TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 13. Februar 2015

Der Raab und der Wok


von David Koitka

Bei einem Multitalent handelt es sich, laut Duden, um einen vielseitig begabten Menschen. Gerade im Showgeschäft treiben sich viele dieser sogenannten Multitalente herum. Natürlich reicht es nicht einfach aus neben dem preisgekrönten Pop-Album, ein Parfum auf den Markt zu bringen, um als Multitalent zu gelten. Wenn man allerdings als gelernter Metzger auch als Musiker, Musik- und Fernsehproduzent, Moderator, Turmspringer, Rennfahrer, Duschkopferfinder, Polittalkmaster und Wokfahrer (u.v.m) Erfolg hat, so kann man getrost von einem Multitalent sprechen. Keine Frage um wen es sich hierbei handelt: „Stefaaan Raaaaab!“. 

Ja, dieser Mann scheint wahrhaftig alles zu können. Egal welches Produkt oder Format er anfasst, es scheint sich alles in Gold zu verwandeln. Anfangs noch als VIVA-Moderator mit verrücktem Outfit und echten Zähnen, startete Raab eine steile Karriere im deutschen Fernsehen. Seit 1999 ist Stefan Raab auch dem ProSieben-Zuschauer als Moderator von TV total bekannt. Mit TV total erschuf er die mittlerweile langlebigste Late-Night-Show im deutschen Fernsehen, welche als Wochenformat startete und mittlerweile viermal in der Woche ausgestrahlt wird. Im Gegensatz zu anderen Late-Night-Shows wie bspw. der Harald-Schmidt-Show, die sich mehr an dem amerikanischen Vorbild, der „Late Show with David Letterman“ orientierte, setzte sich Raab vor allem mit der deutschen Fernsehlandschaft auseinander. Die respektlose Auseinandersetzung mit Fernsehpannen und Blamagen und dieses im Form einer Late-Night-Show, machte TV Total zu einem neuartigen und erfrischenden Format.  Wer erinnert sich noch an den „Raab der Woche“ (der Preis für den skurrilsten Fernsehauftritt) oder das „Raabigramm“, das bitterböse Ständchen auf der Ukulele? Oder die Rubrik „Raab in Gefahr“ in der sich Stefan Raab lange vor Yoko und Klaas in einen Kunstflieger setzte. 
Es waren die vielen kleinen Ideen und Tabubrüche, welche TV Total zur Kultsendung und Stefan Raab zum Fernsehstar machten. Ja, ich schwelge gerne in den Erinnerungen an die gute alte Zeit von TV total. Heute wirkt die Sendung eher wie eine aufgewärmte zusammengeschusterte Lasagne. Statt der Auseinandersetzung mit der deutschen Fernsehlandschaft werden Tagesgeschehen aus der gesamten Medienlandschaft genutzt (bei der BILD-Zeitung merkwürdige Überschriften zu finden, dürfte auch nicht allzu schwer sein). Die einzelnen Preise und Rubriken wurden stark reduziert und auf ein paar beständige wie „Blamieren oder Kassieren“ beschränkt. Mittlerweile erscheint mir Stefan Raab von Routine durchzogen zu sein. Seine Mimik und Gestik wirkt auf mich zu sehr einstudiert (schön durch „Switch Reloaded“ veranschaulicht) und sein Blick wandert mir zu oft links neben die Kamera, wo seine Helfer ihn mit Pappschildern an Schlagworte und Werbepausen erinnern.  

