen können. 
Aber nur auf den ersten Blick. Bereits nach der zweiten oder dritten Folge wurde mir sehr schnell klar: Auf der anderen Seite der Medaille ist Die Höhle der Löwen weiterhin nur ein weiterer gewöhnlicher Vertreter seines Formats, welches durch die ernsten Blicke der Investoren und für den Durchschnittsdeutschen unbekannten Fachdiskussionen über Finanzierung, Firmenanteile und Gewinnbeteiligung in Prozenten niveauvoll wirkt. Aber gerade wegen der Ernsthaftigkeit des Themas war es für mich eine besonders herbe Enttäuschung, dass Die Höhle der Löwen in alte Castingshow-Muster zurückfällt. Die Sendung ist nicht sonderlich abwechslungsreich und lässt den Großteil der Kandidaten dumm aus der Wäsche gucken. Die Gespräche wirken nur im ersten Moment intelligent und niveauvoll, die Löwen präsentieren sich als Experten auf ihrem Gebiet und lassen die gesamte Struktur und Thematik anfangs authentisch und ehrlich erscheinen. Besonders den Umgang mit den Kandidaten, wenn ein Produkt nicht die erwünschten Optionen zu bieten hat, möchte ich persönlich stark in Frage stellen. Wenn Frank Thelen kommentiert, er findet ein Produkt „wirklich schlecht“ oder wenn Jochen Schweizer empfiehlt, man solle selber nicht mehr ins eigene Unternehmen investieren. Oder wenn eine Ausdrucksweise wie zum Beispiel von Lencke Wischhusen zu Tage kommt, sie fühle sich „dezent verarscht“ bei einem Investitionsangebot. Dezent verarscht – so fühle ich mich als Zuschauer, wenn erfolgreiche und intelligente Leute so mit ihrem Gegenüber umgehen und mich dadurch an ihrer Professionalität zweifeln lassen: für mich nur eine der Enttäuschungen, mit denen ich mich im Laufe der Staffel konfrontiert sah.
Dabei warf sich bei mir wiederholt die Frage auf, inwiefern ein solches Verhalten authentisch oder gescriptet ist und ob eine Sendung tatsächlich nur für den Zuschauer interessant sein kann, wenn andere Menschen erniedrigt werden. In einem wie in der Sendung offenbar angestrebten seriösen Format sind solche Verhaltensweisen nicht angebracht. Besonders deshalb, weil es hier nicht „nur“ um die Blamage der Kandidaten im Fernsehen geht, sondern um ihre Existenz, die mit ihrem Unternehmen eventuell einen langjährigen Traum verwirklicht, oder ihren zukünftigen Verdienst darauf ausgerichtet haben. Diese Träume auf solch erniedrigende Weise platzen zu lassen ist in meinen Augen eine Unverschämtheit. Wenn die von den Löwen zerrissenen Menschen hinterher von Moderator Amiaz Habtu dazu befragt werden, wie sie sich fühlen und was sie von der Entscheidung der Juroren halten, stehen sie da wie ein Häufchen Elend, welches dem Moderator tapfer in die Augen schaut, obwohl in vielen Fällen mehrere Monate Arbeit scheinbar vergebens waren. 
Weitere Zweifel an der anfangs so überzeugenden Authentizität kommen auf, da nach kürzester Zeit auch noch bekannt wurde, dass einige Deals wie zum Beispiel jene mit Locca oder mit den Jungs von mycleaner nicht zustande gekommen sind und vermutlich auch nicht mehr werden, obwohl in der Sendung ein gegenteiliger Anschein vermittelt wurde. Das ist nicht nur eine Unverschämtheit gegenüber den Kandidaten, auch ich als Zuschauerin möchte über solche Fälle nicht im Unklaren gelassen werden. Es vermittelt mir den Eindruck einer genauso großen Oberflächlichkeit und Künstlichkeit wie die anderer Castingshows, mit dem Unterschied, dass sich Die Höhle der Löwen nicht so leicht zu durchschauen glaubt. 
Problematisch finde ich außerdem die Verhandlungsweise der Löwen, denn die Kandidaten, die die Juroren nicht überzeugen können, sind nicht die einzigen die ihr Fett wegbekommen. Die wenigen  Kandidaten, die einen Deal erhalten, werden von den Investoren schamlos abgezockt. Freilich wird eine Investition nur dann getätigt wenn der Investor daraus Vorteile erzielen kann. Dennoch war ich bei dem ein oder anderen Deal äußerst verärgert, dass sich die fünf Investoren als große Wohltäter geben und für ihr „Know-How“ statt der oftmals angebotenen 7 bis 10 Prozent Firmenanteile gleich doppelt so viel, in einigen Fällen sogar über 50 Prozent der Anteile verlangen. Die Juroren können in der Sendung also nicht nur Werbung für sich machen, sie verdienen sich an den Kandidaten auch noch ein goldenes Näschen. Hier stellt sich die Frage, ob die Kandidaten denen kein Angebot von den Löwen unterbreitet wurde, nicht besser dran sind. 
 Im Endeffekt steht damit der Teilnehmer als Verlierer da. Egal ob kein Deal und Gespött, Deal und Abzocke oder ein Deal, der am Ende platzt – es bleibt stets ein bitterer Nachgeschmack. Das wäre nicht weiter überraschend, wenn die Sendung nicht so große Erwartungen aufgebaut hätte, dass es sich um eine außergewöhnlichere Version einer Castingshow handle. Der Bruch dieser Erwartung ist der Grund, warum Die Höhle der Löwen meine anfängliche Begeisterung nicht aufrecht erhalten konnte. Schließlich gibt es dennoch viele Aspekte, die das weitere Verfolgen der Sendung interessant machen könnten und somit wohl auch Grund für ihren Erfolg sind. Die erste Staffel lief am 19. August 2014 auf VOX  zur besten Sendezeit an und endete am 14. Oktober nach einer einwöchigen Verlängerung. Im Durchschnitt wurden die 9 Folgen von 1,84 Millionen Menschen verfolgt, was einen Marktanteil von 6,2 Prozent ausmacht. Bei der Hauptzielgruppe der 14-49 Jährigen kam Die Höhle der Löwen durchschnittlich auf 10,5 Prozent, womit man über dem momentanen Senderschnitt liegt. Aufgrund des Erfolgs kündigte VOX bereits eine zweite Staffel an, die Bewerbungen können bereits eingeschickt werden. Ich persönlich blicke mit gemischten Gefühlen auf die zweite Staffel und mache mein endgültiges Urteil davon abhängig, ob die Löwen ihr ungebändigtes, stereotypisches Castingverhalten zähmen können und hoffe, dass die guten Aspekte weiter ausgebaut werden und in Hinblick auf die Kandidaten ein positiveres und abwechslungsreicheres Format entsteht, welches dem Zuschauer ruhig mehr zutrauen darf als den Spaß daran andere Leute scheitern zu sehen.

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