TV Kultur und Kritik
ist im Rahmen einer Übung im Fach Medienwissenschaft an der Universität Regensburg entstanden. Der Blog versammelt Kritiken zu den unterschiedlichsten Facetten der Fernsehkultur, die von arte (Breaking Bad) bis RTLII (Die Geissens) reicht. Ziel ist es eine Kritik zu etablieren, die dem Wesen, der Rezeption und der Faszination für das Format gerecht wird. Wir sind offen für Beiträge, die die Auseinandersetzung mit dem Fernsehen erweitern.

Freitag, 11. Dezember 2020

Lucifer. Der Teufel in L.A.

von Jaqueline Schüler
Verstoßen von seinem Vater und für alle Ewigkeit als König der Hölle aus dem Himmel verbannt. Dieses Schicksal traf Lucifer Morningstar. Doch der Teufel höchst persönlich lässt sich von Gott nichts vorschreiben. Als es ihm in der Hölle zu langweilig wird, beschließt er, sich eine Auszeit zu nehmen. Dabei landet er in Los Angeles – wo denn auch sonst, als in der Stadt der Engel. Drogen, Partys und Sex sind die drei Hauptbestandteile von Lucifers Leben auf der Erde, zumindest bis er durch einige Zufälle als Berater beim LAPD landet. Dort wird er zum Partner von Detektiv Chloe Decker, mit der er gemeinsam Mordfälle aufklärt.
Man könnte jetzt meinen, dass Lucifer eine von den vielen Serien ist, bei denen ein gutaussehender und charmanter Mann die ansässige Polizei in ihren Fällen berät, wie es zum Beispiel bei The Mentalist, Castle oder Psyche der Fall ist. Zugegeben, das Schema ist wohl überall gleich, auch die Liebesgeschichte, die sich zwischen Berater und Polizistin abspielt, ist in allen Serien vorhanden. Doch in Lucifer steckt in meinen Augen noch viel mehr.
Es sind die komplizierten Handlungsstränge, die sich ineinander verflechten, die die Serie so spannend und auch ein wenig anspruchsvoll machen. Neben den Fällen beim LAPD und seiner ungewöhnlichen Zuneigung und Verbindung zu Chloe, hat Lucifer noch private Hürden zu meistern. Er bemerkt schnell, dass er nicht mehr unverwundbar ist, wenn er in Detektiv Deckers Nähe ist. Ob diese Verletzlichkeit seine Liebe zu ihr auslöst oder einen anderen Hintergrund hat, muss man sich als Zuschauer selbst fragen. Lucifers Bruder Amenadiel will ihn zurück in die Hölle bringen, um ihn zum einen natürlich von der Gefahr des Todes zu schützen und zum anderen, weil Amenadiel in seinen Augen im Auftrag Gottes handelt. Doch umso mehr Engel auf die Erde kommen, desto mehr göttliche Gegenstände kommen in den Umkreis. In den Händen von Menschen zieht dies aber nichts Gutes mit sich. Obwohl Lucifer immer die Wahrheit über sich erzählt, will ihm keiner glauben. Lediglich die Personen, denen er sein Teufelsgesicht zeigt, sind in der Lage ihn als den anzuerkennen, der er ist. Doch macht sich in den wissenden Menschen große Angst breit, was Lucifer bei seinen Freunden nicht auslösen möchte.
Ein echter Pluspunkt der Serie ist die Darstellung und Aufarbeitung der Figur des Lucifers. Durch Therapiestunden bei der Psychiaterin Linda Martin, die er während eines Falls kennen gelernt hat, offenbart er sein Inneres. So macht er es den Zuschauern leicht, sich in ihn hineinversetzen zu können. Man lernt den als böse, selbstgerecht und zerstörerisch abgestempelten Teufel als gequälte Seele kennen, die nichts anderes will, als sich selbst verstehen zu können und von anderen verstanden zu werde. Seine größte Wunde ist wohl sein Vaterkomplex. Was man mit dem Hintergrund der Verbannung aus dem Himmel wohl verstehen kann. Es ist immer wieder ein Zusammenspiel aus Amüsement und Mitleid, die mich überkommen, wenn Lucifer über seine Probleme spricht, die menschlicher nicht sein könnten.
