von Jaqueline Schüler
Verstoßen von seinem Vater und für alle Ewigkeit als König
der Hölle aus dem Himmel verbannt. Dieses Schicksal traf Lucifer Morningstar.
Doch der Teufel höchst persönlich lässt sich von Gott nichts vorschreiben. Als
es ihm in der Hölle zu langweilig wird, beschließt er, sich eine Auszeit zu
nehmen. Dabei landet er in Los Angeles – wo denn auch sonst, als in der Stadt
der Engel. Drogen, Partys und Sex sind die drei Hauptbestandteile von Lucifers
Leben auf der Erde, zumindest bis er durch einige Zufälle als Berater beim LAPD
landet. Dort wird er zum Partner von Detektiv Chloe Decker, mit der er
gemeinsam Mordfälle aufklärt.
Man könnte jetzt meinen, dass Lucifer eine von den vielen
Serien ist, bei denen ein gutaussehender und charmanter Mann die ansässige
Polizei in ihren Fällen berät, wie es zum Beispiel bei The Mentalist, Castle
oder Psyche der Fall ist. Zugegeben, das Schema ist wohl überall gleich, auch
die Liebesgeschichte, die sich zwischen Berater und Polizistin abspielt, ist in
allen Serien vorhanden. Doch in Lucifer steckt in meinen Augen noch viel mehr.
Es sind die komplizierten Handlungsstränge, die sich
ineinander verflechten, die die Serie so spannend und auch ein wenig
anspruchsvoll machen. Neben den Fällen beim LAPD und seiner ungewöhnlichen
Zuneigung und Verbindung zu Chloe, hat Lucifer noch private Hürden zu meistern.
Er bemerkt schnell, dass er nicht mehr unverwundbar ist, wenn er in Detektiv
Deckers Nähe ist. Ob diese Verletzlichkeit seine Liebe zu ihr auslöst oder
einen anderen Hintergrund hat, muss man sich als Zuschauer selbst fragen.
Lucifers Bruder Amenadiel will ihn zurück in die Hölle bringen, um ihn zum
einen natürlich von der Gefahr des Todes zu schützen und zum anderen, weil
Amenadiel in seinen Augen im Auftrag Gottes handelt. Doch umso mehr Engel auf
die Erde kommen, desto mehr göttliche Gegenstände kommen in den Umkreis. In den
Händen von Menschen zieht dies aber nichts Gutes mit sich. Obwohl Lucifer immer
die Wahrheit über sich erzählt, will ihm keiner glauben. Lediglich die
Personen, denen er sein Teufelsgesicht zeigt, sind in der Lage ihn als den
anzuerkennen, der er ist. Doch macht sich in den wissenden Menschen große Angst
breit, was Lucifer bei seinen Freunden nicht auslösen möchte.
Ein echter Pluspunkt der Serie ist die Darstellung und
Aufarbeitung der Figur des Lucifers. Durch Therapiestunden bei der Psychiaterin
Linda Martin, die er während eines Falls kennen gelernt hat, offenbart er sein
Inneres. So macht er es den Zuschauern leicht, sich in ihn hineinversetzen zu
können. Man lernt den als böse, selbstgerecht und zerstörerisch abgestempelten
Teufel als gequälte Seele kennen, die nichts anderes will, als sich selbst
verstehen zu können und von anderen verstanden zu werde. Seine größte Wunde ist
wohl sein Vaterkomplex. Was man mit dem Hintergrund der Verbannung aus dem
Himmel wohl verstehen kann. Es ist immer wieder ein Zusammenspiel aus Amüsement
und Mitleid, die mich überkommen, wenn Lucifer über seine Probleme spricht, die
menschlicher nicht sein könnten.
Auch, wenn Lucifer nicht gerade ein vorbildliches Leben
führt, ist er einem gleich sympathisch. Seine Ausdrucksweise wirkt gehoben und
durchdacht. Dabei spielt natürlich auch die überragende Besetzung von Tom Ellis
als Lucifer Morningstar eine Rolle. Im englischen Original kann man den Akzent
des Walisers deutlich hören, dadurch setzt sich der Teufel auch sprachlich
gegenüber den anderen Charakteren ab. Die deutsche Synchronisation kommt zwar nicht ganz an das Original ran,
ist aber auch sehr gut gelungen. In beiden Sprachen passt die Stimme zum
gepflegten und selbstsicheren Erscheinungsbild von Lucifer.
