TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Mittwoch, 14. Juni 2017

Fernsehen im Laa Laa Land: Die Teletubbies kehren zurück

 
Die Tiddlytubbies (https://www.tag24.de/nachrichten/nachwuchs-babys-teletubbies-kika-erfurt-tiddlytubbies-234898)

Von Herbert Schwaab 

Eine Sonne geht über einer grünen Hügellandschaft auf, ein Baby lacht uns aus der Sonne an, die Kamera fliegt über die grünen Wiesen und bunten Blumen hinweg auf eine kleine Erhebung mit einem Höhleneingang zu, aus der vier Wesen springen: Tinky-Winky, Dipsy, Laa-Laa und Po. Wir kehren zurück ins Teletubby-Land, mit neuen Folgen, die von der BBC seit 2015 produziert wurden und die seit 2017 auf KiKA auch in Deutschland ausgestrahlt werden. 
Die Teletubbies verständigen sich in einer Kindersprache, sie haben keine Aufgaben und leben in einem vom Spielen, Tanzen, Feiern bestimmten Reich, das so typisch ist für viele Formate, die sich an die kleinsten Zuschauer richten.
Jede Sendung verläuft folgendermaßen: Die Teletubbies werden vorgestellt, es wird ein Thema gesetzt wie etwa, die Teletubbies feiern eine Party. Nachdem die Teletubbies ihre Party vorgeführt haben, zeigt wie in jeder Folge ein kleines Windrad an, dass jetzt ein Einspieler kommt, der auf einem der Bildschirmbäuche der Teletubbies zu sehen ist. Der kleine Film verlässt das Teletubby-Land und bewegt sich in den Alltagswelten der Kinder, die die Teletubbies sehen, thematisch gebunden an das, was die Teletubbies jeweils in den Folgen machen. Die Kinder im Kindergarten feiern auch eine Party. Nachdem der Film einmal gelaufen ist, kommt in der deutschen Fassung ein enttäuschtes Stöhnen und das berühmte ‚nomal, nomal‘, nachdem, in einer leicht gekürzten Fassung, der dokumentarische Bericht aus der Spielwelt von Kindern noch einmal gezeigt wird. Nach dem Clip wird die Party der Teletubbies kurz fortgesetzt, bis sich dann in dieser von Erwachsenen und Zwängen befreiten Welt die Autoritäten doch noch melden und ein Sprecher die Teletubbies auffordert, wieder in ihrem Wohnhügel zu verschwinden: „Zeit für Tubby Winke Winke.“ Das lachende Baby aus der Sonne erscheint wieder und die Teletubbies verabschieden sich durch eine Öffnung in dem Hügel springend von uns. Teletubbies
Diese überaus einfache Form verdeckt vielleicht ein wenig, wie televisuell dieses Format tatsächlich ist. Ihrem Namen entsprechend ist Teletubby-Land Fernsehland, ein Terrain, dass vielem Bedeutung gibt, was Fernsehen ausmacht. Es bietet einen klar und kleinteilig strukturierten Fernsehtext, dessen Segmente durch erkennbare Markierung auch von Kindern erkannt werden können, die aber wie bei jedem seriellen Format auch immer wieder leicht variiert werden können. Die Teletubbies sind ein Format, das sehr gut in den Flow des Fernsehens passt. Neben der Wiedererkennbarkeit der Figuren, der (aufwändigen) visuellen Gestaltung einer grünen Welt, die den antiken Topos der Idylle in unsere Zeit transferiert, den kleinen, sonderbaren, aber einprägsamen Details, wie einem Roboterstaubsauger als weiterer Figur, dem Windrad, der Sonne und den Lautsprechern, ist es vor allem die Wiederholung, die das Format als televisuell erscheinen lassen. Mit den wirklich minimalen Variationen in den nur leicht gekürzten zweiten Versionen des Clips zeigen die Teletubbies, wie weit es mit der Serialisierung und ihren repetitiven Mustern getrieben werden kann und diese Radikalität ist vielleicht ein Grund, warum die Teletubbies (wie jedes Format für Kinder) auch so viel Ärger erzeugt haben. 
Mit dem Relaunch der Teletubbies nach 14 Jahren stellt sich allerdings die Frage, ob sich etwas geändert hat in einer Medienkultur, die nur noch wenig mit der Welt Anfang der 2000er Jahre zu tun hat. Die Nostalgiker einer alten Welt, für die das Format jedoch nicht gedacht ist – die Eltern – werden aufatmen: Die Teletubbies leben noch vorwiegend in einer analogen Welt. Es sind immer noch Schauspieler in einem der vier Teletubby-Kostüme, die sich durch diese Welt bewegen und dadurch wirkt das Format heute fast hoffnungslos anachronistisch. Allerdings zeigen kleinere und größere Modifikationen des Sets, dass sich die Macher durchaus bewusst sind, in welcher neuen Medienkultur sie sich bewegen. Waren die Teletubbies sowieso schon immer ein gutes Beispiel für Konvergenzeffekte und der Produktion von vermarktbaren Kultobjekten (für Kinder und Erwachsene) und schon dadurch Teil einer neuen Medienkultur, liest sich heute ein YouTube-artiger Play-Button auf dem Bildschirmbauch der Teletubbies wie eine explizite Referenz auf den transmedialen Charakter des Formats.
Fast schon unheimlich sind aber die Erweiterung der Teletubby-Welt und die acht Tiddlytubbies, noch kleinere Teletubbiesbabys, die in einem Kinderzimmer des Wohnhügels leben. Die Tiddlytubbies sind digital animiert: Wenn die Teletubbies die Tiddlytubbies besuchen, schauen sie aus ihrer analogen Welt in eine digitale Welt hinein. Die Grenze zwischen beiden Welten ist klar markiert, sichtbar und unheimlich. Sie wird nur selten überschritten, wenn ein Tiddlytubby sich für einen kurzen Moment an das Bein eines Teletubby klammert oder einer der Teletubbies in ihre Welt tritt, um mit ihnen zu spielen. Während Kinder heute einfach in eine digitale Welt geworfen werden und ältere und jüngere Menschen dazu gezwungen werden, sich mit diesen Veränderungen zu arrangieren, werden die Teletubbys ganz behutsam an diese digitale Welt herangeführt und gibt es in diesem reinen Fernsehen, in einem der wenigen Formate, dass die Grenze sichtbar werden lässt, so etwas wie ein Residuum gegenüber der digitalen Medienkultur, ein sanftes Hinübergleiten und langsames Gewöhnen der Figuren an eine neue Welt des Kinderfernsehens. Auch auf diese Weise ist das Tubby-Land immer altes Fernsehland, eine weit entfernte Welt im idyllischen Nirgendwo einer analogen Vergangenheit.

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