Auch, wenn Lucifer nicht gerade ein vorbildliches Leben führt, ist er einem gleich sympathisch. Seine Ausdrucksweise wirkt gehoben und durchdacht. Dabei spielt natürlich auch die überragende Besetzung von Tom Ellis als Lucifer Morningstar eine Rolle. Im englischen Original kann man den Akzent des Walisers deutlich hören, dadurch setzt sich der Teufel auch sprachlich gegenüber den anderen Charakteren ab. Die deutsche Synchronisation kommt zwar nicht ganz an das Original ran, ist aber auch sehr gut gelungen. In beiden Sprachen passt die Stimme zum gepflegten und selbstsicheren Erscheinungsbild von Lucifer.
Doch warum haben sich die Macher der Serie gerade der Geschichte des Teufels angenommen? Darüber lässt sich von meiner Seite wohl nur spekulieren. Ich finde aber, dass dieses Thema einfach viel hergibt. Der Interpretationsspielraum in den Erzählungen der Bibel ist schier unendlich. Die meisten Charaktere werden nur von einer Seite beleuchtet, das ist in der Serie anders. Sie zeigt, dass selbst die größten Sünder viel Gutes an sich haben. Wenn man darüber nachdenkt, dann kommt man zu dem Schluss, dass jeder, egal welcher Ruf ihm vorauseilt, eine gute Seite an sich hat. Es wird auch klar, dass unsere Vergangenheit viel Einfluss auf unseren Charakter nimmt. So können unsere Worte und Taten wohl auch andere Menschen beeinflussen und formen, in negativer, wie auch positiver Richtung. Mit welchen Charakteren lässt sich so eine Lektion wohl besser darstellen als einer Mischung aus Engeln, Menschen und anderen übernatürlichen Wesen aus der Bibel? Religionen sollen den respektvollen Umgang miteinander lehren, dieser Aspekt geht in der Serie voll auf und zeigt, dass der Teufel der genau richtige ist, um dies den Menschen vor dem Fernseher zu vermitteln.
Witz, Spannung, Liebe und Mysteriöses ist alles gegeben. Allerdings muss man bei dieser Serie aufmerksam bleiben, um die Zusammenhänge verstehen zu können, was die Serie für mich aber umso besser macht. Sie ist nicht das anspruchsvollste, das ich je gesehen habe, aber dennoch fordert sie den Zuschauer zum Mitdenken auf. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Stärken und Schwächen, die, wie ich finde, gut herausgearbeitet wurden. Man kann auch die Entwicklungen mancher Charaktere gut beobachten. Neben den menschlichen begegnet man auch den ein oder anderen göttlichen bzw. biblischen Figuren, die die ganze Serie noch spannender und unvorhersehbarer machen. Auch, wenn man kein Religionsfanatiker ist, oder vielleicht auch genau dann, werden einem die Charaktere gefallen. Die Anlehnungen an die Überlieferungen sind zwar vorhanden, jedoch wurden häufig noch einige Details verändert. Generell wird die Religion, die uns in der Schule und von der Kirche eingetrichtert wurde, kritisch hinterfragt. Das Bild des „Bösen“ und des „Guten“ wird jeweils von neuen Sichtweisen betrachtet. Man stellt sich immer wieder die Frage, ob jeder einzelne Schritt, jede einzelne Tat von Gott vorbestimmt wurde. Was hat Gott zu verantworten? Was das Schicksal? Inwieweit kann man sein Leben selbst beeinflussen? Auch die Frage nach dem Tod wird gestellt. Hat man genug getan, dass man in den Himmel kommt oder was muss ich machen, damit ich nicht in die Hölle komme?
All das lässt die Folgen und Staffeln wie im Fluge vergehen. Leider sehen das viele Amerikaner nicht so, weshalb die Einschaltquoten dort eigentlich zu niedrig für eine Weiterführung sind. Dennoch wurden bereits 4 Staffeln von Lucifer gedreht und die nächste ist auch schon auf dem Weg und wird im August diesen Jahres zu sehen sein. Dann kann man den durchtrainierten Teufel wieder beim Ermitteln mit seiner großen Liebe Chloe Decker beobachten und den göttlichen Fügungen auf den Grund gehen. Für alle Krimifans, die etwas anspruchsvolleres mit Humor sehen wollen, genau das Richtige.

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