TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Montag, 23. Februar 2015

Alarm für Cobra 11 – Neue Zeiten

von Tanja Harrer

Mit dem Slogan „Zeiten werden härter – Helden auch“ hat RTL die 36. Staffel der Serie Alarm für Cobra 11 beworben. Besser hätte man die spürbaren Veränderungen auch nicht beschreiben können, denn die aktuelle Staffel der Action- und Krimiserie, die immer donnerstags um 20.15 Uhr ausgestrahlt wurde, ist durch zunehmende Brutalität gekennzeichnet. Ein Paradebeispiel für dieses Argument war für mich eine Szene, in der man in Nahaufnahme sieht, wie ein Vater seinen Sohn ersticht.
Härtere Zeiten also! Außerdem wurden die Action-Elemente, wie spektakuläre Explosionen und Verfolgungsjagden – die Markenzeichen der seit Jahren erfolgreichen Serie – zunehmend durch Nahkampfszenen in den Hintergrund gedrängt. Somit wird der harte Kampf der beiden Hauptkommissare Alex Brandt (Vinzenz Kiefer) und Semir Gerkan (Erdogan Atalay) mit Verbrechern, Mördern und Angehörigen von natürlich immer osteuropäischen kriminellen Organisationen, zum Hauptelement. Dabei wird meist mit bloßer Hand auf den Gegner eingeschlagen. Die Helden werden härter! Die schon immer etwas unkonventionellen Mittel zur Verbrechensbekämpfung nehmen in diesen neuen Zeiten immer stärkere Ausmaße an, Illegalität und Ermittlungsmethoden an der Grenze von jeglicher Moral sind an der Tagesordnung und der Bekämpfung des Bösen sind keine Grenzen gesetzt.
Vielleicht hat RTL mit dem Wandel der Helden („Helden werden härter“) aber auch gemeint, dass zunehmend Familienangehörige der beiden Hauptkommissare in Gefahr geraten. Semirs Exfrau wird in der ersten Folge der Staffel lebensgefährlich in den Bauch geschossen. Er muss sie daraufhin wiederbeleben und sie überlebt nur knapp. Das Postive daran ist, dass dieses Erlebnis die beiden wieder zusammenführt. Alex‘ Ziehschwester hingegen hat die Seiten gewechselt und gehört zu den „Bösen“, denn um sich an ihrem Vater, der sich nie um sie gekümmert hat, zu rächen, ist ihr jedes Mittel recht, wodurch sie letztendlich im Gefängnis landet. Im Staffelfinale vom 27. November 2014 wird Semirs uneheliche Tochter von Menschenhändlern entführt und im Laufe der Folge sterben dann sowohl die Mutter als auch der Adoptivvater des Mädchens. Treffend von den Gangstern beschrieben mit „nichts ist gefährlicher als ein Vater, der seine Tochter liebt“ riskiert Semir alles und rettet seine Tochter in letzter Minute. Dadurch wird er, wie Alex sagt, zum Einzigen, den sie noch hat. 
Auch auf der Gegenseite, bei den „Bösen“, spielen sich vermehrt Familiendramen ab. Andere Verschwörungen oder Verbrechen sind im Gegensatz zu den vorherigen Staffeln selten zu finden. Die Brutalität hat auch dazu geführt, dass ich froh war, wenn der Werbeblock eingespielt wurde, denn dieses Segment ermöglichte mir wenigstens eine kurze Erholungspause. Dass oben genannte Brutalität natürlich Bestandteil von Action- und Krimiserien ist, ist mir völlig klar, nur lässt sich zwischen brutalen Elementen, Ermittlungsarbeit und Familienleben der Charaktere kein Gleichgewicht mehr finden. 
Einen großen Einfluss darauf hat auch, dass Semirs ehemaliger Partner Ben Jäger (Tom Beck) durch Alex Brandt ersetzt wurde. Ben sorgte immer wieder für Lockerheit und mit lustigen Kommentaren und coolen Sprüchen wurde so manche Situation entspannter und auch seine Zusammenarbeit mit Semir fand auf einer anderen Basis statt. Sie war freundschaftlicher, sie vertrauten sich blind und der manchmal etwas tollpatschige Ben harmonierte hervorragend mit dem kleinen, drahtigen Semir. Deshalb leidet die Serie auch in der zweiten Staffel nach Tom Becks Abschied noch unter dessen Ausstieg. 
Alex nämlich hat mit seiner Vergangenheit zu kämpfen, kann sehr schwer Vertrauen aufbauen und sein Charakter allgemein unterscheidet sich sehr stark von Ben. Die Figur des Alex Brandt hat an sich sehr großes Potenzial, kann sich in der Serie aber bis jetzt noch nicht so richtig entfalten. Versuche Alex durch lockere Sprüche, wie zuvor Ben, in Szene zu setzen, missglücken und wirken für den Zuschauer eher peinlich. Auch arbeiten die beiden Ermittler nicht mehr so eng zusammen und sind oft alleine unterwegs, vor allem wenn es mal wieder um in Gefahr geratene Familienmitglieder geht. Die Folge ist, dass man nun, wie von RTL schon im Voraus prophezeit, zwei abgehärtete Helden hat und man Harmonie teilweise vermisst. Vielleicht auch ein Grund, weshalb die Zuschauerquoten allgemein sinken, wobei der Marktanteil immer noch etwa 11 Prozent beträgt. Ich hoffe jedoch, dass sich in der nächsten, für den Frühling geplanten Staffel, wieder mehr Themenvielfalt findet und man es schafft, die Rolle des Alex Brandt besser in das Konzept  miteinzubinden. Andernfalls werde auch ich mir für den Donnerstagabend eine Alternative suchen.

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