Doch warum haben sich die Macher der Serie gerade der
Geschichte des Teufels angenommen? Darüber lässt sich von meiner Seite wohl nur
spekulieren. Ich finde aber, dass dieses Thema einfach viel hergibt. Der
Interpretationsspielraum in den Erzählungen der Bibel ist schier unendlich. Die
meisten Charaktere werden nur von einer Seite beleuchtet, das ist in der Serie
anders. Sie zeigt, dass selbst die größten Sünder viel Gutes an sich haben.
Wenn man darüber nachdenkt, dann kommt man zu dem Schluss, dass jeder, egal
welcher Ruf ihm vorauseilt, eine gute Seite an sich hat. Es wird auch klar,
dass unsere Vergangenheit viel Einfluss auf unseren Charakter nimmt. So können
unsere Worte und Taten wohl auch andere Menschen beeinflussen und formen, in
negativer, wie auch positiver Richtung. Mit welchen Charakteren lässt sich so eine Lektion wohl besser
darstellen als einer Mischung aus Engeln, Menschen und anderen übernatürlichen
Wesen aus der Bibel? Religionen sollen den respektvollen Umgang miteinander
lehren, dieser Aspekt geht in der Serie voll auf und zeigt, dass der
Teufel der genau richtige ist, um dies den Menschen vor dem Fernseher zu vermitteln.
Witz, Spannung, Liebe und Mysteriöses ist alles gegeben.
Allerdings muss man bei dieser Serie aufmerksam bleiben, um die Zusammenhänge
verstehen zu können, was die Serie für mich aber umso besser macht. Sie ist
nicht das anspruchsvollste, das ich je gesehen habe, aber dennoch fordert sie
den Zuschauer zum Mitdenken auf. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte,
seine eigenen Stärken und Schwächen, die, wie ich finde, gut herausgearbeitet
wurden. Man kann auch die Entwicklungen mancher Charaktere gut beobachten. Neben
den menschlichen begegnet man auch den ein oder anderen göttlichen bzw.
biblischen Figuren, die die ganze Serie noch spannender und unvorhersehbarer machen.
Auch, wenn man kein Religionsfanatiker ist, oder vielleicht auch genau dann, werden
einem die Charaktere gefallen. Die Anlehnungen an die Überlieferungen sind zwar
vorhanden, jedoch wurden häufig noch einige Details verändert. Generell wird
die Religion, die uns in der Schule und von der Kirche eingetrichtert wurde,
kritisch hinterfragt. Das Bild des „Bösen“ und des „Guten“ wird jeweils von
neuen Sichtweisen betrachtet. Man stellt sich immer wieder die Frage, ob jeder
einzelne Schritt, jede einzelne Tat von Gott vorbestimmt wurde. Was hat Gott zu
verantworten? Was das Schicksal? Inwieweit kann man sein Leben selbst
beeinflussen? Auch die Frage nach dem Tod wird gestellt. Hat man genug getan,
dass man in den Himmel kommt oder was muss ich machen, damit ich nicht in die
Hölle komme?
All das lässt die Folgen und Staffeln wie im Fluge vergehen.
Leider sehen das viele Amerikaner nicht so, weshalb die Einschaltquoten dort
eigentlich zu niedrig für eine Weiterführung sind. Dennoch wurden bereits 4
Staffeln von Lucifer gedreht und die nächste ist auch schon auf dem Weg und
wird im August diesen Jahres zu sehen sein. Dann kann man den durchtrainierten Teufel
wieder beim Ermitteln mit seiner großen Liebe Chloe Decker beobachten und den
göttlichen Fügungen auf den Grund gehen. Für alle Krimifans, die etwas
anspruchsvolleres mit Humor sehen wollen, genau das Richtige.
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