Zugegeben nach 15 Jahren mit über 2100 Sendungen ist es klar, dass einem die Ideen ausgehen und der Hunger nicht mehr so groß ist wie am Anfang. Es ist auch nachvollziehbar, dass mit vier Ausstrahlungen pro Woche eine gewisse Struktur oder Beständigkeit herrschen muss. Für mich ist der Ablauf der Sendung weniger ein Problem. Mein Problem ist die TV-Identität des Stefan Raabs. Das liegt weniger an seinen jugendlichen, verschlissenen Outfits als vielmehr an seiner Rolle als TV total-Moderator. Das Dilemma des Stefan Raabs begann für mich am 22.02.2003 als Stefan Raab  zu Gast bei der (früher noch sehr beliebten) ZDF-Familienshow „Wetten, dass…?“ war. Er fungierte als Wettpate und obwohl er die Wette gewann, löste er seinen Wetteinsatz ein und fuhr mit einem Wok eine Rodelbahn hinunter. Dort wurde die Idee zu einer von Raabs TV-Total-Expansionen geboren. 
Bereits im November des gleichen Jahres, inszenierte ProSieben die erste TV Total Wok-WM. Erfolgreich hat Raab für seinen Heimatsender ProSieben einen TV Total-Ableger erfunden, in Form einer sportlichen Meisterschaft. Diese Veranstaltung fand seitdem jährlich statt und sollte nur eine von vielen TV total-Veranstaltungen bleiben. Mittlerweile gibt es unzählige dieser TV total-Veranstaltungen: das TV total Turmspringen, TV total Eisschnelllaufen, TV total-Parallelslalom, TV total-Stockcar-Race usw. Aber nicht nur im Bereich Sport musste Stefan Raabs TV total als Schirmherr herhalten. So gibt es auch die TV total Pokernight, die TV total Prunksitzung, den TV total Bowlingabend, die TV total Tanzwochen usw. 
An all diesen Veranstaltungen nimmt Stefan Raab als Moderator aber auch als Kandidat teil. Gerade als Kandidat bewies er Willensstärke, legte oftmals aber auch einen (für meinen Geschmack) erschreckenden Ehrgeiz und Gewinndrang an den Tag. Gerade bei den Sport- und Wettbewerbsveranstaltungen erlebt man Stefan Raab in einer völlig anderen Rolle als die des schlagfertigen respektlosen TV total-Moderatoren. Unfreiwillig entblößt er sich oftmals als nörgelnder und schlechter Verlierer und erinnert an seine einstigen TV total-Opfer.


Wer ist dieser Stefan Raab und wen möchte er darstellen? Für mich handelt es sich um ein Identitätsproblem. Ich tue mich schwer über einen Stefan Raab zu lachen, der gerade als „seriöser“ Moderator „Unser Star für Oslo“ oder das TV-Duell Merkel gegen Steinmeier moderiert hat, um dann in sein Studio zu spazieren und wieder (wie auf Knopfdruck) die Rolle des sarkastischen Flegels für seine Sendung einzunehmen. Der Zuschauer hat bei den unzähligen und verschiedenartigen TV total-Veranstaltungen die Möglichkeit hinter Raabs Facette zu schauen. Dadurch büßt er enorm an Glaubwürdigkeit bzgl. seiner ursprünglichen Rolle ein. Für sein Wettkampfverhalten legt Stefan Raab die Rolle des einstudierten respektlosen TV-Total-Stars ab und legt ungewollt seine Schwächen offen. Dies macht ihn genauso angreifbar, wie seine Opfer, die ihm den Stoff für seine Erfolgsshow TV total bieten. Zudem sind es mir zu viele Rollen die Stefan Raab bedient: der Wettkämpfer (Schlag den Raab), der Polittalker (Absolute Mehrheit), Casting-Jury (Unser Star für Oslo) und letztendlich der TV-Total-Flegel.
Natürlich ist mir bewusst, dass auch ein Harald Schmidt facettenreicher ist, als der Moderator der Harald-Schmidt-Show. Doch hier sehe ich auch nur die eine Rolle des Harald Schmidts und diese Rolle erleichtert mir das Lachen. Ich möchte auch keinen basketballspielenden oder turmspringenden Harald Schmidt kennen lernen. Doch was hätte Raab tun sollen? Gilt der Spruch „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ auch für ein Multitalent wie Stefan Raab?Tatsache bleibt, dass Raab erfolgreich Wettkampfspiele erfunden und in das Programm von ProSieben integriert hat. Zwar stellt sich mir immer noch die Frage wie man stundenlang Prominenten beim Turmspringen zuschauen kann, doch offensichtlich bleiben diese Formate erfolgreich.
 Bezüglich der Late-Night-Show TV total kann man nur sagen, dass aus dem einstig lodernden Feuer doch heute eher beständig glühende Kohle geworden ist. Die Einschaltquoten der Sendung sind seit Jahren rückläufig und auch die Konkurrenz wird größer. Yoko und Klaas sind sicherlich die Raabs der neuen Generation. Allerdings lässt sich beim Anblick des ehrgeizigen Wettkampfkandidaten Stefan Raab vermuten, dass er das ProSieben-Zepter nicht so einfach abgeben wird.

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