TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Das Nachtcafé: Bunte Vielfalt im schlichten Design

von Marija Durkovic
Neues Intro, neues Studio, neuer Moderator: mit dem Jahreswechsel auf 2015 ändert sich für die Talkshow Nachtcafé nicht nur  die Jahreszahl. Seit nunmehr 28 Jahren läuft die Sendung erfolgreich wöchentlich im SWR Fernsehen und begeistert durch das schlichte und niveauvolle Format somit seit fast drei Jahrzehnten die Zuschauer. Das Themengebiet umfasst Geschichten über alte Liebschaften, schwere Verletzungen oder plötzliche Lebenswandel: außergewöhnliche Schicksale und insbesondere die Menschen dahinter sind Dreh- und Angelpunkt der Sendung. Durch die schlichte Gestaltung der Show in einem kleinen „Nachtcafé“ vor Publikum und trotzdem ruhiger Atmosphäre wird genau das in den Mittelpunkt gestellt was diese Talkshow von anderen im deutschen Fernsehen unterscheidet und so spannend macht: Der Mensch.

Seit dem Start des Programms am 14. Februar 1987 wurde das Nachtcafé bis Ende 2014 erfolgreich von Moderator Wieland Backes durch die Jahre geführt. Der vielfach ausgezeichnete Moderator hatte ein besonderes Gespür dafür mit seinen Gästen umzugehen und diese auch untereinander ins Gespräch zu bringen. Abgeschlossen hat er seine Sendungen stets mit einer kleinen Lehre oder Zusammenfassung und konnte durch seine verständnisvolle und ruhige Art die Zuschauer seit Beginn unterhalten. 
Jetzt, Anfang 2015, übernimmt Michael Steinbrecher die Talkshow. Gewiss keine leichte Aufgabe wenn man bedenkt, dass Backes als einfühlsamer und  redegewandter Moderator jahrzehntelang die Geschichten seiner Studiogäste vermittelt hat. Aus diesem Grund standen viele Zuschauer dem Jahreswechsel in Hinsicht auf Nachtcafé skeptisch gegenüber. 
Steinbrechers erste Sendung lief am 9.Januar 2015 (Whd. am 13. Februar) und hatte passend zur Übernahme der Show das Thema: Die Kunst des Neubeginns. Auch für Steinbrecher wird es nicht einfach gewesen sein, die Moderation von Wieland Backes zu übernehmen. Bereits das Intro zeigt: bei Nachtcafé hat sich jetzt einiges verändert. In einem neuen Studio empfängt Moderator Steinbrecher seine Gäste Gaby Hauptmann, Prof. Wilhelm Schmid, Sylvia Mäder u.a. Dennoch bleiben Verlauf und Aufbau der Sendung gleich: Steinbrecher tritt in die Fußstapfen seines Vorgängers und erhält das hohe Niveau der Talkshow. Er zeigt großes Interesse an seinen Gesprächspartnern, neigt jedoch an der Stelle ein wenig dazu, etwas überenthusiastisch auf ihre Geschichten zu reagieren. Auf eine gelegentlich etwas ungeschickte Art versucht Steinbrecher seine Gäste zu einer Konversation untereinander zu bewegen und wirkt daher manchmal ein bisschen überfordert. In Anbetracht der Tatsache, dass Nachtcafé nicht nur ein Neubeginn in seinem Leben ist, sondern auch für das SWR Fernsehen, ist das allerdings nur eine Kleinigkeit sofern man unbedingt etwas auszusetzen haben möchte. 
Trotz aller Veränderungen und Neuerungen liegt auch bei ihm Fokus auf den Gästen und ihren Geschichten, was in meinen Augen den Reiz der Sendung ausmacht. Diese sind, trotz der passenden Überschrift Die Kunst des Neubeginns, individuell verschieden.  Susanne Gaschkes Neustart in die Politik, Oliver Rothes Wandel vom extrovertierten Leben als Rechtsanwalt in die Ruhe und Bescheidenheit eines Priesters oder Iva Schells Neubeginn nach dem Tod ihres Mannes Maximillian Schell, die Geschichten sind gleichwohl fesselnd als auch bewegend. Und vor allem: sie sind echt. Dabei ist es egal, ob es um die Suche nach ständigem Lebenswandel der erfolgreichen Schriftstellerin Gaby Hauptmann oder um das ergreifende Schicksal von Sylvia Mäder, die nach 20 Jahren Ehe von ihrem Mann zutiefst verletzt wurde, handelt. Alle Gäste bei Nachtcafé kommen aus den verschiedensten Umkreisen zusammen und können somit schwere, aber auch gute Schicksale teilen und dem Zuschauer durch ihre Stärke oder ihre Zuversicht Mut machen. 
Alles in allem gibt das Nachtcafé mir damit immer(noch) ein gutes Gefühl mit auf den Weg und dadurch kann meiner Meinung nach ein solches Format niemals veralten, denn die Geschichten sind bewegend und lehrreich, die Schicksale immer interessant. Dieses menschenbezogene Format bleibt aktuell und gehört gerade deswegen in unseren stressigen und arbeitsintensiven Alltag wieder mehr in den Vordergrund gestellt. Etwas, was das Nachtcafé mit Backes geschafft hat und hoffentlich von Steinbrecher in Zukunft erhalten wird.

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